Gezielte Konfusion

Blockupy Friedliche Demonstranten und gewaltbereite Autonome sind zweierlei, trotzdem werden die einen immer wieder für die anderen beschuldigt. Das ist lächerlich
Ausgabe 13/2015
Wieder ein Beispiel für eine verfälschende Darstellung in den Medien: Die Blockupy-Proteste in Frankfurt
Wieder ein Beispiel für eine verfälschende Darstellung in den Medien: Die Blockupy-Proteste in Frankfurt

Foto: Odd Andersen/AFP/Getty Images

Die Debatte über linke Gewalt bei systemkritischen Demonstrationen ist nicht neu. Am Tag danach spielt sich immer das Gleiche ab: Die Veranstalter weisen darauf hin, dass sie vorher ausdrücklich zur Gewaltfreiheit aufgerufen hatten. Die meisten Medien hält das nicht davon ab, ihnen die Schuld zu geben. Zudem stellen sie die Dinge falsch dar, wobei das Hauptmittel darin besteht, alles in einen Topf zu werfen. Das war schon 1968 so und hat sich seitdem oft wiederholt. So auch nach dem Blockupy-Protest gegen die Eröffnung des EZB-Turms in Frankfurt. Wieder ein eklatantes Beispiel für eine verfälschende Darstellung, in dem nicht Zusammenhängendes vermischt worden ist.

In der Nähe der EZB wurden Scheiben eingeworfen, darunter die eines kommerziellen Hotels, das auf dem großen Areal des katholischen Kolpingwerks liegt. Auf diesem Areal befindet sich auch ein Tagungshaus, in dem Jugendliche wohnen, darunter junge Flüchtlinge. Obwohl es in keiner Weise beschädigt wurde, behauptete als Erster der Bundessekretär des Kolpingwerks, „eine Unterkunft von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen“ sei mit Pflastersteinen beworfen worden. Später ruderte man zurück: Hotel und „Jugendwohnen“ befänden sich auf demselben Gelände, folglich sei „das Kolping-Jugendwohnen“ beschädigt worden, hieß es auf der Website des Kolpingwerks.

Kann man diese Unlogik noch menschlich verständlich finden, was soll man dann von der Meldung der Bild sagen? „Das Kolpingwerk meldet, dass ein Flüchtlingsheim für traumatisierte syrische Kinder von Autonomen angegriffen wurde.“ Die „syrischen“ Kinder und der Angriff durch „Autonome“ sind glatte Lügen. Deren Funktion ist es, einige zersplitterte Hotelfenster mit den von Autonomen angezündeten Polizeiautos gleichzusetzen; zudem sollen die Steinewerfer wohl Sympathisanten des syrischen Präsidenten Assad, wenn nicht gar Fremdenfeinde sein. Auch die FAZ hat diesen angeblichen Angriff mehrmals behauptet. Da springt ein Unterschied ins Auge: Während die Gegner der Demonstranten zur gezielten Konfusion greifen, haben diese das nicht nötig. Ihre Kritik an der EZB und der Wirtschaftspolitik der EU-Gremien überhaupt stützt sich auf klare Argumente.

Es gibt weitere Unterschiede. So sind friedliche Demonstranten und gewaltbereite Autonome zweierlei, und es ist lächerlich, die einen für die anderen zu beschuldigen. Die demokratische Methode der Gewalteindämmung würde darin bestehen, dass eine Polizei eingreift, die zu unterscheiden weiß. Deeskalation besteht nicht darin, auf Demonstrationen zu verzichten wegen irgendwelcher Dinge, die außerhalb von ihnen geschehen. Sonst müsste man ja auch die Abschaffung freier Wahlen vorschlagen, weil Parlamente aus ihnen entspringen, in die manchmal die NPD einzieht.

Wenn ich das sage, will ich nicht NPD und Autonome auf eine Stufe stellen, denn diese haben keine bösen Ziele, was zu einem letzten Punkt führt. Zeitungen wie Bild und FAZ sollten aufhören, so zu tun, als würden sie den Unterschied von Erklären und Rechtfertigen nicht kennen. Die gesteigerte Gewalt in diesen Wochen, da Griechenland in die Enge gedrängt wird, ist doch wohl nicht erstaunlich. Warum soll man das nicht aussprechen, um zu warnen; es wird noch mehr Gewalt geben, namentlich in Griechenland selbst. Und dann eher rechte als linke Gewalt, wenn die führenden EU-Gremien die Syriza-Regierung zum Aufgeben zwingen.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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