Das Subharchord, dem die Berliner Akademie der Künste vergangene Woche einen Konzertabend widmete, gehört zu den frühen Instrumenten elektroakustischer Klangerzeugung. Manfred Miersch, der es 2003 wiederentdeckte (es war nach 1970 in Vergessenheit geraten), nennt es eine „weiterentwickelte Orgel“ mit Mixturen aus „subharmonischen“ Tonreihen, das sind solche ohne Obertöne.
Man kann es spielen wie Tomomi Adachi, der mit Pedalklängen, melodieähnlichen Läufen am Manual und Drehen der Regler wirklich an eine Orgel denken ließ, nur dass die Klänge, statt Orgelregister nachzuahmen, dann zum Maschinensound tendieren (The Love of Forty-six Oranges). Oder wie Frederic Rzewski, der als „einer der größten Komponisten des 20. Jahrhunderts“ vorgestellt wurde. Sein Stück Zoologischer Garten von 1965 ist aus vielfach bearbeitetem Tonbandmaterial gewonnen, nur als Lautsprechermusik präsent und verrät nicht leicht, dass es nicht am Syntheziser erzeugt worden ist.
Seit 1959 auf Initiative des ebenfalls anwesenden Gerhard Steinke in der DDR entwickelt, war das Subharchord der einheimischen Musikpolitik niemals genehm, umso mehr interessierten sich Paul Dessau und Siegfried Matthus, neben Hanns Eisler die bedeutendsten DDR-Komponisten, für das Instrument und waren mächtig genug, es zu beschützen. Von Dessau wurde erzählt, er habe ungeduldig auf das zweite Manual gewartet, und von Matthus gibt es sogar eine Komposition (Galileo Galilei,nach einem Text von Bert Brecht, 1966). Ab 1964 hielt sich Rzewski in Westberlin auf. Er kam mit Steinke in Kontakt und folgte gern der Einladung, ein Stück am Subharchord zu komponieren. 1970 musste die Forschung am Instrument und dessen Weiterbau gestoppt werden, denn Leonid Breschnew hatte den elektroakustischen Klang „kakofonisch“ gefunden.
Mühelos-faules Verstehen
Darauf scheint Rzewskis Zoologischer Garten direkt zu antworten. Denn warum war solche Musik den Funktionären unerträglich? Weil sie „Verständlichkeit“ forderten und mühelos-faules Verstehenkönnen meinten. Beim Zoo scheint das zu reichen – es kommt aber drauf an, was man in ihm sieht. In einem Text von 1966 teilt Rzewski mit, dass der Bahnhof Zoo, damals Westberlins Hauptbahnhof hinter rußschwarzem Glas, betrieben von der Reichsbahn der DDR, ihn inspiriert habe. Hier begann er die tägliche Reise nach Ostberlin zur Kompositionsarbeit und staunte über den „kaum glaublichen Übergang zwischen zwei verschiedenen Welten“ – so verschieden, dass „eine große räumliche Distanz“ zu erwarten wäre, und doch „trat man wörtlich mit einem Schritt von einer Welt in eine andere!“ „Diese immer wiederholte Erfahrung drängte sich mir endlich als musikalische Form auf.“
Dem Rezensenten erscheint sie als Sinnbild der Elektroakustik überhaupt: Man glaubt, Räume zu hören, von denen man meint, sie könnten nicht neben- und übereinander koexistieren, und die es doch tun; „mögliche Welten“ (Leibniz) mit mehr Bezug zur vorhandenen, nicht wirklich „besten Welt“, als man denkt.
In der AdK sagte Rzewski, das sei überhaupt keine „realistische“ Musik, nur „formale“ Lösungen würden vorgetragen. Aber was soll der Unterschied sein, wenn es um Grenzen geht? Wenn, wie er erzählte, der Grenzpolizist fragt: „Wo wollen Sie denn hin?“, und er antwortet: zum „Studio für elektroakustische Grenzprobleme“? „Wenn man nichts als die Musik ändern könnte“, sagte Rzewski auch, „dann wäre die Musik wahrscheinlich nicht mehr gut.“
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