So sieht’s auf dem Mars aus – Auswandern ins Weltall, wie einst NASA-Chef Jesco von Puttkamer meinte, ist also keine Option
Foto: Finnbarr Webster/Getty Images
Anti-Ökologie ist wieder angesagt. „Wenn es eine Zeitenwende in der Handelspolitik gibt, darf der Fokus nicht auf Umwelt und Moral liegen.“ So stand es am vorigen Freitag in der FAZ, aber wir lesen es fast täglich. Der Kohleausstieg kommt doch nicht so schnell, die Förderung der besonders schädlichen Braunkohle soll noch ausgeweitet werden. Und wir kaufen massenhaft Fracking-Gas aus den USA, obwohl konventionell gefördertes Erdgas die sehr viel bessere Ökobilanz aufweist.
Dass da etwas faul ist, verraten schon allein die verlogenen Auslassungen derer, die es befürworten. Den Vorteil konventionellen Gases räumen sie knapp ein, um dann breit auszuführen, dass die Ökobilanz der Kohle noch viel schlechter sei. Ja, und daraus folgt al
und daraus folgt also: mehr Kohle, mehr Fracking? Einräumen müssen sie auch, dass beim Fracking – also der Methode, bei der Gas aus Bohrungen in Schiefer und tiefem Gestein gewonnen wird – Methan anfällt. Methan ist eine für das Klima noch 30-mal schädlichere Emission als CO₂. Da weisen die Fracking-Freunde knapp darauf hin, dass Methan sowieso bei der Gasförderung anfällt. Ja klar, denn Gas besteht hauptsächlich aus Methan. Auch bei konventioneller Förderung wird immer etwas davon in die Atmosphäre entweichen. Beim Fracking entweicht aber zehnmal mehr.Autarkie statt Ökologie?Es gibt noch weitere Schäden, die durch Fracking entstehen, nur an einen sei noch erinnert: Um das Gas aus den USA nach Deutschland transportieren zu können, muss es erst einmal verflüssigt und dann noch über den Atlantik gebracht werden. Das ist eine emissionsreiche Angelegenheit. Und gerade in den LNG-Flotten (LNG = Flüssiggas) spielen dampfturbinengetriebene Schiffe nach wie vor eine große Rolle. Das alles ist nicht nur teuer, sondern auch sehr klimaschädlich. Auch das räumen die Befürworter:innen ein, und ihre Antwort ist: Es sei besser, in Deutschland selbst Fracking-Gas zu fördern, als es aus den USA zu beziehen.Da nun immer vor dem Hintergrund argumentiert wird, man müsse ja antiökologisch werden, weil „Putin“ uns dazu zwinge, sei eins gleich klargestellt: Dieser Hintergrund ist so verlogen wie das andere. Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass gewisse Dinge trotz des Ukrainekriegs auf keinen Fall geschehen sollen. So soll es nicht zum Atomkrieg kommen. Und das ukrainische Getreide soll nicht blockiert sein. Warum nicht? Muss man es erst erklären? Weil dieser Krieg nicht die ganze Menschheit ins Unglück reißen darf. Aus demselben Grund ist aber auch Gas, von wo immer es geliefert wird, vor allem ökologisch und überhaupt gar nicht nach Kriegsgesichtspunkten zu beurteilen. Den Grundsatz fiat iustitia et pereat mundus – „Es werde Gerechtigkeit, mag auch die Welt untergehen“ – haben immer alle, die nicht geisteskrank waren, zurückgewiesen. Verstärkte Anti-Ökologie führt zu diesem Untergang. Bei einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad könnten große Teile der Ostantarktis abschmelzen und der Meeresspiegel stiege bis 2300 um fünf Meter. Führende Klimawissenschaftler halten das Ende der Menschheit für möglich. Den Grünen ist das wohl immer noch nicht genug. Ihre Politik ist seit Kriegsbeginn zu einer Kenntlichkeit entstellt, die mit Ökologie nichts mehr zu tun hat. Es ist die Politik der Energiesicherheit, von der sie ja selbst ganz offen reden. Energiesicherheit ist der Wille nationaler Regierungen, über ökonomische Ressourcen autark verfügen zu können. Wie antiökologisch solche Ressourcen sind, spielt keine Rolle.Solche Autarkiepolitik wurde betrieben, lange bevor eine breitere Öffentlichkeit von Ökologie wusste. Zum Beispiel vom US-Präsidenten Harry Truman, der 1952 eine Kommission mit dem Titel „Resources for Freedom“ einsetzte. Auch John F. Kennedy ließ 1961 einen entsprechenden Bericht anfertigen; in ihm ging es nicht zuletzt um wachsende Energiekosten. In einer Epoche der Entkolonialisierung gerieten sie immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Zugleich waren es gerade die 1950er Jahre gewesen, in denen, zunächst in den USA, der kapitalistische Konsumismus und mit ihm der massiv gesteigerte Energiehunger ihren Ausgang nahmen. In den 1970er Jahren sahen auch gewöhnliche Zeitungsleser:innen, wie das Selbstbewusstsein der „Entwicklungsländer“ zunahm: Sofern sie Öl förderten, erhöhten sie dessen Preis massiv. Der Westen reagierte mit dem Bau von Atomkraftwerken.Als schon in den 1960er Jahren in den USA eine, wie wir heute sagen würden, Ökologiebewegung entstand – sie selbst nannte sich New Conservation –, gehörte die Energiesicherheit nicht zu ihren Themen. Sie sprach vielmehr von der Verseuchung der Böden durch DDT (Rachel Carson), der Luft durch die Autoindustrie (Ralph Nader), den Folgen der Industrialisierung überhaupt (Lewis Mumford). Menschen wie Petra Kelly und Rudolf Bahro vertraten ihre Botschaft in der Anfangszeit der Grünen. Aber es ist lange her. Man fragt sich, ob die Grünen bald auf dem Standpunkt stehen werden, den der NASA-Chef Jesco von Puttkamer Anfang der 1990er Jahre verkündete: Die Menschheit habe nun einmal einen so großen Energieverbrauch, dass sie sich nunmehr als Feind der Erde erkennen und daher demnächst ins Weltall auswandern müsse. Er bezeichnete seine Vision als „die Ökologie des 21. Jahrhunderts“. Wenn die Grünen zu solchen „Ökologen“ werden, steht ihnen zweifellos eine große Zukunft bevor, denn von Raumfahrtfantasien lassen sich immer mehr Menschen einlullen. In Wahrheit ist der hohe Energieverbrauch aber eine Eigenschaft nicht „der Menschheit“, sondern des Kapitalismus.Robert Habeck spielt falschDie Grünen scheinen zugleich auch dabei zu sein, etwas wie eine kapitalistische Anti-Öko-Diktatur zu etablieren, die sich den Anschein gibt, eine von den Bürger:innen freiwillig erduldete Ökodiktatur zu sein. Denn jetzt im Krieg sind wir ja alle bereit, „Opfer“ zu erbringen. Sehr geschickt spielt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf einer Klaviatur der weißen antiökologischen und zugleich auch schwarzen ökologischen Tasten. Als ökologische Verbotspartei hatten die Grünen Schiffbruch erlitten, aber mit Energiesicherheit aus Kriegsgründen dürfen sie es sein und können zugleich die Konfusion nutzen, dass Energie ja auch eine ökologische Seite hat. Die tritt zwar gerade zurück, denn sie bestünde in der Senkung des Energieverbrauchs ohne Vermehrung antiökologischer Energiequellen wie Kohle und Fracking-Gas. Aber wer will schon so subtil unterscheiden? Wenn ihn einer, so Habeck, um 50 Euro als Gegenleistung fürs Gassparen bitten würde, würde er antworten: „Kriegst du nicht, Alter.“ Klingt das nicht wie ein ökologischer Satz?Die US-Regierung will dafür sorgen, dass die EU noch in diesem Jahr 15 Milliarden Tonnen Flüssiggas zusätzlich erhält, obwohl die heimischen Verflüssigungsanlagen ausgelastet sind. Für die Folgejahre wurden 50 Milliarden Tonnen pro Jahr auf dem G7-Gipfel vereinbart. Das sind keine vorhandenen Mengen, von denen uns die USA etwas abgeben, sondern es bedeutet, dass sie ihre Frackingproduktion massiv steigern werden. Bei ihrer Methode, eine Sand-Wasser-Chemikalien-Mischung unter hohem Druck ins Gestein zu pressen, fällt besonders viel Methan an. Nun denn, auf in die Hölle!
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