Heiß genug gegessen

Landtagswahlen Auf den zweiten Blick ist es dann doch ein ziemlich fataler Wahlabend, besonders in Sachsen
So könnte das in Sachsen aussehen: CDU und Grüne rücken zusammen und machen lange Gesichter, während sich die AfD über die Rolle der Ausgeschlossenen freut. V.l.n.r.: Jörg Urban (AfD), Michael Kretschmer (CDU) und Katja Meier (Grüne)
So könnte das in Sachsen aussehen: CDU und Grüne rücken zusammen und machen lange Gesichter, während sich die AfD über die Rolle der Ausgeschlossenen freut. V.l.n.r.: Jörg Urban (AfD), Michael Kretschmer (CDU) und Katja Meier (Grüne)

Foto: Maja Hitij/Getty Images

Alles halb so schlimm, mögen manche denken. Die AfD ist eben doch nicht stärkste Partei geworden, weder in Sachsen noch in Brandenburg. „Weit abgeschlagen“ liegt sie in Sachsen hinter der CDU, in Brandenburg hinter der SPD, könnte man formulieren. Gut, in der bisherigen Konstellation kann wohl weder da noch dort weiterregiert werden. In Brandenburg haben SPD und Linke die Mehrheit verloren, in Sachsen reicht es wahrscheinlich nicht mehr für die bisherige „große“ Koalition zwischen der CDU und einer SPD, die nach der letzten Hochrechnung bei acht Prozent liegt. Aber spielt das eine Rolle, da doch die Grünen bereitstehen, die in beiden Ländern leicht erstarkt sind und ihre Aushilfe, wie immer und überall, schon angekündigt haben?

Auf den zweiten Blick ist es dann doch ein ziemlich fataler Wahlabend, besonders in Sachsen. Die AfD hat ihr bei der Europawahl erreichtes Rekordergebnis noch übertroffen. Und das bei erheblich größerer Wahlbeteiligung. Der Faktor Wahlbeteiligung lässt auch den rauschend wirkenden Wahlsieg der CDU in anderem Licht erscheinen. Denn die CDU hat dort sehr stark an die AfD verloren, es ist nur durch bisherige Nichtwähler überkompensiert worden. Darüber darf man sich natürlich zunächst freuen. Die Gesellschaft ist zur Verteidigung der Offenen Gesellschaft bereit, auch in Sachsen. Sie sieht der Ausbreitung der AfD nicht tatenlos zu. Die andere Seite ist aber eben, dass die Agitation der AfD in die CDU offensichtlich hineinwirkt, sie wirklich schwächt und wohl auch weiterhin schwächen wird. Dass die AfD nicht alle Parlamentssitze einnehmen darf, die ihr nach dem Stimmenanteil zustehen würden, wird dabei eine Rolle spielen. Die Aberkennung geschieht zwar nach Recht und Gesetz, ist aber trotzdem Wasser auf den Mühlen einer Partei, die weismachen will, sie werde um die Demokratie betrogen.

Schwarz-Grün hilft der AfD

Noch viel schlimmer ist aber, dass es zur Fortsetzung der „großen“ Koalition vielleicht nicht reicht und die CDU dann auf die Grünen zurückgreift. Diese beiden Parteien passen in Sachsen ganz besonders schlecht zusammen. Wenn sie trotzdem eine Regierung bilden, werden das nicht nur AfD-Wähler unnatürlich finden. Denen hat es Alice Weidel schon in den Mund gelegt: Die CDU verrate ihren Anhang, indem sie sich einem bürgerlichen Bündnis verweigere. Von der CDU schallt es zwar zurück, daß ein solches Bündnis nicht bürgerlich wäre, aber das macht die Konstellation CDU-Grüne nicht besser. Auch Nicht-AfD-Wählerinnen werden von ihr nicht begeistert sein und das gibt der AfD Raum für noch mehr Einbrüche ins christdemokratische Elektorat.

Das ist die Wiederkehr der Situation, die schon nach der letzten Bundestagswahl bestand, aber in noch einmal verschärfter Form. Schon dort war klar, dass nur eine (Bundes-)Regierung aus Parteien zustandekommen konnte, die gar nicht miteinander wollten. Schon dort und damals wäre eine Minderheitsregierung besser gewesen, aber das Experiment wurde nicht gewagt. So viel Unsicherheit sei zu riskant, hieß es. Und was ist herausgekommen? Die Unionsparteien und besonders die SPD verlieren immer weiter an Zustimmung. In Sachsen aber wird besonders deutlich, dass eine Minderheitsregierung, sei’s aus CDU und SPD oder aus der CDU allein, die politische Stabilität nicht etwa mindern sondern stärken würde. Denn der AfD wäre eines ihrer falschen Argumente entzogen. Und was wäre denn so schwierig daran? Wenn alle Parteien diesseits der AfD bereit sind, miteinander zu regieren, werden sie es doch wohl auch hinkriegen, sich auf eine gut geregelte Parlamentsarbeit auch bei wechselnden Mehrheiten einer Minderheitsregierung zu einigen, die zum Beispiel auch verlässliche Regeln für die Aufstellung der Haushalte einschließt.

Es sind leider am meisten die Grünen, die einen solchen Weg unmöglich machen, weil sie eben immer mitregieren wollen. So schwer fiel es ihnen, sich neben rot-grünen auch schwarz-grünen Koalitionen zu öffnen, dass sie nun gleich meinen, sie dürften überhaupt niemals mehr in der Opposition verbleiben. Es spricht nicht für ihre Intelligenz.

In Brandenburg ist die Lage weniger problematisch. Über den Wahlsieg der SPD, nach dem es noch vor wenigen Wochen nicht aussah, darf man sich uneingeschränkt freuen. Weiter allein mit der Linken wird sie nicht regieren können, aber wenn hier die Grünen dazukommen, ist es wie in Berlin, wo Rot-rot-grün gute Arbeit leistet. Trotzdem muss man auch hier besorgt sein. Die AfD hat auch hier ihr bisher stärkstes Ergebnis erzielt, und die CDU ist ganz besonders stark eingebrochen. Der Kampf um die Offene Gesellschaft ist noch längst nicht ausgefochten.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur (FM)

studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. an der Universität Innsbruck für poststrukturalistische Philosophie inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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