Im ästhetischen Modus

Deutsches Haus Energiesparen durch Neubau oder Sanierung? Ein Streit zeigt, dass Ökologie und Ästhetik nicht unbedingt vereinbar sind

Soll man Altgebäude energetisch sanieren oder lieber gleich ganz abreißen? Dazu gibt es neue Wortmeldungen. Sie zeigen eine leider gewohnte Ökologie, die im Spannungsfeld von „links“ und „rechts“ die Orientierung verliert.

Zum einen stellte die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“, ein Zusammenschluss von Verbänden der Bauwirtschaft, des Deutschen Mieterbundes und der Gewerkschaft IG Bau, eine Studie vor, die errechnet, dass es in einer Reihe von Fällen billiger sei, neue energieeffiziente Gebäude zu errichten, als die alten um­zurüsten. „Mehr als jedes zehnte Wohnhaus in Deutschland ist nicht mehr wirtschaftlich zu sanieren“, heißt es da – es geht um ­Milli­onen kleinere und größere Häuser. Ob das nun stimmt oder nicht, es ist eine Anwendung der urlinken Figur: Vernichtung und Ersatz des Tradierten. Zwar geht es nur um bestimmte Gebäude, und sie würden aus guten Gründen abgerissen. Doch natürlich ist es der beteiligten Bauwirtschaft egal, ob sie, wie hier einmal, Gründe nennen kann oder sonst auch ohne Gründe zu ihrem Profit kommt. Gibt es eine Branche, die nicht der Ver­schleiß­produk­tion frönt?

Zum andern und fast gleichzeitig hielt die Fraktion von CDU und CSU im Bundestag eine Konferenz ab, in der sie verlangte, bei der energetischen Gebäudesanierung die Bausubstanz und die tradierte Gestalt zu schonen. Es ist wie im Klischee, das man kennt: Reaktionäre streicheln den Gaul der Geschichte, während Fortschrittler entdecken, dass er hinkt und zuschanden geritten werden sollte.

Jedenfalls fehlt auf beiden Seiten Entscheidendes. Links vergisst man, weshalb energetische Sanierung überhaupt ein Wert ist: weil sie nicht nur die Schadstoffbilanz verbessert, sondern dies ein Mittel ist, unsere Kultur zu bewahren. So geht es in der Studie, die zur Rede steht, nicht um die Ästhetik der Häuser, sondern nur um ihre Physik und Chemie. Rechts scheint der kulturelle Gesichtspunkt umso mehr im Vordergrund zu stehen. Aber hier vergisst man, dass unsere Kultur keine statische ist. Statik der Kultur oder Vernichtung und Ersatz ist eine falsche Alternative. Der Ersatz kann doch seinerseits kulturwahrend sein.

Wir wissen das aus Kontexten, in denen wir nicht selbst abreißen, sondern kriegszerstörte Gebäude wieder aufbauen. Wir tun das mal originalgetreu, mal in „kritischer Rekonstruktion“, und es kann Fälle geben, wo gar nichts mehr an die alte Ästhetik erinnern soll, weil das Gebäude einem schlimmen Zweck diente.

Erziehungsprogramm für die Massen

Auch dann ist gerade die Ästhetik des Neuen wichtig, oder dann umso mehr. Über Ökologie sollte stets nur im kulturellen und ästhetischen Modus gesprochen werden. Denn sonst geht sie die Menschen nichts an, rührt nicht an ihre Gefühle. Und was sie nicht fühlen, macht sie nicht handlungsfähig. Architektur ist nun einmal von jeher ein Erziehungsprogramm für die Massen. Es ist freilich nicht nur wichtig, was die Menschen sehen, sondern auch was es sie kostet. Das linke Programm, Althäuser abzureißen und neu zu erbauen, mag billiger kommen als das rechte, sie aus historischer und positivistischer Treue zu schonen.

Aber das ist nicht entscheidend, denn teuer sind beide Programme, das eine nur etwas mehr als das andere. Entscheidend ist, was die schwarzgelbe Regierung tut: Sie fährt das Fördervolumen für die energetische Sanierung herunter, von zwei Milliarden Euro 2009 auf 50 Millionen Euro im Jahr 2012. Wir werden nämlich haftbar gemacht, die Staatsgaben an unsere maroden Banken zu finanzieren. Da muss Ökologie zurücktreten, die technizistische wie die kulturell reflektierte, und auch die soziale Not der Menschen wird zweitrangig.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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