Auch bei der Bayernwahl am vergangenen Sonntag hat sich der Absturz der Grünen fortgesetzt. Sie waren nie sehr stark in diesem Bundesland, mussten nun aber nochmals fast einen Punkt abgeben und stehen bei 8,6 Prozent. Was sie beunruhigen muss: Die Meinungsumfragen für die ganze Republik tendieren auf einen derart niedrigen Wert. Jetzt überlegen die Grünen verstärkt, woran das liegen kann. Verschiedene „unglückliche Themen“, durch die sie in der Vorwahlkampfzeit auffielen, werden genannt: Die eigenen Wähler hätten sie durch geplante Steuererhöhungen verprellt; durch den von Renate Künast vorgeschlagenen „Veggieday“ stünden sie als Verbotspartei da; die Energiewende, ihr ureigenes Thema, hätten sie nicht in d
n den Vordergrund gestellt. Zuletzt wurden sie dann noch von der Vergangenheit eingeholt: Jürgen Trittin, heute Spitzenkandidat, war als verantwortlicher Funktionär der Pädophiliepropaganda nicht entgegengetreten.Bei näherem Hinsehen kommt man zu dem Schluss, dass nicht so sehr diese Themen als die Art, wie sie in Teilen der Öffentlichkeit dargestellt werden, den Grünen schadet. Es ist erfolgreiche Propaganda der Regierungskoalition, wenn der Eindruck entstanden ist, ihre Steuerpolitik belaste „die Menschen“ zusätzlich, wo sie doch nur den obersten zehn Prozent mehr abverlangt, während für alle anderen eine Steuerminderung herauskäme. Der Veggieday war als sinnvolle Anregung gedacht, denn die exzessive Ausdehnung des Fleischkonsums wirft wirklich gravierende Probleme auf.Nach FukushimaWas die Energiewende angeht, versucht die Regierungskoalition, für steigende Strompreise das Erneuerbare-Energien-Gesetz und damit die Grünen, die es während der rot-grünen Regierungszeit auf den Weg gebracht haben, verantwortlich zu machen. Die Grünen weisen das zurück. Ihr Kampf gegen steigende Strompreise würde zum Beispiel einschließen, dass Versorger zur Weitergabe sinkender Preise an den Börsen gezwungen werden. Doch das dringt kaum durch. So wenig wie ihr detailliertes Energiewende-Umbauprogramm im Ganzen.Man schreibt eher darüber, dass die taz einen grünenkritischen Artikel zur Pädophilie unterdrückt habe. Diese Vergangenheit bleibt schon wirklich ein Schandfleck. Zur 68er-Revolte gehörte auch dieser perverse Ausläufer, und die Grünen müssen ihn verantworten.Aber um den gegenwärtigen Absturz zu erklären, muss man ein wenig Distanz zu den Themen anno 2013 gewinnen. Es drängt sich zuerst die Annahme auf, ihnen sei ihr Generalthema, der Atomausstieg, anno 2011 von Angela Merkel weggenommen worden. Die wenigsten aber wissen noch, dass ihr einstiger Höhenflug keineswegs erst mit Fukushima begann. Nein, es war im November 2010, vier Monate zuvor, dass die Grünen über 20 Prozent Wählerzustimmung erhielten und im Begriff schienen, die SPD zu überholen.Damals stand das Ansehen der neuen schwarz-gelben Regierung, die ihr pannenreiches erstes Halbjahr hinter sich hatte, auf dem Tiefpunkt. Sie versuchte die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke durchzusetzen, doch der Bundesrat trat ihr entgegen. Dass daraufhin die Grünen erstarkten, war einerseits kein Wunder. Aber es war doch ein Ereignis, dass nun erstmals auch größere Mengen von Unionswählern bereit waren, die Grünen zu ihrer „Protestpartei“ zu machen.Dazu trug sicher auch bei, dass in Hamburg die erste schwarz-grüne Koalition auf Länderebene bestand. Die Grünen konnten auch im linken Spektrum Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, die sie während der Schröder-Regierung verloren hatten. Ihre Spitzenpolitiker demonstrierten wieder in Gorleben und setzten sich an die Spitze des Widerstands gegen „Stuttgart 21“.Auf Augenhöhe mit der SPD: Wie sollten die Grünen damit umgehen? Das konnten sie nicht beantworten, ja wagten es kaum zu fragen! Nur eine fruchtlose Debatte, ob man links bleiben oder rechten Wählern Zugeständnisse machen solle, brach los. Und schaut man auf die inzwischen vergangene Zeit, so ist die Wählerzustimmung nach Fukushima kontinuierlich gesunken, bis sie vor ein paar Wochen sogar die Zehn-Prozent-Marke unterschritt.Kein OppositionsprogrammDazu hat die Gegenpropaganda der Regierungsparteien gewiss beigetragen. Doch als Ursache kann sie nicht gelten. Eher haben es die Grünen nicht verstanden, aus der Zustimmung von linken und Unionswählern etwas zu machen. Sie hätten mit einem nicht nur ökologischen, sondern ökonomischen Oppositionsprogramm an die Öffentlichkeit gehen müssen. Statt den Veggieday vorzuschlagen, hätten sie Volksentscheide über ökonomische Schlüsselfragen anregen können, über den Anteil der Fleischproduktion an der Nahrungsproduktion, der Nahrungsproduktion an der Flächennutzung und so weiter. Damit wären sie unfruchtbaren „rechts, links“-Debatten aus dem Weg gegangen.Aber das haben sie nicht getan, vielmehr haben sie sich noch 2011 im Berliner Wahlkampf von der SPD Angst einjagen lassen, sie sähen wie heimliche CDU-Freunde aus. Und diese Angst sind sie bis heute nicht los geworden. Als Unterstützerpartei für Peer Steinbrück bieten sie wenig Anhalt, sich näher für ihr Programm zu interessieren. Wer soll denn da erwarten, dass es sich von dem der SPD stark abheben könnte?