Eine große, blaue Pupille

Kulturkommentar Warum die Erde den Astronauten Neil Armstrong damals einfach anstarren musste

Der eben verstorbene Neil Armstrong war der erste Mensch, dessen Fuß den Mondsand berührte. Die USA feiern ihn als großen Helden. Zugleich gehört er zu den Schurken in einer Verschwörungstheorie, die behauptet, die Mondlandung sei nur ein Film, ein Schwindel gewesen. Die Theorie ist nicht ernst zu nehmen, dass sie aber aufkam, braucht niemanden zu wundern.

Armstrong hätte über die Mondlandung anders gesprochen, wäre sie vorgetäuscht gewesen. Sicher, sein oft zitierter Satz – „one small step for a man, one giant leap for mankind“ – war auf Erden einstudiert und bedurfte der Erfahrung nicht, wie sich der Mond wirklich anfühlt. Armstrong unterstrich das noch, indem er sich versprach: Er sagte in der ersten Satzhälfte „for man“, was mit „for mankind“ in der zweiten Hälfte gleichbedeutend ist und den ganzen Satz, der rhetorisch so schön ausgedacht war, komplett sinnlos macht. So verhält sich ein Schauspieler, der seine Rolle schlecht geübt hat, während Armstrongs Fernsehzuschauer, indem sie den Satz trotzdem verstanden, wie er gemeint war, sich als umso geübteres Theaterpublikum erwiesen.

Der Astronaut hat aber auch andere Sätze gesprochen, die man nicht so leicht auf Erden erfinden könnte. Er sagte, die Erde habe vom Mond aus „wie eine große, blaue Pupille“ ausgesehen. Diese Äußerung spricht nicht vom Fortschritt der Menschheit, sondern von einem schwer zu verkraftenden Schock. Als der Romanautor Norman Mailer sie in seinem Buch über die Mondlandung zitierte, fügte er hinzu: „Wie mit dem Auge eines gerade ermordeten Opfers starrte die Erde Armstrong ins Gesicht.“ Woher dieses Schuldgefühl? Tatsächlich muss Armstrong die Erde als ein Subjekt erlebt haben, das ihn stumm anschaut – vorwurfsvoll? –, seinen eigenen Blick aushält und gleichsam Rechenschaft von ihm fordert.

Mondbesuch statt Weltrettung

Welche Frage stand da im (Welt-) Raum? Sollte es die ökologische gewesen sein? Es gab damals, 1969, in den USA schon längst eine Ökologiebewegung, die gerade in jenem Jahr den Environmental Policy Act durchsetzte: ein Umweltschutz-Gesetz, an dem man sich noch heute ein Beispiel nehmen sollte, weil es zur Bewahrung nicht nur des natürlichen, sondern auch des historischen und kulturellen Erbes aufrief. Vom Raumfahrt-Heroismus der US-Präsidenten hielt die Bewegung gar nichts. Wirkung war dem Gesetz freilich nicht beschieden, schon weil es zwar die Weltraumbehörde NASA gab, eine Umweltbehörde aber nicht eingerichtet wurde.

Im Raum stand die Frage, warum die Politik zum Mond eilte, statt erst einmal die Erde zu retten oder statt das eine so entschlossen wie das andere zu tun. Das heißt, man hätte Armstrongs Äußerung auch so ergänzen können: „Als wüsste sie schon, dass sie nicht gerettet werden sollte, starrte die Erde Armstrong ins Gesicht.“ War es dann ein Wunder, dass manche glaubten, der Mann habe die Erde nie verlassen? Denn sie nicht zu retten, wer konnte sich das vorstellen? Was zeigten die Bilder denn überhaupt? Zeigten sie nicht eine Wüste? War das nicht die Erde selbst, wie sie einmal aussehen würde? Damit ein unerträglicher Gedanke unbewusst bleiben kann, glaubt man lieber an eine Verschwörung. Wüsten hat die Erde genug, sagt man sich, sie können dort gefilmt worden sein. Die Politik verhält sich aber, als reichten sie doch nicht aus. Das wäre die wirkliche Verschwörung.

Verschwörungstheorie um die gefakte Mondlandung: William Karel erbringt in seiner Mockumentary "Kubrick, Nixon und der Mann im Mond" den Beweis (Teil 1 von 6, Quelle: Youtube)

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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