In unserer Welt, schreibt Columbus in einem Kommentar unter meinem Artikel Der Papst hat sich geoutet, wächst der Sinn „nach Resakralisierung und Auserwähltheit“. Dass jedenfalls das religiöse Bedürfnis wächst, sehe ich auch so und auch ich finde es wichtig, die vielfältigen Formen zu bemerken, in denen sich dieses Bedürfnis heute äußert. Für uns hier in Westeuropa scheint mir z. B. das schnell wachsende Bedürfnis nach Himmelfahrt, Leben im Himmel und eigenem Leben nach dem Tod im Himmel, das heute als Glaube in „naturwissenschaftlicher“ Form in Erscheinung tritt, also als Raumfahrt, Leben auf Exoplaneten und der begeisterten Bereitschaft, die Raumfahrt toten Maschinen zu überlassen, weil sie ja anders gar nicht durchführbar ist, extrem wichtig zu sein. Darüber schreibe ich oft und weiß mich mit Columbus einig.
Was sich an dieser letztgenannten Form des Glaubens aber verallgemeinern lässt, ist der Umstand, dass er als „Re-“ Religion, Rückkehr zur Religion, eine Gestalt hat annehmen müssen, die das Moderne, das jedermann heute in seiner / ihrer Umwelt erfährt, mit aufnimmt. Der Katholizismus versucht sich aufrechtzuerhalten; ich weiß, dass er in vielen anderen Weltteilen seine Stärke behält, zweifle aber daran, dass er heute zu den Religionen gehört, die sich ausdehnen (bin dem allerdings nicht nachgegangen); klar ist aber, dass der Protestantismus es in manchen Weltteilen leichter hat, unter Bedingungen der Religionsrückkehr und zugleich der Moderne sich auszudehnen, als der Katholizismus. Und das liegt nun aber gerade daran, dass das Sakrale in ihm weit mehr zurückgedrängt ist als im Katholizismus. Aus diesem Grund konnte sich schon der klassische Protestantismus eines Martin Luther ausdehnen, weil schon damals im 16. Jahrhundert die Welt sich so weit zu entzaubern begonnen hatte, dass man nicht mehr so leicht an die Transsubstantation glaubte; Luther schon reduzierte das Sakrale, wie man sagen könnte, auf ein bloßes Viertel des Umfangs, den es bis dahin gehabt hatte, indem er zum einen die Bedingung der Austeilung durch einen besonderen Priesterstand strich und zum andern nur noch abstrakt auf Jesu „Anwesenheit“, ohne Transsubstantation, in Brot und Wein bestand. Wie man weiß, hat er damit ein Fass aufgemacht, das schon zu seinen Lebzeiten noch viel weiter geöffnet wurde, von Zwingli und von Calvin, denen zufolge das Abendmahl lediglich „zur Erinnerung“ an Jesus abgehalten wird.
D. h. m. a. W., dass diese neueren Formen des Protestantismus, und das sind gerade die Formen, in denen sich der Protestantismus über die nordwestliche Welt ausgebreitet hat, das Sakrale komplett gestrichen haben. Religion ist seitdem nur noch eine rein „geistige“ Angelegenheit, und von vielen ist herausgearbeitet worden, dass damit der erste Schritt zum Verschwinden der Religion getan war. Eben weil es, und da berührt sich der Gedankengang nun wieder mit meinem Artikel, das Sakrale war, was zum Zusammenhalt der Gesellschaft beigetragen hatte, während ein rein „geistiger“ Glaube nur eine Variante von Selbstverständnis neben allen anderen ist, die ihrerseits die Frage aufwerfen, wodurch denn sie sich stützen und halten können. In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage, weshalb der Protestantismus dem Verschwinden der Religion in Europa noch weit mehr Vorschub geleistet hat als in Nordamerika, wobei sie es aber natürlich auch dort getan hat, denn dort halten zwar mehr Bürgerinnen zu den protestantischen Freikirchen, aber doch keineswegs alle. Ich kann die Frage nicht beantworten, sie muss aber in unserm Kontext auch nicht unbedingt diskutiert werden; interessanter ist, dass die „Evangelikalen“, auf die Columbus verweist, und da besonders die „Pfingstler“ die Schraube der Entsakralisierung, wenn das überhaupt möglich ist, noch um weitere Windungen aufdrehen. Denn hier verschwindet im Grunde jegliche vorgegebene Ordnung zugunsten des puren Ekstase-Erlebnisses.
Bei dem, was man heute über die Ausbreitung der Evangelikalen in Südamerika liest, muss man wahrscheinlich aufpassen, ob es sich um katholische Autoren handelt und ob sich dieses in der Analyse auswirkt. Solche Autoren kommen möglicherweise nicht auf die Frage zu sprechen, ob nicht schon die Entstehung der Befreiungstheologie mit der evangelikalen Mission in Lateinamerika zusammenhängt. Dafür bringt Anthony Gill: Religiöse Dynamik und Demokratie in Lateinamerika, in Politik und Religion. Politische Vierteljahresschrift Sonderheft 33/2002, S. 478-493, erstaunlich viel empirische Plausibilität bei. Die katholische Amtskirche hatte sich nicht sehr um die Armen gekümmert, in diese „Marktlücke“ strömte die evangelikale Mission. D. h. sie setzte zuerst bei den Armen an; ihre Bedeutung für die Mittelschichten war eine spätere. Teile der katholischen Kirche erkannten die Gefahr und begannen nun ihrerseits um die Armen zu kämpfen. Dabei hatten sie - oder hatte besser gesagt diese Regionalkirche, die solche Kräfte in ihr zunächst gewähren ließ -, nicht unbedingt die besten Trumpfkarten in der Hand, da wir ja nicht mehr im Mittelalter leben. Antikapitalismus war aber eine erfolgversprechende Methode.
Das sind so Bedingungen, unter denen so eine Kirche sogar von uns aus gesehen unterstützenswert erscheint.
Verstehen müssen wir nun freilich auch, wieso gleichzeitig auch der Prokapitalismus der Evangelikalen erfolgreich ist, mehr noch sogar als der Antikapitalismus der Befreiungstheologie, die überdies von zwei für die Problemlage blinden Vorgänger-Päpsten massiv eingeschüchtert wurde. Schon 2002 konnte Gill konstatieren, dass „wenn man bedenkt, dass evangelikale Protestanten dazu neigen, aktivere Kirchgänger zu sein als erklärte Katholiken, [...] der prozentuale Anteil aktiver Protestanten und Katholiken in den meisten lateinamerikanischen Ländern nahezu gleich“ sei. Dies impliziere, „dass Protestanten in vielen Ländern den gleichen Einfluss bei Wahlen haben wie Katholiken“. (S. 486) Es zu verstehen, ist aber gar nicht schwer. Denn wissen wir nicht, dass man sich mit Ekstase-Erlebnissen über die Grausamkeit des Kapitalismus hinwegtrösten kann? Man kann das doch in jeder Disko beobachten und auch, wenn Drogen konsumiert werden. Solchen Formen gegenüber hat die Pfingstgemeinde den Vorteil, dass sie a) die lebenslänglich kontinuierliche, regelmäßig wiederholte Ekstase für jedermann, ob jung oder alt, schön oder „hässlich“, anerkannt oder nicht anerkannt, verspricht (die regelmäßige Wiederholung allein macht zwar nicht das Sakrale aus, ist aber doch ein Element, das davon noch übrig geblieben ist) und b) eine gesunde, gemeinschaftliche und legale Ekstase ist, mit dem Nachteil aber nun eben auch, dass sich ihre Segnungen c) auf die Gemeindemitglieder beschränken, und mehr noch: dass sie mit Feindschaft gegen Gruppen unter den Nichtmitgliedern sehr gut verträglich ist. „Ihr seid nicht von dieser Welt“ wird den Mitgliedern sowieso generell eingetrichtert, gewisse Teile der „Welt“ können dann, dass sie unter Satans Herrschaft steht, besonders „gut“ veranschaulichen.
Wenn der gegenwärtige Papst das Sakrale in seiner Kirche verteidigt, wird auch dies mitspielen, und das war mir nicht auf dem Schirm gewesen: dass er sich nicht traut, sie zum Protestantismus hin zu öffnen, und sei es nur um einen kleinen Spalt. Er mag sich wohl sagen, dass er den Pfingstlern dadurch sogar entgegenkäme. Er sucht sich mit ihnen gut zu stellen, was soll er auch anders tun; aber wenn er ihnen, mag er denken, auch nur den kleinen Finger reichte, nähmen sie womöglich die ganze Hand.
Kommentare 135
Mal als Einwurf von der Seitenlinie: Habermas (in „Auch eine Geschichte der Philosophie“) würde dem zustimmen. Es referiert diverse Ansichten zur Entstehung von Religionen und tendenziell neigt er, mit anderen dazu, dass sich der erzählende Mythos aus dem Ritus, der gemeinsamen Praxis ergab, nicht umgekehrt. Die Intellektualisierung, das Streichen des Sakralen und Rituellen, wird daher oft als Mangel empfunden, eben dadurch, dass die mythische Erzählung sich auf diejenigen, die dies und das tun und in der und durch die rituelle Praxis schon verbunden sind, bezieht.
Die Evangelikalen können diese Leerstelle vielleicht ein Stück weit füllen und auch hier würde Habermas zustimmen – ohne Affirmation der Evangelikanen –, ein wesentlicher Wert des Religiösen ist das „Außeralltägliche“, das üblichen Routinen unterbricht. Das Außeralltägliche ist gewissermaßen ein Teil des Lohns, warum man sich auf die Mühlen des Alltags einlässt. Es gibt da noch dieses ganz Andere.
Diese transhumanistischen Techno-Versionen der Religion beten freilich in aller Regel eine körperfreie Version des Ich an, in der der Körper entweder cyborgoptimiert ist, oder sogar gänzlich zur reinen Information geronnen, wenn man an die Ideen des Bewusstseinsuploads denkt, die irgendwann mal Frank J. Tipler stark machte und die nun Ray Kurzweil fortgeführt – und immer wieder vertagt – wird. Das philosophische Problem ist, dass man mit der Behauptung die Welt sei in reine Information zu übersetzen, eine starke Behauptung aufstellt, die man nicht mal im Ansatz belegen kann. Schon bei der KI hat das nicht geklappt.
Dem Mythos attestiert Habermas allerdings gegenüber kognitiven Dissonanzen aus der empirischen Erfahrungswelt anfällig zu sein, was darauf hinaus läuft, dass man bessere Erzählungen braucht.
Ich glaube, darum geht es auch heute, zeitgemäße Erzählungen und Praktiken des Außeralltäglichen zu finden (die nicht nur erklären, sondern auf auf einen Sinngehaltr verweisen, legitimieren usw.), die aber nur einen Wert haben, wenn sie von Bestätigungen durch Einzelne stark gemacht werden. Wunderheilungen sind sicher ein schönes Beispiel, ob sie alleine die Last tragen können, das würde ich bezweifeln. Der selektiv ins Weltgeschehen eingreifende Gott wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Dass eine Auseinandersetzung zwischen zielorientierten und durchoptimierten Religionssurrogaten und Ursprungsreligionen ansteht, kann ich mir gut vorstellen, aber bei allem Fake hier und da wächst auch die Lust auf Authentizität. Man muss nur schneller sein als diejenigen, die Menschen umprogrammieren und abspeisen wollen. Aber es wird auch bei der perfekten Show stets Menschen geben, die wissen wollen, ob mehr dahinter ist und ggf. was. Der Drang zur Erkenntnis ist neben dem zum Glück vielleicht das stärkste Motiv, jedenfalls auf der Liste meiner privaten Vorurteile.
Ich glaube zwar, dass das Rauschhafte und Ekstatische ein Teil von Religionen ist und dieser Teil auch anders zu erlangen ist, mit Drogen auf dem Rave, bei der zeitweiligen Massenregression im Fußballstadion und so weiter, oder dem Wirgefühl beim Chorgesang, aber ich glaube nicht an die Idee einer irgendwie gearteten Entspannung, die das A bis Z des Religiösen und mehr noch des Mystischen erklärt und auch der Soziologenblick verfehlt, dass das Wesentliche am Religiösen das Mitmachen ist in all seiner Komplexität ist. Man geht so wenig ins die Kirche um die Gruppenerfahrung zu suchen, wie man ins Stadion geht.
Was meinen die anderen?
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Also ich finde es schon sehr mutig, über die ganze Welt Aussagen zu tätigen wie das Bedürfnis nach Religion würde zunehmen, ohne die Zahlen z.B. der Religionszugehörigkeiten in der Vergangenheit und die statistischen Prognosen zu diskutieren und zu überlegen, wie die sich abzeichnenden Tendenzen für einzelne Regionen auf der Welt erklärt werden können. Im Vergleich von 1900 bis 2010 stieg weltweit die Zahl der Religionslosen von 0,2 auf 11 % der Weltbevölkerung. Für die Zukunft erwarten die statistischen Prognosen vor allem ein Anwachsen der Muslime im Vergleich zu den Christen und der Religionslosen, was sie in der Hauptsache mit der Demografie (kinderzahl, Überalterung) erklären.
In Lateinamerika sollen in den letzten 20 Jahren die konfessionslosen genauso stark wie die Evangeliken geworden sein, nämlich je ca. 18 %. Interessant ist, welche Schichten eher zu den Religionslosen wechselten. Es sind die Jüngeren und besser Gebildeten.
"Für die Frage, ob sich die Entwicklungen stabilisieren oder sogar noch weiter auf eine Säkularisierung verstärken werden, lässt sich die plausible Vorhersage formulieren, dass sie sich verstärken werden. Während es hinsichtlich der Bildungsabschlüsse keine gravierenden Unterschiede gibt, sind die Konfessionsfreien deutlich jünger als die Katholiken und auch die Evangelischen. Sind bei den Katholiken 19 Prozent zwischen 16 und 25 Jahren und bei den Evangelischen 25 Prozent, so sind es bei denen, die keiner Religion angehören, 32 Prozent."
https://fowid.de/meldung/religion-lateinamerika
Ps:
Wieviel Prozent der Katholiken wirklich an die Realpräsenz von Christus in einer Oblade und Wein glauben, würde ich zu gerne wissen? In der Regel bleibt der grösste Teil der Menschen einfach katholisch oder evangelisch, weil ihre Eltern das waren und diese ihre Kinder entsprechend taufen. Die unterschiedlichen Auffassungen der Kirchen von der Transsubstantion haben nach meiner Einschätzung keinen Einfluss auf die Kirchgänger und ihre jeweilige Zugehörigkeit (was sowieso schon eine winzige Minderheit der Kirchenmitglieder sind.) (Darüber, ob einer mit einem Katholiken verheiratete Protestantin das katholische Abendmahl gereicht werden darf oder nicht, diskutiert man höchstens noch im Vatikan, aber nicht beim praktizierendn Kirchenvolk und schon gar nicht bei der Mehrheit der nichtpraktizierenden, die bzw,. die Angehörigen den Pfarrer nur für die Beerdigung brauchen.)
"Was meinen die anderen?"
Die meinen, dass es doch sehr bezeichnend ist, wie sich Linke immer wieder gerne über religiöse Angelegenheiten auslassen. Das sagt mir zumindest, dass sie in dem Kontext immer noch verhaftet sind und damit aufzeigen, wie schwierig es doch ist, sich vom kulturellen Ballast (kindliche Prägung) zu lösen.
Mit anderen Worten, mich interessiert daher weniger der Text, sondern die Intention ihrer Veranlassung.
Einer, der sich von diesem "kindlichen Ballast" nicht lösen kann, ist Jürgen Habermas, der dem Thema "Glauben und Wissen" gerade eben sein zweites Hauptwerk gewidmet hat, erschienen im November 2019. Sie sind und bleiben doch immer derselbe Schaumschläger.
Wie mir scheint, tragen alle von Ihnen genannten Zahlen zur hier verhandelten Sache nichts bei.
Nein, das nicht. Es ist immer von großem Vorteil, wenn man integral informiert ist. Das trägt zu einer besseren Verständigung zwischen gläubigen und nicht Gläubigen bei und das ist doch etwas sehr begrüßenswertes. Das hat auch Habermas erkannt.
"In unserer Welt, schreibt Columbus in einem Kommentar unter meinem Artikel Der Papst hat sich geoutet, wächst der Sinn „nach Resakralisierung und Auserwähltheit“. Dass jedenfalls das religiöse Bedürfnis wächst, sehe ich auch so und auch ich finde es wichtig, die vielfältigen Formen zu bemerken, in denen sich dieses Bedürfnis heute äußert."
Ich widerspreche diesen subjektiven Eindrücken, weil einfach die Umfragen, die in der Regel für solche Aussagen herangezogen werden mir ein etwas anderes Bild vermitteln. Natürlich tragen Statistiken über die weltweite Religionszugehörigkeit nicht dazu bei, zu erhellen, weshalb Menschen von den länger etablieren christlichen Kirchen in Lateinamerika zu den Evangelikalen wechseln. Die zitierten Statistiken zeigen nur, dass eben auch in Lateinamerika Menschen von den traditionellen Kirchen zu den Konfessionslosen wechseln und nicht alle zu den Evangelikalen.
Ich kann mich problemlos ihrem Argument anschließen, Herr Jäger, dass die Gegenbewegung zum Katholizismus, die Reformation, zur Säkularisierung beitrug. Zumindest was die Ausgestaltung der Gottesdienste angeht und den Umgang mit der "Wandlung" als Erinnerung und nicht als alltäglichen und realen Akt, während der Messe.
Die Stellung der Ordinierten und Würdenträger, die nicht mehr alleine oder überhaupt als heilsspendend auftreten konnten, hatte sich allerdings, ist das nicht bemerkenswert, deutlich verbessert!
Durch ihre ordentlichen Studien und eine völlige Analogie zur höheren Beamtenschaft im modernen aber weiterhin feudalen Staat, gewannen auch Reformgeistliche an Macht.
Priester und Pfarrer gehörten gleichermaßen zur Obrigkeit, und die bedeutenden evangelischen Kirchen Europas legten sich allesamt staatsähnliche, mehrfach gegliederte und hierarchisierte Verwaltungsstrukturen zu. Sogar eine evangelische Inquisition gab es, gegen Wiedertäufer und andere Abweichler im eigenen Lager.
Dazu habe ich, so glaube ich mich noch zu erinnern, einmal auf die Schriften Sebastian Francks und die faktenreiche Dissertation zu seinem Werk, >>Das Falsche der Religionen bei Sebastian Franck. Zur gesellschaftlichen Bedeutung des Spiritualismus der radikalen Reformation<< von Andreas Wagner, FU- Berlin, 2007, verwiesen.
Ganz grundsätzlich, erkennen die "alten" Kirchen heute die Wissenschaften und ihre Ergebnisse an, auch wenn diese Teilen der überlieferten Heilsgeschichte widersprechen.
Erstaunlich ist, nach meiner Ansicht, dass evangelische und katholische Kirche heute, unter den Rubra "Bewahrung der Schöpfung" und "In der Wahrheit leben", zusammen mit den säkularen und natürlich mit den glaubenden Naturwissenschaftlern, diese Schöpfung und ein Konzept von "Erde", als zugleich auch tranzendentale Hyperstruktur des Lebens (Gaia/Gaea), verteidigen. - Ich als Mainzer Studierter, denke dann immer an Teilhard de Chardin und besonders an Romano Guardini, der wohl auch Einfluss auf den Bergolio- Papst hatte.
Einerseits gegen die von ihnen beschriebenen Technikanbeter und technologischen Globallöser, die gerne nach neuem Lebensraum für technisch optimierte Menschen oder eine technisch erzeugte Nachmenschengattung streben und dazu allzu gläubig fantasieren. Andererseits, gegen die neue Ausrichtung vieler Evangelikaler, die kein Problem in der kapitalistischen Vernutzung der Erde sehen, sondern diese als Ausweis des eigenen Erfolgs interpretieren.
Sind nun die Evangelikalen säkularer als die Katholiken und Evangelischen? - Nein und ja.
Säkularer sind sie zum Beispiel in der durchaus plan und geschäftsmäßigen Nutzung der verfügbaren Massenmedien. In der Akzptanz einer wirtschaftlichen und quotenbezogenen Konkurrenz untereinander und nebeneinander, um die Gläubigen, ohne zentrale Steuerung und einheitliche Dogmen der vielen Kirchen. Die Religion ist da durchaus ein Geschäft, von geschäftstüchtigen Glaubensführern, die auserwählt sind und auserwählen, erwecken oder neutaufen können.
Im Vollzug aber, so sehe ich es, erzeugen sie in jeder Messe, in jeder Massenversammlung, eine Spiritualität und einen, rational völlig unbegründeten, heilsmäßigen Enthusiasmus, der nun, seit den 1980er Jahren anhaltend und verstärkt, nicht mehr zu Weltabkehr und Isolation veranlasst, sondern deren Gedankengut politisch macht. - Wer Ekstase und reale Wirkmacht zugleich erlebt, noch mehr, wer das vermitteln kann, wird mächtig und ermächtigt.
QBz weist mit Recht darauf hin, dass über das 20. Jahrhundert und nun im 21., in Südamerika auch der Atheismus, bzw. die Religionslosigkeit, gewachsen ist und auch heute noch, besonders in Südamerika, die Katholische Kirche eine mehrheitliche Bekenntnismacht darstellt. Es findet eine schleichende Entwicklung, hin zu den Evangelikalen statt und in ehemals kommunistischen Staaten gewinnen ehemals bekämpfte und die neuen Glaubensformen an Einfluss. Ähnliches könnte man von Asien schreiben.
Beste Grüße und nur weiter
Christoph Leusch
"Sie sind und bleiben doch immer derselbe Schaumschläger."
Das ist doch mal der echte Michael Jäger! Ab und an kann die Fassade dann doch nicht aufrecht erhalten werden.
selbstverständlich gehört das erlebnis, teil einer gemeinde zu sein,
zum kirchen-/bethaus-besuch.
das gemeinsame feiern eines ritus unterscheidet vom meditieren.
die ansprache/predigt scheidet von meditativen praktiken,
call and response macht aus individuen einen chor,
der aus der vereinzelung befreit: die kollektive seite der person feiert sich,
wenn auch zeitlich begrenzt, auch wenn das nicht-alltägliche erleben
später im schmaus im wirtshaus ausläuft....
"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Stephen Hawking, „Zum Tod von Stephen Hawking“, 14.3.2018, sueddeutsche.de)
"Schaumschläger, der: (abwertend) jemand, der (besonders aus Geltungsdrang) bestimmte Qualitäten oder Fähigkeiten vortäuscht, die er in Wahrheit nicht besitzt: hast du immer noch nicht gemerkt, dass er ein Schaumschläger ist?“ …
© DUDEN - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 4. Aufl. Mannheim 2012
Dem wollte ich hinzufügen, dass zur „Schaumschlägerei“ auch fehlende Kritik-, Lern- und Einsichtsfähigkeit und infolgedessen das Festhalten bzw. das Beharren auf unzureichenden Standpunkten gehören.
Wer ein „Schaumschläger“ ist, liegt im Auge des Betrachters. Es gibt dann hier doch unterschiedliche Betrachter.
Lieber Michael, ein Schaumschläger ist Pleifel nun wirklich nicht. Ich glaube das war einfach ein Missverständnis, wollte ich nur mal sagen ;-)
Hier ging es nur um die Erklärung von Franziskus' Verhalten, wovon ein Aspekt die Konkurrenz mit den Evangelikalen sein könnte. Es fällt mir übrigens auch nicht leicht, der von Ihnen verlinkten Statistik zu entnehmen, daß die Zahl der Konfessionslosen in Lateinamerika zunimmt. Vielleicht liegts an meiner Müdigkeit, ich schau morgen noch mal drauf.
Ja, ich bin echt.
Danke, das ist alles sehr plausibel und lehrreich.
"Priester und Pfarrer gehörten gleichermaßen zur Obrigkeit, und die bedeutenden evangelischen Kirchen Europas legten sich allesamt staatsähnliche, mehrfach gegliederte und hierarchisierte Verwaltungsstrukturen zu. Sogar eine evangelische Inquisition gab es, gegen Wiedertäufer und andere Abweichler im eigenen Lager."
Exakt. Die Reformatoren brauchten in DE die Unterstützung der Fürsten (Luther rechtfertigte die blutige Niederschlagung der Bauernaufstände), in der Schweiz die Ratsversammlungen des städtischen Bürgertums. Dort setzte der Rat Zwingli und Calvin auch als Bürgermeister der Stadt ein. Der Eiferer Zwingli, auch Leutpriester (von der Stadt eingesetzte Volksprediger), überredete die Ratsversammlung zum Krieg gegen die katholische Innerschwyz, und nachdem Zwingli bei der verlorenen Schlacht getötet wurde, beendete der Zürcher Rat den sinnlosen Krieg und war froh, Zwingli los zu sein. Sowohl unter Zwingli und wie unter Calvin kam es zu Todesurteilen gegen andere Christen, in Zürich speziell gegen die ersten Wiedertäufer, welche die Erwachsenentaufe wie in der Bibel praktizierten und z.T. Gehormseide auf die Obrigkeit verweigerten. In beidem sahen die Räte und Zwingli eine Gefährdung der staatlichen Ordnung..
https://www.nzz.ch/article9OVPH-1.271750
Mit den Wiedertäufern entstanden die ersten Freikirchen, über deren nun voll im neoliberalen Kapitalismus aufblühenden Verzweigungen uns gerade austauschen meiner Meinung nach.
In dem Zusammenhang scheint mir die Art und Weise der Taufe vielleicht auch zur Erklärung der Anziehung der Pfingstler u.a. beizutragen, weil sie eben die Geisttaufe zu einem subjektiven Schlüsselerlebnis einer Wiedergeburt, Wiedererweckung für die Teilnehmer massenpsychologisch bis -hysterisch in Szene setzen, was für die Betroffenen eine sakrales Erlebnis darstellt, mehr als das ritualisierte Eintauchen von Säuglingen in ein Taufbecken.
Also, ich bezog mich auf diese beiden statistischen Grafiken gegen Schluss des Artikels.
https://fowid.de/sites/default/files/editor-media/religion_in_lateinamerika-grafik-8.png
https://fowid.de/sites/default/files/editor-media/religion_in_lateinamerika-grafik-9.png
Ich finde es interessant und anregend, danke dafür, die Absage an die Zölibatausnahme und die Weihe für Frauen für den Amazonas in einen geistesgeschichtlichen Zusammenhang mit der Entsakralisierung der Liturgie und Lehre zu bringen.
Vielleicht sind die Gründe auch profaner in der Biografie des 83jährigen Mannes zu suchen und in seinen Alters(denk)gewohnheiten?. Franziskus gehört zum Orden der Jesuiten, der historisch mal die Gegenreformation im Auftrag des Papstes ideologisch anführte. (Alle Reformatoren waren hingegen verheiratet, z.T. schon in Bindung vor ihrer reformatorischen Tätigkeit.)
Was er in den Vordergrund seiner Tätigkeit stellt wie die Unterstützung und Hilfe für die Armen steht in der jesuitischen Tradition und Verpflichtung. Ähnlich verhält er sich bei der "Bewahrung der Schöpfung", indem er auf eine Verbindung der göttlichen Schöpfungslehre mit der Evolution nach T. de Chardin baut (auch Jesuit). Möglicherweise scheint ihm die vom Jesuiten-Orden geforderte Ehelosigkeit eben identitätsstiftender Teil für die wahrhafte Mutter Kirche zu sein. Würden verheirate Männer und Frauen als Priester so über ihre Organisation schreiben wie Franziskus?
"Das Vorbild für diese Mutterschaft der Kirche ist die Jungfrau Maria, das schönste und erhabenste Vorbild, das es geben kann. Das haben bereits die ersten christlichen Gemeinden hervorgehoben, und das Zweite Vatikanische Konzil hat es wunderbar zum Ausdruck gebracht (vgl. Konstitution Lumen gentium, 63-64). Die Mutterschaft Marias ist gewiss einzigartig, und sie hat sich in der Fülle der Zeit verwirklicht, als die Jungfrau Maria den Sohn Gottes durch das Wirken des Heiligen Geistes empfing und zur Welt brachte. Die Mutterschaft der Kirche steht jedoch in Kontinuität zur Mutterschaft Marias, als ihre Fortsetzung in der Geschichte." (Franziskus, 2014).
Ich würde mich insofern mich nicht als Linker bezeichnen, als ich mich politisch nicht verorten kann und dem auch keine größere Bedeutung beimesse. Was meine Intention angeht, falls Sie meine überhaupt meinten: Religion ist Teil des Lebens und unserer Geschichte, dass Habermas sich des Themas angenommen hat, hatte Herr Jäger ja schon erwähnt. Ich selbst bin evangelisch, aber habe mit Kirche nie was am Hut gehabt, bin zeit- und familientypisch, normalatheistisch aufgewachsen.
Über meine eher zufällige, dann aber anhaltende Beschäftigung mit der deutschen Esoterik (Dethlefsen/Dahlke), bin ich auf dahinterliegende Themen aufmerksam geworden, irgendwann kamen dann Phasen der intensiven Auseinandersetzungen mit (praktischer) Spiritualität (Spiritualität ist für mich eigene Erfahrung, Religion bedeutet für mich Glaube an Überlieferungen, Überschneidungen sind möglich aber nicht zwingend), Philosophie, Psychologie und mich interessierte, wie das alles zusammenhängt.
Von Wilber kommt man schnell zu Habermas, wenn man seinen Literaturtipps folgt, der ja seit Jahrzehnten das Thema Religion mitbetrachtet, 2006 erschien „Zwischen Naturalismus und Religion“, auch eine Replik auf die Debatten zwischen Hirnforschern udn Philosophen (insbesondere Singer und Roth) zum Beginn des Jahrtausends, in der sich der Szientismus von seiner schlechtesten Seite zeigte. Starrsinnig, aggressiv, herablassend und wenig souverän, man wollte mal eben so, im Handstreich alles verabschieden, was die letzten Jahrhunderte geholten hat, auf einem unterirdischen philosophischen Niveau, fürs Feuilleton was das freilich ein gefundenes Fressen.
Der szientistische Fundamentalismus ging dann noch weiter, als der platte und aggressive Atheismus von Dawkins, Dennett und Co. aufkam, das war der Moment, in dem mir quasi über Bande der traditionelle Glaube sympathisch wurde, weil die organisierten Atheisten so unsympathisch waren. Freilich gab es Ausnahmen, ich fand auch im Forum der Brights tolle Leuten, nicht zuletzt deren letzten Häuptling, der sich dann irgendwann auch von Dawkins wegbewegte und bspw. auch mit Habermas mehr anfangen konnte.
Philosophisch war das aber gar nicht schlecht, weil man bestimmte Fragen nach oben spülte, letztlich die, wie wir eine plurale und pragmatische Epistemologie, mit der wir alle täglich umgehen, in Alltag und Wissenschaft, in einen ontologischen Monismus einfügen. Praktiker müssen sich solche Fragen nicht stellt, es kann und darf ihnen reichen, dass etwas schlicht und einfach funktioniert. Der Theoretiker und Philosoph muss sie sich vorlegen, weil die Fragen, wie das alles zusammen passt, immer drängender werden.
Meiner Meinung nach befindet sich der überaus erfolgreiche Naturalismus, dem wir viel verdanken, seit einigen Jahrzehnten auf einem Rückzugsgefecht und tritt nicht zuletzt daher patziger und aggressiver auf. Der Naturalismus kann sehr viel erklären, aber das Erklärte in ein Sinngefüge einzubinden, eine Ethik zu formulieren, ein Ziel anzugeben, wo es hingehen soll, das vermag er nicht und vielen ist aufgefallen, das große, aber emotional heruntergedimmte Denkgebäude nicht jeden faszinieren, die Überzahl kann damit sogar sehr wenig anfangen. Was brauchen wir also noch? Brauchen wir anderes? Oder gewöhnt man sich einfach an einen kühlen Funktionalismus? Sollte man das überhaupt?
Mit dem Kapitalismuskritikern bin ich der Ansicht, dass durch diesen der Funktionalismus intensiviert wird, davor warnte uns schon Kant. Religionen bedienen diese andere Seite, das Außeralltägliche, auch eine Verbindung durch gemeinsames Tun. Habermas rekonstruiert diesen Weg noch einmal, so gut es ihm möglich ist: Was haben uns Religionen gebracht? Wo stießen sie an Grenzen? Welche waren das und was können wir daraus lernen? Man sollte wechselseitig lernfähig bleiben und den (einfach nur anders verpackten) rationalen Gehalt der religiösen Sprache erkennen, bergen und in unsere Zeit integrieren, meint er. Gemeinsames Ziel der religiösen und wissenschaftlichen Projekte ist eine universalistische Grundausrichtung, hier führt der Weg des nachmetaphysischen Denkens entlang. Weiter kann ich zu Habermas' Buch noch nichts sagen, da ich erst ungefähr 300 Seiten gelesen habe und bei Habermas ist das noch kein Fünftel.
Aber auch Robert Brandom, Markus Gabriel, Daniel-Pascal Zorn und etliche weitere beackern das Feld, etwas zu finden, was den Naturalismus gleichzeitig bewahrt und negiert, also konstruktiv einbindet aber im Ganzen hinter sich lässt. Wenn wir Religionen wieder betrachten, ist es aber nicht falsch, dies von Anfang an differenziert zu tun, man kann evangelikale Bewegungen durchaus kritisch sehen, zu klären wäre auch hier, was wir von den Religionen brauchen und was man begründet zurückweisen kann und muss. Soll heißen, für mich ist das Thema nicht tot, sondern hochaktuell.
Frag Dich doch mal, ob meditative und religiöse Praktiken eine Gemeinsamkeit haben (die Unterschiede stimmen ja) und welche das ggf. ist.
Michael Jäger und Habermas geben hier ähnliche Antworten, fassen wir sie mal so zusammen, dass wir das 'Außeralltägliche' brauchen. In der Kirche, im Stadion, auf dem Meditationskissen oder bei der sexuellen Begegnung.
Was haben diese Akte gemeinsam und falls es etwas gibt, was unterscheidet sie? Reicht es wissenschaftlich die Botenstoffe die dort ggf. frei werden zu kennen und von Zeit zu Zeit per eingebauter Pumpe zu applizieren? Oder ist das einfach nur ein tristes Ankommen in der schönen neuen Welt?
- an drogen -wirkung, boten-stoffen, neuronalen prämien
durch religiöse praktiken bin ich nur sekundär interessiert.
- was mich bei religions-soziologischen fragestellungen interessiert:
religiöses verhalten ist genuin kulturelles verhalten,
dabei ist religiöses denken: gesellschaftlich-konstruiertes denken.
-->wikipedia: "religionssoziologie"
- es lassen sich religiöse formen in heutigen politischen
und vielen anderen verhaltensformen entdecken,
wenn sie einen nicht anspringen.
- daß das sakrale aus der sphäre des profanen herausgehoben ist,
ist per definitionem gegeben.
- das serielle, vereinzelte der schöpfer-kraft/gott/"dem großen stressor"
gegenüberstehen: ist selten. und häufig in heiligen personen,
selbst verehrt worden.
- das religiöse vollzieht sich eher in kollektiven formen.
- über den menschlichen trieb, auch anders sein zu wollen,
hab ich mich kurz, aber bündig gegenüber aussie42
in "integrale meditation" vom 3.2.2020 geäußert.
- was hier jäger und columbus an richtigem vorbringen:
ist für mich nichts neues.
spricht der erleuchtete in mir!
Danke. Ich war tatsächlich zu müde, habe gestern abend nicht gesehen, daß Lateinamerika und Chile getrennt beziffert werden (also nicht „Chile in Lateinamerika“). Die andere von Ihnen angeführte Statistik gibt aber keinen Trend wieder.
Die Frage, ob „in unserer Welt das Religionsbedürfnis wächst“, ist wohl trotzdem damit nicht ausdiskutiert, auch statistisch nicht. Der Wikipedia-Artikel „Liste der Länder nach Weltreligionen“ arbeitet mit einer Erhebung des Rew Research Center aus dem Jahr 2017: Nach dessen Prognose geht der Anteil der Menschen ohne Religion zwischen 2015 und 2020 von 16 auf 15,6 Prozent zurück, für 2060 werden 12,5 Prozent prognostiziert. In einem anderen Wiki-Artikel, „Religion“, lese ich: „Die Quellenlage für präzise Aussagen über die Religionszugehörigkeit weltweit ist äußerst fraglich. Nicht nur die Forschungsmethoden unterscheiden sich erheblich, vor allem ist die Ausgangssituation in den Staaten sehr unterschiedlich. [...] Unterschiedliche Ergebnisse sind beispielsweise zu erwarten, je nachdem ob die Aussagen auf behördlich erfasster Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder auf Befragungen beruhen. [...] Für einzelne Staaten mit ausgewiesenen statistischen Systemen lassen sich genauere Angaben machen, die aber nicht ohne Weiteres miteinander vergleichbar sind.“ Für solche Hinweise kann man sogar noch dankbar sein, da man sie sehr einfach durchs Surfen erfährt, ohne Bücher in die Hand genommen, Aufsätze gelesen zu haben, das Gebiet wirklich zu überblicken.
Für mich persönlich kommt noch hinzu, daß ich wie gesagt auch etwa die Begeisterung für das Verlassen der Erde via Raumfahrt um den Preis der Ersetzung von Menschen durch Maschinen für ein religiöses Phänomen halte; es ist tatsächlich mein „subjektiver Eindruck“, daß diese Begeisterung in den letzten dreißig Jahren hierzulande gewachsen ist (damals galt man für verrückt, wenn man auf den Inhalt des Phänomens überhaupt hinwies, heute eher, wenn man nicht ganz selbstverständlich an ihn glaubt). Es ist gleichzeitig nicht nur ein Eindruck, sondern auch ein Gedanke, hat nämlich mit der Frage zu tun, was man überhaupt für einen Begriff von Religion hat. Zu meinem Begriff davon gehört auch Marx, „Opium des Volkes“. Auch etwa das Burning Man-Festival ist für mich ein religiöses Phänomen, obwohl es gewiß nicht in irgendeiner entsprechenden Statistik mitgezählt wird. Und wenn man über den Trend nachdenkt, muß einem auch enfallen, daß sich die Welt in den nächsten Jahrzehnten sehr verändern wird, sich schon jetzt megagigantisch vertändert (wir hatten, nur ein Beispiel, hier in Berlin am vorigen Sonntag, an einem 16. Februar also, um 23 Uhr 16 Grad plus); wie die Menscben darauf mental reagieren werden, ist die eigentlich spannende Frage, und zur Bantwortung wird auch gehören, ob in diesem Zusammenhang so etwas wie eine revolutionäre Bewegung entstehen wird. Also, ein weites Feld, und wie man da zu seriösen Trendangaben soll kommen können, ist schwer zu sagen. Wir kommen, denke ich, nicht ums Einschätzen herum und darum, einen Willen zu haben.
Aber nochmal, hier in diesem Artikel und dem, auf den er Bezug nimmt, geht es um bescheidenere Fragen: Warum wird das Zölibat nicht gekippt und was hat es mit der Konkurrenz von Katholiken und Evangelikalen in Laterinamerika auf sich.
gut, was Sie in erinnerung rufen.
- das dissenter-tum ist früher als das eigentliche englische,
ständiger opponent/begleiter von groß-sekten, staats-kirchen
(wobei es bei calvin z.b. nicht um moderne staatsformen geht,
sondern um "gottes-staatliche" homogene gemeinden,
die als souveräne akteure, refugien des glaubens gedacht werden).
- die heutigen gemeinden, die wieder-geburt zelebrieren,
verbinden taufe mit firmung: festigung im existenz-kampf
einer liberal-entfesselten markt/konkurrenz-gesellschaft.
bei aller berufung von bibel-zitaten:
das säkulare, inner-weltliche,
mit anleitung zum erfolgreichen überleben dominiert.
im gegensatz zur demut gegenüber dem göttlichen
wird hier ein selbst ermächtigt, dem babylonischen verfall zu trotzen.
oda?
"Ich würde mich insofern mich nicht als Linker bezeichnen, als ich mich politisch nicht verorten kann und dem auch keine größere Bedeutung beimesse."
Als Orientierung der Grundgedanken immer noch aktuell, ohne sich damit automatisch einer konkreten Gruppierung zuordenen zu müssen. Also, was sind meine mir wesentlichen Gehalte und in welcher gesellschaftlichen Bewegung finde ich die hauptsächlich. Nur so lässt sich ja kollektiv etwas bewegen, wenn zumindest deren gemeinsamen Streiter sich einfinden wollen. Nur mit Theorie und abgeklärter Distanz bewirkt man nichts.
Natürlich ist Religion mehr oder weniger Teil jeden menschlichen Lebens in einer Zivilisation, wo die Kirchen immer noch jenseits der Neutralität (GG) starken Einfluss ausüben. Aber sich doch bitte nicht in deren theologischen Spitzfindigkeiten verlieren, die ich als bloße vereinsinterne Angelegenheiten betrachte. Jedenfalls so lange nicht, wie jene ihre Ansprüche nicht nach Außen tragen, um ihre fordernd verbindlichen Maßstäbe zum Maß aller Dinge zu machen. Und dieser autoritäre Zug liegt nun mal in deren Prämissen offen zutage, auch wenn sie es mit schönen Formulierungen (Verpackungen) zu verkaufen wissen. Aber nur so lange, wie man ihnen keinen Zugang zur Macht gewährt! Und die haben sie nie freiwillig abgegeben.
Nein, die Philosophie ist die eigentliche Weisheitslehre, in der die religiösen Vorstellungen einst mit behandelt wurden. Die Religionen mögen in der Übergangsphase menschlicher Entwicklung eine wichtige Rolle gespielt haben, wo aber ab einem bestimmten Zeitpunkt diese "Krücke" der gedanklichen Engführung abgelegt werden kann, da Freiheit und Individualität sich in der Selbstverantwortung befindet.
Der Widerspruch (Abgrund/Lücke) zwischen der individuellen Sinnfindung und der sinnfreien äußeren Welt bleibt auch zukünftig weiter bestehen. Aber auch die Atheisten scheitern an diesem Widerspruch und sind (für mich) nur die andere Seite der "Glaubensmedaille".
Die wohl ausschließlich dem Menschen (auf diesem Planeten) ewige Frage nach dem "Sinn des Lebens", aus der sich letztlich alle oder zumindest die meisten Problemstellungen der Philosophie unterordnen lassen, ergibt sich einfach aus dem was ist, wie es ist und nicht auflösbar, warum es so ist. Und daraus ergibt sich ein unentwegter Antrieb (zumindest für denkende und noch fühlende Menschen), immer wieder neues zu Denken und auch zu erfahren. Denn wenn sich (für mich) eines sicher sagen lässt, dann wäre abschließende Erkenntnis der Tod jeder menschlichen Entwicklung. Also eines Lebewesens, dass sich einzig die Frage nach dem "Sinn des Lebens" stellt, weil dieses Wesen das Vermögen der Innen- und auch Außenperspektive einnehmen kann.
Metaphysisches Denken ist eine philosophische Denkbewegung, die aber zumindest in der Moderne nicht mit religiösen Ideologien mehr verwechselt werden sollte. Aber, es kann nützlich sein, sich damit zu beschäftigen, wie ein Arzt, der eine Behandlung erst dann vornehmen kann, wenn er die Krankheitsursache kennt.
Aber eines gilt es dabei zu bedenken, "wir" denken bereits innerhalb von Kategorien, die uns nicht bewusst sind, weil sie implizit durch die jeweilige Kulturalisierung verinnerlicht wurden. Das ist schwierig zu erkennen und Restunsicherheit bleibt zurück. Also auch hier bleibt ein wenig offen, warum "wir" so sind (denken) wie wir sind.
„dabei ist religiöses denken: gesellschaftlich-konstruiertes denken.“
Das ist nicht klar. Vor allem sollte man sich hüten, sogenannte gesellschaftliche Konstrukte gegen die sogenannte Natur oder Natürlichkeit (die auch ein Konstrukt ist, dazu noch ein sagenhaft unscharfes) auszuspielen. (Es ist ja nicht mal geklärt, was Denken ist.)
„- es lassen sich religiöse formen in heutigen politischen
und vielen anderen verhaltensformen entdecken,
wenn sie einen nicht anspringen.“
Ja, klar.
„- daß das sakrale aus der sphäre des profanen herausgehoben ist,
ist per definitionem gegeben.“
Die Frage ist, ob Sakrales einfach unter Außeralltäglichem subsumiert werden kann, oder ob es diverse, aber im Kern eigenständige Gruppen des Außeralltäglichen gibt. Ich würde Stadionbesuche, Kirchenbesuche und Meditationen alle unter „außeralltäglich“ einsortieren können, aber dennoch sind sie nicht dasselbe. Joas beschäftigt sich auch mit dem Thema. Gibt es genuin Heiliges und was ist das? Ist das was Meditierende erleben (können) heilig, oder ein Hirnzustand oder ist Heiligkeit (nur) ein Hirnzustand, eine soziale Zuschreibung oder etwas ganz anderes? Und wo ist die Grenze zur Psychopathologie (die der Religion gerne mal kollektiv unterstellt wird)? Dawkins ist in meinen Augen ein Getriebener, der mitunter die Grenze zur Hetze überschritten hat, aber mit Freud (Feuerbach, Marx und Nietzsche) gibt es da noch ganz andere Kaliber. Wenn ich erlebe, dass Gott zu mir spricht, habe ich dann einen an der Waffel? Wie gehen wir u.a. damit um?
„- das religiöse vollzieht sich eher in kollektiven formen.“
Klar, ein gemeinschaftliche geteilter Glaube.
„- über den menschlichen trieb, auch anders sein zu wollen,
hab ich mich kurz, aber bündig gegenüber aussie42
in "integrale meditation" vom 3.2.2020 geäußert.
- was hier jäger und columbus an richtigem vorbringen:
ist für mich nichts neues.
spricht der erleuchtete in mir!“
Ist denn Andersartigkeit gleichbedeutend mit Erleuchtung? Ist nicht die Mafia auch anders? Kann man denn als Sparkassenangestellter nicht erleuchtet sein? Gerade wo doch Erleuchtung etwas ist, was nicht zu erreichen ist, so per def.?
Ich glaube, dass der nächste Schritt ist, sich das Gefasel zu sparen und auf das zurückzugreifen und es weiter zu führen, was wir an profundem Wissen besitzen und das Fass, dass das doch irgendwie alles dasselbe ist, mache ich gar nicht mehr auf, so wenig, wie ich heute noch Dawkins-Thesen diskutieren würde oder das Thema auf Zahlenspielereien reduzieren würde. Kann aber jeder halten, wie er lustig ist.
die differenz des hergebrachten katholischem kultus zu evangelikaler praxis
liegt, grob gesagt, in der mobilisierung.
- hat die traditionelle kirche die demütige ein-bindung in
die göttliche ordnung zum haupt-thema und bietet vor allem: trost,
- so machen die evangelikalen die gläubigen zu kriegern.
rüsten die zum "wahren glauben" entschlossenen mit
erfolg-versprechenden verhaltens-strategien aus,
nehmen die satanischen verhältnisse hinieden als herausforderung
zum existenz-kampf.
- ob eine fete außerhalb des alltäglichen ist, liegt an ihrer intensität. :-)
das sakrale hat mit ver-ehrung zu tun, diese heiligt.
- wenn "gott zu ihnen spricht": seien sie höflich, unterbrechen sie nicht,
denken sie sich später ihren teil. :-)
- den letzten satz über mich, den erleuchteten:
sieh ihn als hybride übertreibung eines wissenden,
der nicht unrettbar in un-kenntnis ver-ankert ist....
Frage 1 dürfte mit den Ausführungen hier ganz gut beantwortet sein: es geht um Politik im Vatikan, mehr nicht, denn abseits internen Machtgerangels sind Katholiken doch schon längst "evanglisch" geworden oder auf dem Weg dorthin. Da es sich bei dem Foristen, wie ich gegoogelt habe, um den langjährigen Deutschlehrer der einzigen Missionsschule in Deutschland handelt, kann man hierbei durchaus profudes Wissen in dieser Sache voraussetzen.
Frage 2 hat womöglich mit Evidenz zu tun: wenn ein Erfolgstheologe evanglischer Prägung darauf verweist, dass der Höchste die Erfolgreichen belohnt und ihnen dieses "Himmelreich" im Westen als Beweis auf bunten Bildern im Internet vorführen kann zusätzlich zum eigenen Rolls, dann ist das be-greifbarer als die Aussicht der Befreier auf - ja, was?
Womöglich ist es so einfach. Das Fressen kommt vor der Moral, sagte wohl Brecht schon.
„Nur mit Theorie und abgeklärter Distanz bewirkt man nichts.“
Eine fehlerhaft und obendrein nicht ungefährliche Differenz.
Sie scheinen mir in stärkerem Maße von einem antireligiösen Affekt getrieben zu sein, den ich gut kenne, der aber m.E. Diskussionen eher zerstört, weil der Atheist sich in aller Regel asymmetrisch aufstellt und denen, die noch immer nicht so weit sind gerne die Welt erklären möchte.
„Nein, die Philosophie ist die eigentliche Weisheitslehre, in der die religiösen Vorstellungen einst mit behandelt wurden.“
Das würde Habermas auch sagen, aber gleichzeitig die Religion nicht so rigide zurückweisen. Er appelliert an wechselseitige Lernbereitschaft, vermögen Sie es diese aufzubringen?
„Der Widerspruch (Abgrund/Lücke) zwischen der individuellen Sinnfindung und der sinnfreien äußeren Welt bleibt auch zukünftig weiter bestehen. Aber auch die Atheisten scheitern an diesem Widerspruch und sind (für mich) nur die andere Seite der "Glaubensmedaille".“
Atheisten und Naturalisten machen aus dem, auch in meinen Augen treffenden Befund, eine eigenenartige Selbstaufwertung die darin besteht, dass man es eben aushalten muss – und man selbst zu denen gehört, die es aushalten können – dass man in eines kalten, sinnentleerten Universum lebt, in dem man sich diverse kurzfristige Sinnsurrogate selbst konstruieren kann. Eine zirkuläre Argumentation, die ihr „nichts weiter, als ...“ verabsolutiert.
Für die Naturalisten ein Strategiewechsel. Wurde im letzten Jahrhundert betont, man wisse vielleicht noch nicht alles, aber wenn es was zu wissen gäbe, das nur mit und durch die Wissenschaft, setzt man nun auf das Pferd, man brauche keine Gewissheiten und baut darauf seinen gefühlten Sonderstatus auf.
„Die wohl ausschließlich dem Menschen (auf diesem Planeten) ewige Frage ...“
Welche kennen Sie denn noch? Merken Sie nicht, dass die Behauptung über eine Perspektive zu verfügen, die Sie nicht herzeigen können, ein Schuss in den Ofen ist? Wo genau liegt den der 'Blick von Nirgendwo' (Nagel) – oder die zutiefst metaphysische Draufsicht aufs Ganze (lesen Sie mal Markus Gabriel dazu, dessen Lösung zwar m.E. insuffizient ist, der aber das Thema treffend problematisiert hat) und wie nehmen Sie ihn ein?
„Denn wenn sich (für mich) eines sicher sagen lässt, dann wäre abschließende Erkenntnis der Tod jeder menschlichen Entwicklung. Also eines Lebewesens, dass sich einzig die Frage nach dem "Sinn des Lebens" stellt, weil dieses Wesen das Vermögen der Innen- und auch Außenperspektive einnehmen kann.“
Aber für sich einen Sinn im Leben gefunden zu haben (den es ja in dem Moment gibt, weil jemand ihn für sich gefunden hat und objektiver Bestandteil der Welt ist) heißt ja nicht, dass damit jede weitere Frage hinfällig geworden ist, etwa die, wie man Akkus leistungsfähiger gestaltet. Wilber wurde mal gefragt, was er denn kann, was Buddha nicht konnte und seine Antwort war: „Einen Jeep fahren.“ Ein bestimmter Teil der Entwicklung hört nie auf, ein anderer Teil, so eine Behauptung, jedoch schon. Erleuchtung ist der Endpunkt und Ramana Maharshi repräsentiert diesen Aspekt sehr schön, wenn er immer wieder konstatiert iudn das serh glaubthaft, er habe keinerlei Fragen. Die zwei Aspekte gehören zusammen, wie, darüber darf und muss gestritten werden.
„Metaphysisches Denken ist eine philosophische Denkbewegung, die aber zumindest in der Moderne nicht mit religiösen Ideologien mehr verwechselt werden sollte. Aber, es kann nützlich sein, sich damit zu beschäftigen, wie ein Arzt, der eine Behandlung erst dann vornehmen kann, wenn er die Krankheitsursache kennt.“
Das is Das ist und entspricht dem Geist jenes Atheismus, den ich zutiefst verachte. (Sie als Mensch natürlich nicht, nur um das noch mal deutlich zu betonen.)
„Aber eines gilt es dabei zu bedenken, "wir" denken bereits innerhalb von Kategorien, die uns nicht bewusst sind, weil sie implizit durch die jeweilige Kulturalisierung verinnerlicht wurden. Das ist schwierig zu erkennen und Restunsicherheit bleibt zurück. Also auch hier bleibt ein wenig offen, warum "wir" so sind (denken) wie wir sind.“
Das ist mir bewusst, daher rührt mein Interesse für Weltbilder.
Ich suche keinen billigen Konsens, weil das der Fehler der immer breiter werdenden Esoterik in Deutschland war, der aktuell von politischen Pluralisten wiederholt wird: Irgendwie haben doch alle Recht, wenn man ihre Position einnimmt und ansonsten sollten wir uns alle lieb haben.
So sympathisch, wie oberflächlich, wie naiv. Da irgendwie die 80er noch mal wiederkommen, dürfen wir die Fehler kein zweites Mal machen, darum ist es keinen Allüren geschuldet, den nächsten Schritt gehen zu wollen.
"Wir kommen, denke ich, nicht ums Einschätzen herum und darum, einen Willen zu haben."
Das sehe ich prinzipiell genauso.
Trotzdem noch 2 kurze Anmerkungen: Die Statistiker erwarten halt etwas weniger Konfessionslose bis 2060, weil sie wohl die Kinderanzahl in den Regionen und die Sterblichkeitsrate als Effekt miteinbeziehen. Auf der anderen Seite scheint in Europa die Industrialisierung zu einer Zunahme der Konfessionslosen geführt zu haben; man weiss aber nicht, ob das auf andere Regionen beliebig übertragbar ist.
Kuriosität: In Europa weisen Länder wie Frankreich und Schweden mit die höchsten Fertilitätsraten (Geburten pro Frau) auf, während Italien und Spanien fast am Ende der Liste stehen, d.h. der Papst und die Kirche scheinen mit ihrer Morallehre in diesen kath. Ländern auf die Fruchtbarkeit weniger Einfluss zu haben als andere Faktoren. Dadurch nehmen die Katholiken in Europa u.a. auch ab.
Bekanntlich spielt die Frage der Priester-Kinder auch eine pragmatische Rolle für die RKK beim Zölibat (Unterhalt- und Erbschaftsansprüche), ob ausschlaggebend wissen vermutllich nur Vatikaninsider.
Gibt es ein wachsendes Bedürfnis „nach Resakralisierung und Auserwähltheit“? Und ist es gegebenenfalls „religiös“? Dem ersten würde ich bedingt zustimmen, das zweite halte ich iA für falsch. Die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft hat traditionelle Werte und Beziehungsstrukturen weitgehend zerstört, dagegen gibt es eine Reaktionsbildung. Die Kälte der technischen Welt, die distanzierende analytische Wissenschaft, der Funktionalismus und die Strukturlosigkeit des anything goes lassen ein Bedürfnis nach der Resubstantialisierung von Werten und strukturierenden Bedeutsamkeiten aufkommen. Aber in unserem kleineren Teil der Welt gilt: Gott ist tot. Der Glaube an eine metaphysische Welt und transzendentale Kräfte ist zertrümmert, er kann nicht reanimiert werden. Anstelle der religio tritt die Identität. Der größere Teil der Welt ist noch religiös, allerdings bleibt auch diese Welt nicht unberührt von der Moderne. Die Technoutopien und Unendlichkeitsfantasien unserer Himmelfahrer und -kolonisatoren würde ich nicht Religion nennen. Das gehört zum Komplex der mißratenen Sinnstiftungen. Da habe ich immerhin noch ein wohlwollenderes Verständnis der Religion, die ich als zeittypisch angemessenen Versuch der Sinnstiftung betrachte, also ähnlich wie die Ideologie. Religionen befriedigen das Bedürfnis nach Sinn und Zusammenhalt, ohne aggressiv exkludierend sein zu müssen, gerade die christliche Religion predigt ja auch „Alle Menschen werden Brüder“, und Franziskus glaubt fest daran. Die Evangelikalen (die Erben der Evangelischen*) aber nicht. Das Moderne dieser entwickelten Religion ist die Übernahme des modernen Ego, Religion ist nicht mehr eine (freilich in meinen atheistischen Augen illusionäre) sichere Heimstatt, sondern eine Kampfpanzerung. Natürlich gibt es (hauptsächlich bei den Jungen) ein metaphysisches Bedürfnis, in dem noch ungetrennt das idealisitsche mit dem religiösen verquickt ist, das in der Befreiungstheologie seine kirchliche Repräsentation hat. Und diese Position verträgt sich gut mit Links, aber nur diese. Dieser Sicht würde entsprechen, den Evangelikalismus als Entsakralisierung zu verstehen. Dessen Erfolg in der Aufgabe des Sakralen, der Funktionalisierung des Religiösen zu sehen. Und das bedeutet tendenziell das Absterben der Religion. Die Zukunft der Religionen hängt nicht von klerikalen Strategien ab, sondern von der gesellschaftlichen Entwicklung. Meine bescheidene Meinung hierzu: Das Heilige ist so perdu wie das Heroische, der Funktionalismus von Kapitalismus und religiöser Fassade zersetzt sich selbst. Wenn es eine Zukunft gibt, an der zu zweifeln ich wenig Anlaß sehe, wird sie nicht in der Revitalisierung der Religion bestehen, sondern in der Einsicht der Menschheit, selber für die Werte verantwortlich zu sein, in denen sie sich bettet.
* Die Deutschen sind gegebenenfalls noch evangelisch, nicht evangelikal.
oda?"
Genau so.
sollte das an mich gehen?
Der heilige Messi, die göttliche Jolie, das ist, was von Sakralität übrigbleibt. Das „geniale Rennpferd“, das bleibt vom Genie. Insofern stimme ich Deiner großzügig die kleinen Schwächen akzeptierenden Sichtweise zu, weniger der mE blauäugigen von Michael Jäger, Columbus und Habermas. Man muß daraus aber nicht den Schluß ziehen, Links aufzugeben, ich denke das genaue Gegenteil.
Pleifel ist nicht der „Schaumschläger“ (richtig, liebe Nil), sondern der, der das Schaumschlagen benennt; freilich etwas zu provokativ, denn das Leben ist nicht denkbar ohne den Schaum. Man muß nicht Pauls trockener Sicht folgen, man kann sogar im Schaum das Sahnehäubchen sehen. Das Religiöse auf Kindheits- und kulturelle Prägung zurückzuführen, auf Infantilität und Fremddetermination, ist sicher zu sehr vereinfacht, aber es läßt sich für viele doch auch sehr gut bestätigen. Systeme der Zwangssäkularität, des verordneten Atheismus zeigen andrerseits, daß, wenn ihre Macht gebrochen ist, wieder religiöse Bedürfnisse hochkommen; in diesem Sinn ist Religion ein unauslöschlicher menschlicher Tatbestand, so wie Klugheit und Dummheit, Gutsein und Böswilligkeit, Aberglauben und idealistische Illusionen. Nur ist es falsch, daraus eine ahistorische Größe in qualitativem und quantitativem Umfang zu machen, oder mit der ewigen Wiederkehr des Gleichen zu rechnen. Es gibt religiöse Revivals, man muß aber fragen, ob sie sich nicht als Farce wiederholen. Jedenfalls den großen Verlauf der Geschichte als wachsende Religiosität zu sehen, ist albern. Es spricht viel für eine wachsende Intellektualisierung, da machen die Integralen einen guten Punkt. Ich mag zwar den zu unschön konnotierten Begriff nicht, aber das Wachsen des Spirituellen in deren Sinn halte ich für realistisch. So sehe ich in der Zukunft weniger Religion, mehr autonome Sinngebung und Reflexion.
Das ist der Punkt. Wenn wir begriffen haben, daß wir die Schöpfer der Transzendenz sind, ist die transzendentale Metaphysik erledigt. Das Sakrale nichts weiter als eine menschliche Wertsetzung. Wogegen nichts zu sagen ist.
Die Aufklärung entläßt den Menschen nicht in den Positivismus, von der Metaphysik bleibt der transzendierende Geist, die Sinnhaftigkeit der Welt.
Ja, aber ich möchte nicht, dass Du es falsch verstehst und denke, das könnte der Fall sein.
Deine Antwort fand ich gut, ich will nur weiter, das heißt mich interessieren Einigkeiten an der Stelle weniger, als der m.E. notwendige und konstruktive Streit, wir müssen die Grenzen nach Außen verschieben und ich glaube, dass wir über eine Fülle an Daten verfügen, die nur (als „nur“) sortiert und systematisiert werden müssen.
Wir brauchen dazu keine neuen Forschungen, sondern könnten weiter kommen, wenn wir Sichten, was bereits da ist und aus diesen und jenen Übertreibungen und Oberflächlichkeiten der Vergangenheit lernen. Bitte nicht böse sein, ich wollte Dich damit nicht zurückweisen.
Wo wir beide unsere Zeit ver(sch)wenden, ist den individuellen Bedürfnissen geschuldet. Diese, ob bewusst oder unbewusst, lassen die Dinge dann in einem speziellen Licht erscheinen.
Mein "antireligiöser Effekt" (den Sie gleich mit dem Atheismus verbinden, der sich aber bereits aus dem weiteren Text erledigt hatte) ist schon längst in ein gewisses Amüsement übergegangen, da über Dinge diskutiert wird, die sich einfach nur als "vereinsinterne Regelungen" beschreiben lassen. Wer da also kein Mitglied ist, dem kann es eigentlich egal sein. "Wechselseitige Lernbereitschaft" betrifft dann insoweit auch nur die Mitglieder dieses Vereins selbst.
Ob die von Ihnen genannten Philosophen nun in der Zölibats- und Priesterinnenfragen nun weiterhelfen (können), bleibt ihrer Interpretation vorbehalten. Dazu lese ich genannte sicher nicht.
Die großen Frage bleibenaber (offen) und da ist der Sinn (Befriedigung) in den Details zu suchen durchaus ok. Darüber verblasst dann ein wenig, was die großen Denker so antreibt. Halt Arbeitsteilung, denn ohne diese wäre es für jene auch ziemlich unbequem. :-)
„Das Religiöse auf Kindheits- und kulturelle Prägung zurückzuführen, auf Infantilität und Fremddetermination, ist sicher zu sehr vereinfacht, aber es läßt sich für viele doch auch sehr gut bestätigen.“
Aber wir wissen doch, was die Spreu vom Weizen trennt. Will ich Bestätigung für das, was ich ohnehin glaube? Für den Alltag als Privatperson – die wir ja immer auch sind, egal wer wird sind und was wir tun – ist das nicht nur vollkommen in Ordnung, sondern von ich(identitäts)konstituierender Wichtigkeit.
Als Forscher, gleich wer und wo, darf uns das nicht genügen, hier müssen wir – am besten selbst und aktiv, wenn wir selbst nicht drauf kommen auch ergänzend durch die Kritik von anderen (es würde mir nichts ausmachen, wenn man die Reihenfolge umdrehen will) – nach den Schwachstellen und Widerlegungen unserer Theorien suchen.
Mit der Frage, inwieweit wir auch als Normalmenschen Forscher sind, sein dürfen oder müssen, wird es dann tricky.
„Systeme der Zwangssäkularität, des verordneten Atheismus zeigen andrerseits, daß, wenn ihre Macht gebrochen ist, wieder religiöse Bedürfnisse hochkommen; in diesem Sinn ist Religion ein unauslöschlicher menschlicher Tatbestand, so wie Klugheit und Dummheit, Gutsein und Böswilligkeit, Aberglauben und idealistische Illusionen.“
Es gibt ja (z.B. durch Bellah) mehr als gute Hinweise auf die prinzipielle Entwicklungsfähigkeit der Religionen. Deshalb die nicht unbegründete Frage nach einer zeitgemäßen Form.
„Nur ist es falsch, daraus eine ahistorische Größe in qualitativem und quantitativem Umfang zu machen, oder mit der ewigen Wiederkehr des Gleichen zu rechnen. Es gibt religiöse Revivals, man muß aber fragen, ob sie sich nicht als Farce wiederholen. Jedenfalls den großen Verlauf der Geschichte als wachsende Religiosität zu sehen, ist albern.“
Dieser Aspekt ist mir persönlich egal, weil er darauf abzielt, entweder die Mehrheit, den Trend oder idealisierte Einzelpersonen auf seiner Seite zu wissen, was, wie wir wissen, argumentativ für die Tonne ist. Drei Fehlschlüsse aneinander reihen zu können, ist irgendwie nicht besser, als es bei einem zu belassen.
„Es spricht viel für eine wachsende Intellektualisierung, da machen die Integralen einen guten Punkt. Ich mag zwar den zu unschön konnotierten Begriff nicht, aber das Wachsen des Spirituellen in deren Sinn halte ich für realistisch. So sehe ich in der Zukunft weniger Religion, mehr autonome Sinngebung und Reflexion.“
D'accord. Ich würde mich inzwischen von den Farbenspielen der Integralen distanzieren, nicht weil diese im Kern falsch wären – es ist einfach eine weitere/andere Art die Dinge zu betrachten – sondern weil sie sich als nicht konstruktiv und sogar als eine Immunisierungsstrategie gegen Kritik erwiesen haben. Dem Kritiker des Integralen wird dann attestiert, seine Kritik sei typisch 'grün' ('beige', 'orange' oder sonst was) er sei eben noch nicht so weit und dann gibt es integrale Hausaufgaben, wie zwei Jahre meditieren oder eifrig Aurobindo lesen. Auch das ist insofern nicht durchgehend falsch, weil viele Radikalkritiker des Intergralen/Religiösen/Spirituellen (bei denen ist eh alles eins), aus dem tiefen Tal der Ahnungslosen reden und irgendwie ist zwar klar, dass man wenn man mit Physikern oder Juristen reden will, über gewisse Grundkompetenzen verfügen sollte, aber Bundestrainer, Politexperten und Religionskenner sind wir irgendwie alle. Man kann aber nicht bei den organisierten Atheisten kritisieren, was man im eigenen Laden klaglos durchwinkt und wenn man das nicht mal bemerkt, ist es umso schlimmer und spricht für den überwiegend gläubigen Charakter von Teilen der Bewegung. Die aber im besten Sinne die Daten der systematischen Innenschau (nicht nur, aber auch des Spirituellen, oft Meditativen) mit den theoretischen Einordnungsversuchen abgleicht. Da finde ich mich nach wie vor wieder, in dem Sinne würde ich mich noch immer integral nennen, ohne allerdings übergroßen Wert darauf zu legen.
Ein Thema was wirklich weiterführt und uns betreffen könnte, ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen der systematischen Innenschau und dem, was sie mit dem Ich macht und eben den theoretischen Einordnungsversuchen. Apel hat mal das gute Argument vorgebracht, dass auch die diversen Spielarten des Irrationalismus am Ende überzeugen wollen, also in ihrer vermeintlichen Abkehr vom Rationalen ein rationales Spiel spielen (sich also performativ widersprechen), aber irgendetwas stört mich daran und die besseren Philosophen, die ich dazu befragen konnte, sind ebenfalls skeptisch, konnten das Argument aber auch nicht widerlegen. Mein stärkstes Argument dagegen wäre, dass, wenn der Rationalismus a priori gesetzt ist, man natürlich nicht aus ihm raus kommt, vielleicht unterschätzte Apel aber auch, wie uninteressiert man daran sein kann, etwas zu demonstrieren. Für Wittgenstein kann also zutreffen, was bei Ramana (dem es reichte seine Kuh über den Berg zu ziehen, aber alle Fragen profund – wenngleich philosophisch mitunter grauenhaft – beantworten konnte) falsch wäre. Das Herausfordernde bei Ramana ist, dass man tatsächlich so leben und erleben kann und er gibt dazu Gebrauchsanweisungen von seltener Klarheit und wendet dabei die 'Technik' an, das Ich des Fragenden (in aller Regel) zu ignorieren und sich mit dem erleuchteten Teil des anderen zu verständigen.
Das grundsätzlich andere der Mystik hat innerhalb des Außeralltäglichen noch einmal einen besonderen Rang. Das kann man nun als ungeheuer ideologisch aufgebauscht ansehen, aber ich glaube im Rahmen der gar nicht so seltenen Gipfelerfahrungen, die sehr viele Menschen erleben, kann man nachvollziehen, wovon die Rede ist. Wilber hat diese Stufen der Mystik systematisiert, das hat er gut gemacht. Diese Gipfelerfahrungen sind m.E. auch der Zündstoff, mit deren Hilfe sich Religionen bis heute halten konnten. Es gibt da, in welchen Graden auch immer, tatsächlich etwas zu erleben, die Technik des Wegerklärens juckt mich einfach nicht mehr, ich will wissen, was das ist und die Reinform (m.E. Erleuchtung) interessiert mich am meisten.
"Das ist der Punkt. Wenn wir begriffen haben, daß wir die Schöpfer der Transzendenz sind, ist die transzendentale Metaphysik erledigt. Das Sakrale nichts weiter als eine menschliche Wertsetzung. Wogegen nichts zu sagen ist."
Was aber ziemlich purer Feuerbach wäre, dem würde ich doch, das Gessamtphänomen betreffend, energisch widersprechen.
Vielleicht macht es einen einfach müde, wenn man immer wieder, mit neuen Anstrichen und neuen Verpackungen, doch mehr oder weniger die gleichen Inhalte aufgetischt bekommt. Das ist es, was mich ab und an "etwas zu provokativ" schreiben lässt, zumal, wenn es von Seiten eines intellektuellen Schreibers kommt, der M. Jäger zweifellos ist.
Gleichgültigkeit wiederum ist auch keine Lösung, da es offensichtlich in die Gesellschaft ausgreift. Nur, wenn man in diese Themen einsteigt, dreht man automatisch an diesem Rad mit. Irgendwie irrelevant und doch von Wirkung! Danke übrigens Wolfgang.
„Mein "antireligiöser Effekt" (den Sie gleich mit dem Atheismus verbinden, der sich aber bereits aus dem weiteren Text erledigt hatte) ist schon längst in ein gewisses Amüsement übergegangen, da über Dinge diskutiert wird, die sich einfach nur als "vereinsinterne Regelungen" beschreiben lassen.“
Affekt hatte ich geschrieben, zumindest schreiben wollen. Ist Ihnen denn überhaupt nicht klar, dass auch diese Antwort vor Arroganz nur so strotzt?
„Ob die von Ihnen genannten Philosophen nun in der Zölibats- und Priesterinnenfragen nun weiterhelfen (können), bleibt ihrer Interpretation vorbehalten. Dazu lese ich genannte sicher nicht.“
Das Insgesamt der Religion auf das Thema Zölibat reduzieren zu wollen, halte ich für eine Engführung. Die Lernbereitschaft zu verweigern und nur zu eigenen Bedingungen zu spielen, sagt ja dann auch was aus. Wäre für mich dann uninteressant, bezogen auf dieses Thema.
„Die großen Frage bleibenaber (offen) und da ist der Sinn (Befriedigung) in den Details zu suchen durchaus ok. Darüber verblasst dann ein wenig, was die großen Denker so antreibt. Halt Arbeitsteilung, denn ohne diese wäre es für jene auch ziemlich unbequem. :-)“
Welche großen Fragen meinen Sie denn?
Um zwei meiner Helden anzuführen und um versuchsweisen eine Brücke zu bauen:
Martin Breul im philosophischen Radio über Habermas' neues Buch
Otto Kernberg über Religion in der Psychotherapie und die Änderung der Einstellung der Analyse gegenüber der Religion. (Nebenbei eine formidable Einführung in die Objektbeziehungstheorie und moderne Psychoanalyse.)
"Welche großen Fragen meinen Sie denn?"
Nö, Sie lesen förmlich Wälder flach und stellen mir dann noch diese Frage!
„Der heilige Messi, die göttliche Jolie, das ist, was von Sakralität übrigbleibt. Das ‚geniale Rennpferd‘, das bleibt vom Genie. Insofern stimme ich Deiner großzügig die kleinen Schwächen akzeptierenden Sichtweise zu, weniger der mE blauäugigen von Michael Jäger, Columbus und Habermas. Man muß daraus aber nicht den Schluß ziehen, Links aufzugeben, ich denke das genaue Gegenteil.“
Und das als Kommentar dazu, daß „Jäger, Columbus und Habermas“ vom Verschwinden der Sakralität geschrieben haben. Es steht ja sogar schon als Spitzmarke über dem obigen Artikel. Ich habe in letzter Zeit zunehmend den Eindruck, daß es dir Spaß macht, dich in deiner eigenen Phantasie zu verpuppen. Wie soll man da noch diskutieren?
„Es gibt religiöse Revivals, man muß aber fragen, ob sie sich nicht als Farce wiederholen.“ Wer bestreit das denn? Hier ist nur die Rede von religiösen Revivals gewesen, die es möglicherweise gibt. „Jedenfalls den großen Verlauf der Geschichte als wachsende Religiosität zu sehen, ist albern.“ Diese unsinnige Aussage, die bloß „albern“ zu nennen eine gelinde Untertreibung sein dürfte, hat meines Wissen nur ein einziger Mensch aufs Papier gebracht, er heißt Wolfgang Endemann.
Gut, Sie wollen nicht reden, zumindest mit mir nicht, vielleicht bin ich auch nur Blitzableiter Ihres generellen Freitags-Frustes, ich erlebe Sie in der Regel anders und nehme es weder krumm, noch persönlich, vielleicht demnächst wieder.
bös war ich nicht, nur irritiert und bins noch immer...
Ich möchte von bestehenden Einigkeiten weiter, zu neuen Uneinigkeiten. Der 'billige Konsens' war keine gute Formulierung, ich entschuldige mich dafür.
"........, da über Dinge diskutiert wird, die sich einfach nur als "vereinsinterne Regelungen" beschreiben lassen. Wer da also kein Mitglied ist, dem kann es eigentlich egal sein. "
Ohne mich in Ihr Gespräch inhaltlich einmischen zu wollen, möchte ich die Beschreibung von Kirchenbeschlüssen als "vereinsinterne Regelung", die Aussenstehende nichts angeht, mal beleuchten, weil sie in unterschiedlichen Formen oft zu hören ist. Meines Erachtens handelt es sich um eine unzutreffende Beschreibung der katholischen Kirchenorganisationen. Diese bestehen stattdessen aus dem ehemaligen Kirchenstaat Vatikan (absolute Monarchie), dem heiligen Stuhl mit dem Papst als weltweit anerkanntes Völkerrechtssubjekt sowie der katholischen Kirche. Die oberste Rechtsgewalt und Lehrvollmacht für alle drei Institutionen liegen beim Papst. Insofern sehe ich es schon als gerechtfertigt an, z.B. den Kirchenstaat dafür zu kritisieren, dass der Monarch allein unverheiratete Männer beruft genauso wie man auch andere Staaten wie Saudi Arabien oder den Iran für die Missachtung der Frauenrechte kritisiert. Es handelt sich halt nicht um einen einzelnen kleinen Orden oder einen Verein wie eine Burschenschaft, es handelt sich in DE bei der RKK um den grössten Grossgrundbesitzer mit einem gesamten Vermögen von ca. 300 Milliarden Euro. Die deutsche RKK erhält auch bis heute staatliche Zahlungen als Ausgleich für längst abgegoltene Enteignungen. Insofern finde ich es wenig konsistent, die RKK von Anforderungen auszunehmen, die in unserem Staat als Grundrechte gelten, und die wir an wirtschaftliche Unternehmen vergleichbarer Grössenordnung in DE stellen.
<wächst der Sinn „nach Resakralisierung und Auserwähltheit“. Dass jedenfalls das religiöse Bedürfnis wächst, sehe ich auch so>
<an dieser letztgenannten Form des Glaubens …. als „Re-“ Religion, Rückkehr zur Religion, eine Gestalt hat annehmen müssen, die das Moderne, das jedermann heute in seiner / ihrer Umwelt erfährt, mit aufnimmt.>
Die zweite Aussage bedeutet, daß Religion nur Terrain gutmachen kann, wenn sie entsakralisiert, die erste verweist auf ein gegenteiliges religiöses Bedürfnis (nach Resakralisierung). Dazu wird aber bemerkt, daß es eher der Protestantismus ist, „unter Bedingungen der Religionsrückkehr und zugleich der Moderne sich auszudehnen“.
Es freut mich zu lesen, daß ich das als zunehmende Religiosität mißverstanden habe, ich hätte wohl mehr auf die (allerdings ja nicht auf die Welt verallgemeinerbare) Aussage „weshalb der Protestantismus dem Verschwinden der Religion in Europa noch weit mehr Vorschub geleistet hat als in Nordamerika“ Beachtung schenken müssen, der ja ausdrückt, daß die Religionen der Anpassung an die Moderne nachlaufen, ohne ihren Bedeutungsverlust damit aufhalten zu können. Also, nichts für ungut, ich nehme die Unterstellung zurück, daß hier irgend jemand in Erwägung gezogen hat, „den großen Verlauf der Geschichte als wachsende Religiosität zu sehen“ oder sich zu wünschen. Ich wollte das auch gar nicht unterstellen, habe mich nur an oben zitierten Formulierungen gestoßen. Mir klingt das ein bißchen zu verständnisvoll, auch wenn Habermas ja nicht zur Metaphysik zurückwill. Man darf der Meinung sein, daß Religion nicht verschwinden kann, solange nicht verwirklicht ist, was sie in problematischer Gestalt verspricht. Aber die religiöse Quelle beginnt zu versiegen. Es wäre schön, wenn wir uns darin einig wären, „in der Zukunft weniger Religion, mehr autonome Sinngebung und Reflexion“ zu sehen.
„Es wäre schön, wenn wir uns darin einig wären, „in der Zukunft weniger Religion, mehr autonome Sinngebung und Reflexion“ zu sehen.“
Was in dem Sinne – um noch mal anders als vorhin drauf einzugehen – für Habermas kein Grund wäre, dass Religion verschwindet. Er zitiert Gauchet, der einen definiten „Rückzug und Zerfall“ der Religionen sieht und kommentiert:
„Der Fehler dieser flüchtigen Konzeption steckt bereits im projektiven Ausgangszustand einer in sich ruhenden, von Riten eingezäunten mythischen Welt, die aus sich heraus keine kognitive Dynamik entwickelt. Und falsch ist die implizite Annahme, dass Mythos und Ritus keine Gestalten des Geistes und keiner Rationalisierung fähig sind, ohne ihren sakralen Kern einzubüßen.“ (Jürgen Habermas, „Auch eine Geschichte der Philosophie“, Band 1, Suhrkamp 2019, S.294)
Einen interessanten Punkt erwähnt er später. Mit der Art der Tradierung der mythischen Geschichte, änderte sich Habermas' Meinung nach einiges. Bei der mündlichen Weitergabe war die exakte Kopie erforderlich, während „der Interpret“ den Weg vom „bloßen „Abschreiber““ zum „Autor“ bahnt, weil der Leser beim geschriebenen Text beliebig auf und ab gehen kann. Den Autor drängt es etwas Neues zu schreiben, der Barde wiederholt nur das immer gleiche Lied. (S.296f)
Das sind plausible Einwände und so lässt sich auch argumentieren. Nichtsdestotrotz ist es eine Vereinskonstruktion besonderer Art, die, wie sie es beschreiben, unberechtigterweise Privilegien genießt, die auch von Nichtvereinsmitgliedern unterstützt werden müssen.
Nur, ob der Vergleich mit Saudi Arabien stimmig ist? Als gebürtiger Saudi und damit Staatsbürger unterliege ich den staatlichen Gesetzen und könnte dem nur durch Auswanderung (falls möglich) entziehen.
In die Kirche wird man quasi durch Wasser eingebracht, aber keinesfalls ein zwingendes Dauerverhältnis wie im vorherigen Beispiel. Man kann sich dem doch recht einfach entziehen (nicht unbedingt, was die soziale Prägung betrifft).
Aber ich stimme Ihnen insoweit zu, dass man bei diesem Verein auch einfordern kann, was als generelle Gleichbehandlung in der Moderne erkannt wird und zwar allein deshalb, weil dieser Verein Millionen aus dem säkularen Umfeld erhält. Ansonsten sehe ich immer noch die Vereinsmitglieder selbst gefordert, die vor allem in Gestalt der vielen "dienenden" Frauen den Laden überhaupt am laufen halten.
„Man geht so wenig in die Kirche, um die Gruppenerfahrung zu suchen, wie man ins Stadion geht.“
Mein Kommentar kommt etwas spät, aber auch ich muss dem klar widersprechen.
Zunächst eine Anmerkung: Möglicherweise geht es Ihnen ähnlich wie mir, dass Sie selbst bei intensiven Gemeinschaftserfahrungen um Sie herum das Gefühl nicht verlässt, nicht wirklich Teil von alledem zu sein, sondern dass Sie all das stets mit einem gewissen Abstand betrachten. Das aber sollte Sie nicht davon abhalten, den Wert und die Anziehungskraft intensiver Gemeinschaftserfahrungen für andere Menschen zu erkennen.
Ich vermute, dass Sie nicht über allzu intensive eigene Stadionerfahrungen verfügen. Hätten Sie einmal das Steigerlied auf Schalke (Veltins Arena, ca. 62.000 Plätze), gesungen von vielleicht 55.000 „Blau-Kehlen“ live mitbekommen oder die so genannte „Gelbe Wand“ hinter dem südlichen Tor im Dortmunder Westfalenstadion (Signal Iduna Park, ca. 81.000 Sitzplätze) bestehend aus 24.000 „Gelb-Hemden“ und deren synchronisierten Einsätze aus nächster Nähe beobachtet oder die vielen heulenden Männer beim Erklingen der jeweiligen Stadionhymne gesehen oder die verklärte Entzücktheit der vielen Fans wahrgenommen, die nach einem Sieg ihrer Vereinsmannschaft ihren Vereinsschal sinnierend in den Himmel strecken und ihre Trikot-Körper zu den Klängen der Stadionmusik wiegen.
Solch eine Ergriffenheit kennt man möglicherweise vom Kirchenbesuch her. Besucht man z. B. eine feierliche Messe im Kölner Dom, eine der weltweit größeren Kathedralen mit Platz für bis zu 4.000 Menschen (sitzend und stehend), und singt dort gemeinsam das Kirchenlied „Großer Gott wir loben dich“, dann ist das sehr beeindruckend und vermag ein tiefes inneres „ozeanisches Gefühl“ zu erzeugen. In der großen Gemeinschaft Gleichgesinnter – zumindest in diesem Augenblick – fühlt es sich so an, als könne man die ganze Welt umarmen. Dieses zeitweilige Verlassen der eigenen alltäglichen Begrenztheit, das kraftvolle Miteinander und die Wahrnehmung von Weite erzeugen tiefe Glücksgefühle.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und sein Funkhausorchester haben ein bisher beispielloses Projekt realisiert. Unter dem vor lauter Schöngeist triefendem Motto „Fußball trifft Hochkultur“ haben etwa 55 Orchester-Musiker mit insgesamt ca. 5.000 singenden Fans der Bundesligavereine Borussia Dortmund, 1. FC Köln, Bayer 04 Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und FC Schalke 04 jeweils in den Fankurven der betreffenden Stadien aussagekräftige Fangesänge (meist die Hymnen) vertont und filmisch veredelt. Daraus entstanden sind eindrucksvolle, geradezu mitreißende Filmbeiträge aus jedem der Stadien. Bei der feierlichen Übergabe dieser Film&Klang-Werke an die Vertreter der mitwirkenden Vereine zeigten sich die sonst im Zusammenhang mit ernsteren Themen bekannten Tom Buhrow (2015 Intendant des WDR) und Jörg Schönenborn (2015 Fernsehdirektor des WDR) mehr als freudig angetan von diesem Projekt „Kurvenklänge“.
Was anfangs vor allem von zahlreichen Musikern, die noch nie zuvor in einem Stadion waren, sehr kritisch beäugt wurde, entwickelte sich bald zu einem Hoch-Erlebnis besonderer Güte. Der Funke sprang über von den Musikern auf die Fans und von den Fans auf die Musiker. Obwohl Mitglieder eines professionellen Großorchesters regelmäßig selber tief gehende Erfahrungen mit selbst-erzeugten Harmonie-Ereignissen haben. Dennoch war das musikalische Zusammenwirken mit den zahlreichen Fußballfans für sie eine ganz besondere Erfahrung. Teilweise haben die Musiker sogar mitgesungen und mitgeklatscht, mitgetanzt und mitgelacht.
Im Folgenden einige ihrer Kommentare: „ein totales Erlebnis im Stadion“; „es ist Liebe und Leidenschaft“; „das ist pure Liebe“; „überwältigend“, „unvergesslich“, „genial“ und „geil“, „Gänsehaut pur“; „man gehört dazu“; „wie eine große Familie“; „als Musiker eins werden mit der gelben Wand“; „es ergreift einen“. Einer der Trompeter fasste seine Erfahrung so zusammen: „Da ist nicht nur Liebe, da ist Hingabe und teilweise, ja es ist die Grenze zur Spiritualität da, denn Hingabe ist Liebe.“ (s. WDR-Mediathek, Kurvenklänge backstage - Orchester trifft Fußballfans; https://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/programme/kurvenklaenge-184.html)
Wer einen etwas anderen Eindruck vom Fußball erhalten möchte – unabhängig davon, was er davon hält – sollte in die entsprechenden Beiträge einmal reinsehen. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Fußballkult und religiösem Kult, aber es gibt erstaunlich viele Zusammenhänge, was z. B. auch zu theologischen Diplomarbeiten zum Thema „Fußball als Religion“ führt.
Um Zeit und weiteren Platz zu sparen, das Prinzip im Folgenden nur auf den Punkt gebracht: Der Mensch hat schon immer mit allen Mitteln versucht (die Geschichte der Menschheit ist z. B. noch viel mehr eine Drogengeschichte als eine Religionsgeschichte), seine tiefe Erfahrung von Getrenntheit zu überwinden (nicht nur die biologische Getrenntheit von der Mutter, sondern auch die Getrenntheit von der ganzen Wirklichkeit – als Buddha Erleuchtung erfuhr, erkannte er, dass er eins mit dem Ganzen ist und schon immer eins mit allem war – Wilbert beschreibt in seinem Werk „Halbzeit der Evolution“ eindrucksvoll den Weg der Menschen vom Verlassen der Einheit zurück zur Erkenntnis der Einheit etc.). In allen Lebensbereichen spielen „Einheitserfahrungen“ in allen Schattierungen eine maßgebliche Rolle und haben eine kaum zu widerstehende Anziehungskraft auf Menschen. Um z. B. eine intensive Wir-Erfahrung zu machen, sind Menschen zu eigentlich unvorstellbaren Taten bereit – auch Gewalt und Terror zählen dazu.
Moorleiche: „Es gibt da, in welchen Graden auch immer, tatsächlich etwas zu erleben, die Technik des Wegerklärens juckt mich einfach nicht mehr, ich will wissen, was das ist und die Reinform (m.E. Erleuchtung) interessiert mich am meisten.“
Hier bringen Sie es auf den Punkt. Es kann überhaupt nicht darum gehen, irgendeinen Wegweiser anzubeten oder vorgegebene Verhaltensweisen abzuspulen, sondern es kann nur darum gehen, (den Lehrer? +) den Weg zu finden, um völlig unabhängig von Kult und Ritus dieser Erfahrung tief in sich selber gewahr zu werden. Es deutet vieles daraufhin, dass dies für einen Menschen offensichtlich die realistische Möglichkeit am realistischen „Ort“ ist.
"... die erste verweist auf ein gegenteiliges religiöses Bedürfnis (nach Resakralisierung)." Der obige Artikel UNTERSCHEIDET "Religiöses Bedürfnis" von "Resakralisierung". Bitte nimm das doch mal zur Kenntnis, auch wenn es dich nicht interessiert. Du kannst doch lesen, und ich kann klar schreiben. Die Resakralisierung ist unaufhaltsam und im Grunde längst geschehen, weil mit der Moderne überhaupt nicht vereinbar, nur die katholische Kirche hält das Sakrale mühsam noch aufrecht, das religiöse Bedürfnis hingegen kann in der Zeit, in der wir leben, noch mal aufflackern. In Lateinamerika in Form der Pflingstler, hier bei uns als "naturwissenschaftlich" aufgemotzter Himmelfahrtsglauben.
Hi. Merkwürdig, die Zahl der Vermutungen über mein Leben steigt, warum auch immer.
Nein, Ihre Versuche sind alle falsch. Ich fühle mich nicht von der Welt getrennt, mir sind Massenveranstaltungen nicht generell fremd und ich habe nicht die Absicht, einen Wegweiser anzubeten. Ich bin auch kein hoffnungslos spirituell Suchender, der dringend einen Guru braucht, aber danke, fürs Angebot. ;-)
Meine Aussage mit Stadion und Kirche war so gemeint, dass man dahin geht, weil man sich für Fußball interessiert oder eben gläubig ist, nicht weil man 'an sich' das Gemeinschaftserlebnis sucht, das glauben nur Soziologen. Da ich mir aber einbilde sowohl die eine oder anderen Massenerfahrung erlebt zu haben, als auch die eine oder andere spirituelle Gipfelerfahrung und obendrein noch ein schlauer Junge bin (habe ich von Eco geklaut), interessiert mich das Thema der Einordnung.
Da nach wie vor unklar ist, was den eigentümlichen Zauber des Sakralen ausmacht und wie er mit gefährlichen aber auch segensreichen Gruppenerfahrungen in Verbindung steht, aber auch mit Erfahrungen des Einzelnen, mit dem Einfluss charismatischer Führer und Prediger und so weiter, mich aber auch unsere europäischen Wurzeln interessieren, finde ich das Thema interessant.
Ich weiß nicht, ob ich den Thesen hier zustimmen kann, dass die Stärke des klassischen Evangelismus, den ich auch von den Evangelikalen trennen würde, in der Beseitigung des Sakralen liegen, die Verbreitung der Schrift mit der Alphabetisierung und der Bildung der Evangelen scheint mir ein starker Grund zu sein, die 'natürliche' Verbindung zum Kapitalismus ist Herrn Jäger aber überbekannt, darum ist mir nicht ganz klar, worauf er hinaus will.
Den aufgemachten Gegensatz zwischen dem Sakralen und der Ekstase verstehe ich nicht, für mich sind das eher überlappende Phänomene.
ja, große zustimmung!
schön ist der hinweis auf das gemeinsame zelebrieren einer schlachtung
(von was auch immer) !
"Den aufgemachten Gegensatz zwischen dem Sakralen und der Ekstase verstehe ich nicht, für mich sind das eher überlappende Phänomene." Es geht um einen HISTORISCHEN Sachverhalt: Ekstase, auch religiöse Ekstase ist auch dann noch möglich, wenn das Sakrale nicht mehr möglich ist.
das heiligen/sakralisieren ist immer möglich,
solange menschen fähig bleiben, etwas als besonderes,
als ehr-erbietungs-würdig herauszuheben.
und ja, das ekstatische außer-sich-sein
ist dem sakralen be-nachbart, aber nicht identisch mit ihm:
die ahnen-verehrung z.b. kommt gänzlich ohne ekstase aus.
Ich möchte den Ton nicht verschärfen, aber das Kompliment, nicht lesen zu können, muß ich zurückgeben. Ich habe ja selbst dem einen, der Resakralisierungstendenz, bedingt zugestimmt, das andere, das wachsende religiöse Bedürfnis, verworfen. „Die Resakralisierung ist unaufhaltsam und im Grunde längst geschehen, weil mit der Moderne überhaupt nicht vereinbar, nur die katholische Kirche hält das Sakrale mühsam noch aufrecht“ - das möchte ich nicht als Freudschen Versprecher werten, aber gemeint ist doch wohl „Desakralisierung“, die unaufhaltsam ist und der Moderne entspricht. Und mit dem Nachsatz habe ich meine Schwierigkeit, denn geht Religion ohne das Sakrale? Überdehnt man da nicht den Religionsbegriff? Dann könnte es Natur-, Vernunft- und Kunstreligion geben, Vernunft und Kunst stehen aber dem, was man normaler- und sinnvollerweise unter Religion faßt, diametral entgegen. Man kann die Kunst von Bach als Säkularisierung des Religiösen verstehen (zumindest wir heutigen tun das, und meinetwegen auch die ganze Philosophie, Wissenschaft und Kunst), wobei die Wirkung der Orgel sich auch dem Klangraum der Kirche verdankt. Aber ist es nicht das Kennzeichen der Kunst, sich von den Anfängen zu emanzipieren / emanzipiert zu haben, autonom zu werden? Sind Kant und Beethoven nicht die Heroen der Subjektwerdung?
Aber egal, den Befund „das religiöse Bedürfnis hingegen kann in der Zeit, in der wir leben, noch mal aufflackern“ habe ich doch selbst mit religiösen Revivals benannt. Also sehe ich hier keine großen Differenzen, oder sprechen wir eine verschiedene Sprache?
Moorleiche: „Merkwürdig, die Zahl der Vermutungen über mein Leben steigt, warum auch immer. Nein, Ihre Versuche sind alle falsch.“
Um ungewollt nicht weiter in Ihrer Psyche herumzustochern, sollten Sie sich dann schon selber die Frage stellen und beantworten, worin die Gründe für ihre völlig übertriebene Ichbezogenheit bei Wahrnehmung und Reaktion bezüglich meiner Ausführungen liegen. Auch ich gehe beispielsweise mit meinem Sohn zusammen ins Stadion, um ein spannendes Spiel zu sehen, bei dem am Ende die bessere Mannschaft gewinnen darf. Ich beschrieb (aus eigener Erfahrung ganz konkret) viele der anderen Besucher dieser ganz spezifischen „Massenveranstaltung“. Was bei einem Wolfgang Petry oder einem Andreas Gabalier Konzert abgeht, weiß ich nicht. Wenn Carlos Santana gut drauf ist, scheint die Harmonie (zumindest für mich) greifbar im Raum zu stehen, was allerdings eine andere Art von Einheitserfahrung andeutet.
Moorleiche: „Ich bin auch kein hoffnungslos spirituell Suchender, der dringend einen Guru braucht, aber danke, fürs Angebot. ;-)“
Dass ein Mensch mit so viel Geist wie Sie seinen Weg (+ Lehrer? - s. oben!) selber finden muss, versteht sich von selbst. Ich wünsche Ihnen, dass dieser auch das exaktere Verstehen eigener und fremder Aussagen beinhaltet.
Übrigens halte ich den Begriff des „Sakralen“ in umfassend gedachten Zusammenhängen für ungeeignet, haftet er doch eher dem Kultischen (dem von Menschen Geschaffenen) an und weniger dem Spirituellen (dem von Menschen Entdeckten). Das tiefe Bedürfnis nach „Vereinigung“ (im oberen Kommentar bereits angedeutet) scheint mir eine elementare „Triebfeder“ des Menschen zu sein, die an erster Stelle Beachtung finden sollte, wird diese Sehnsucht doch von allzu vielen schamlos ausgenutzt.
Aber ja, ich widerspreche keineswegs, daß die Religion nicht restlos verschwindet, sondern nur tendenziell, Religion ist gebunden an Schwächeerfahrung, und es gibt keinen Menschen ohne Schwächeerfahrung. Und selbstverständlich ändert sich der Inhalt der Religion, weil sich die Erfahrung ändert. Ich möchte hier mal auf den von Dir irgendwo verlinkten Kernberg kommen, der sehr anschaulich die Entstehung des Bedürfnisses nach Religion und der Installation einer religiösen Instanz in der psychosozialen Entwicklung des Individuums erklärt. Ich halte diese Darstellung nicht schon für erschöpfend, aber aus psychologischer Sicht für sehr überzeugend. Das Wichtigste daran: Sie macht Religion zu einem im Wesentlichen unbewußt Gemachten. Transzendenz erübrigt sich. Nicht Gott schafft die Menschen, sondern umgekehrt. Gut finde ich auch, daß sie Religion nicht nur als Trost, sondern auch als Freudenquell deutet, ohne das wäre das Verständnis der Religion zu einseitig. Zu bemängeln wäre hier nur, daß die Seite der Religion als Kollektiverfahrung unterbelichtet ist. Der Mensch leidet nicht nur an seiner Getrenntheit von der versorgenden oder Versorgung verweigernden Natur (Mutter), sondern auch unter der Trennung vom Kollektiv (bzw der fehlenden Glückserfahrung der Einheit im Kollektiv).
Das wäre für mich die einfachste Erklärung für die Notwendigkeit, das Opium Religion (das freilich eine Selbstheilungskraft – wie eben manchmal auch eine Selbstzerstörungskraft – ist, auch Opium hat diese Doppelbedeutung) durch die Solidargemeinschaft zu ersetzen.
Den letzten Absatz halte ich für entscheidend wichtig, den Aufklärungsprozeß der Entmystifikation zu verstehen (das Rationalwerden des Religiösen), siehe mein Vorkommentar.
denkzone8: „schön ist der hinweis auf das gemeinsame zelebrieren einer schlachtung (von was auch immer)!“
Das Folgende trifft es nicht genau, beschreibt aber einen Aspekt der Massenhysterie, bei der das Miteinander in der Masse unverzichtbar, da selbstverstärkend ist.
Im Zusammenhang mit der Wahrnehmung ist evolutionsgeschichtlich gesehen das sogenannte „Emotionale System“ (reaktives Agieren aufgrund psychischer Erregtheit) im Vergleich zum „Kognitiven System“ (Erkenntnis durch Wahrnehmen und Denken) das viel ältere System, bei dem die Informationsverarbeitung wesentlich schneller und damit gefühlt viel unkomplizierter erfolgt als bei dem kognitiven System. Das emotionale System verantwortet spontane, nicht bis zu Ende durchdachte Gefühlsentscheidungen und Handlungen. Volksverführer versuchen Menschen vor allem deshalb gefühlsmäßig anzusprechen, weil es auf diesem Weg für sie viel einfacher ist, sie direkt zu erreichen und zu gefühlsgesteuerten, undurchdachten Handlungen zu verführen. Die meist eindimensionalen Inhalte würden einem ernsthaften Diskurs sowieso nicht standhalten können. So werden z. B. Angst und Wut erzeugt. Denn wütende, eindimensional denkende und ebenso agierende Menschen sind zu vielem bereit und lassen sich fast auf Kommando lenken, was die beiden folgenden Beispiele verdeutlichen.
Nicht selten empfinden die Volksverführer tatsächlich tiefe Verachtung für die Menschen, die sie selber zum Jubeln bringen und in die kritiklose Besessenheit treiben – vor allem aufgrund deren beispiellosen Unterwürfigkeit und Willenlosigkeit.
Joseph Goebbels (1897-1945), ein enger Vertrauter Adolf Hitlers und einflussreicher Politiker der Nazi-Zeit (u. a. Reichspropagandaleiter) soll am 18.2.1943 nach seiner bekannten Rede im Berliner Sportpalast vor ca. 15.000 Menschen – bei der der Saal nach seiner Frage: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ vor zustimmender Begeisterung tobte – zu seinen Begleitern gesagt haben: „Diese Stunden der Idiotie! Wenn ich den Leuten gesagt hätte, springt aus dem dritten Stock des Columbushauses, sie hätten es auch getan." (»so überlieferte es 1948 der Goebbels-Biograph Curt Riess, der mit Zeitzeugen gesprochen hatte.« – nach: „Sportpalast-Rede – Wie Goebbels sein Publikum aufpeitschte - und verachtete“, Norbert F. Pötzl, 18.2.2018, spiegel.de)
Auch heute kennt man Aussagen ähnlichen Gehalts: Donald Trump sagte am 24. Januar 2016 in einer Wahlkampfrede im Sioux Center in Iowa (USA): „Die Leute, meine Leute [meine Unterstützer] sind so klug. Das sagen auch die Umfragen. Sie zeigen, dass ich die loyalsten Anhänger habe. Wussten Sie das schon? Ich könnte quasi mitten auf der 5th Avenue stehen und jemanden erschießen, und würde trotzdem keine Wähler verlieren. Okay?! Das ist unglaublich!“ Später fügte er über Twitter hinzu: „Ich habe das Sioux Center gerade verlassen, wo meine Rede gut aufgenommen wurde. Wirklich tolle Menschen!“ („Kontroverse Aussagen – Trump wettert: »Ich könnte jemanden erschießen und würde trotzdem keine Wähler verlieren«, 24.1.2016, focus.de)
abgesehen von anderen idiotien der selbst-vergessenheit,
gings mir um das gemeinsame zelebrieren der destruktion/vernichtung/
der erlegung eines jagd-objekts, bei dem sich die selbst-grenzen verflüchtigen,
die persönliche verantwortung sich ins kollektiv verflüchtigt,
bzw. dorthin zurück-kehrt,
von dem aus die einzel-menschliche betrachtung
ausging, die persönliche verantwortung inthronisierte.
Ich habe nicht geschrieben, daß du nicht lesen kannst, sondern daß du es kannst.
„Ich habe ja selbst dem einen, der Resakralisierungstendenz, bedingt zugestimmt“ – da hast du nicht „zugestimmt“, weil ich, mit Habermas, so etwas gerade für, seit langem schon, unmöglich halte. Das Thema, mit dem wir uns hier befassen, ist der Versuch der katholischen Kirche, das Sakrale aufrechtzuerhalten: Spendung des Abendmahls durch besondere Priester, die ihre „Heiligkeit“ dudch ihr Zölibat ausweisen. Sie befindet sich mit dieser Veranstaltung in einer verzweifelten Defensive, denn sogar sehr viele, ich vermute die meisten eigenen Kirchengläubigen jedenfalls in Eurpa, aber wahrscheinlich auch in Amerika können damit nichts mehr anfangen.
„... denn geht Religion ohne das Sakrale? Überdehnt man da nicht den Religionsbegriff?“ Nein, das tut man nicht. Warum beziehst du dich nicht mal auf das, was oben im Artikel steht? Ein Abendmahl, das nur noch zum Gedächtnis abgehalten wird, von kirchlichen Amtspersonen, die nicht mehr als heilig gelten, hat nichts Sakrales mehr, so wenig wie es die Gedächtnisfeier für deinen eben verstorbenen Angehörigen hätte, ist aber „dennoch“ religiös. Und damit referiere ich nur etwas, das allgemein bekannt ist. Der Unterschied zur Kunst liegt natürlich im Inhalt.
Abgesehen davon, aber dieses nur nebenbei, sind nicht alle der Meinung, daß es keine „Kunstreligion“ geben könne, du wirst ja wohl Hegel kennen, und hat die Kunst von Bach das Religiöse nicht „säkularisiert“, sondern vollumfänglich aufrechterhalten, ganz ohne Sakralität übrigens.
Der wichtigste Punkt entgeht dir sowieso, aber allen anderen hier ja auch. Das ist der Umstand, daß gesellschaftliche Integration einer Stützung bedarf, die in längst verflossenen Zeiten vom Sakralen beigebracht wurde, als es sich noch über das Ökonomische miterstreckte. Um die von Benjamin so gesehene „kapitalistische Religion“ zu überwinden, die, wie er sagt, auch ein „Kult“ ist, ein echtes Funktionsäquivalent des Sakralen also, bedarf es einer anderen, kommunistischen Ökonomie, und dann erst könnte laut Marx auch das Religiöse verschwinden. (Es ist in diesem Zusammenhang interessant, daß Marx an Hegels Religionstheorie gerade dies kritisiert hat, daß Hegel meint, durch die ENTGEGENSTÄNDLICHUNG des Religiösen, derart daß nur der pure „Geist“ übrigbleibt, komme man weiter.)
Kleine Ergänzung, um nicht mißverstanden zu werden:
Das ist übrigens keine Zustimmung zum „Spirituellen (dem von Menschen Entdeckten)“, denn das Geistige, wie ich lieber sage, ist so viel oder vielmehr so wenig Entdeckung wie das Kultische. Richtig daran ist aber, daß das Geistige gegenüber dem Kultischen sich den tatsächlichen Gegebenheiten stellt, mehr auf Objektivität Bezug nimmt.
die vergegenständlichung/beschwörung des geheiligten im kultus/ritus
ist das fleisch des religiösen. das bloß-spirituelle macht nur veganer satt.
Zugestimmt habe ich der Nichtidentität von Sakralität und Religion, was aber nicht Disjunktion heißt, nur Nichtdeckungsgleichheit.
Auf die mE innertheologische Problematik des Parallelblogs bin ich nicht eingegangen, daher nur mein kleiner Kommentar von Außen. Hier dachte ich, daß Du durch Bezugnahme auf Habermas den Diskursgegenstand weiter fassen wolltest, wenn ich mich da getäuscht habe, habe ich off topic argumentiert. Deine Reaktion darauf verstehe ich trotzdem nicht.
Zur „Kunstreligion“ und Hegels Religionsverständnis müßten wir an anderer Stelle diskutieren.
Die „Religion des Kapitalismus“ ist eine weniger erhellende Metapher als der Begriff „Ideologie“.
„… ein echtes Funktionsäquivalent des Sakralen also, bedarf es einer anderen, kommunistischen Ökonomie, und dann erst könnte laut Marx auch das Religiöse verschwinden“, dem kann ich nur zustimmen, das ist klassischer Marx.
"Übrigens halte ich den Begriff des „Sakralen“ in umfassend gedachten Zusammenhängen für ungeeignet, haftet er doch eher dem Kultischen (dem von Menschen Geschaffenen) an und weniger dem Spirituellen (dem von Menschen Entdeckten)."
Das ist ja gerade die Frage, was nun das Sakrale sein soll. Als Gegenpol der Ekstase vermag ich es nicht zu sehen, aber dazu frage ich gleich Michael Jäger, ich denke, das lässt sich klären.
Da bin ich mit Ihnen d'accord.
Unter dem Sakralen versteht wiki das Heilige. Es sind zwar auch andere Formen der Ekstase denkbar, als ausgerechnet solche in religiösen oder 'heiligen' Kontexten, aber ich würde es dennoch so deuten, dass Ekstasen eine Erfahrung der (beglückenden) Einheit bedeutet, durch Auflösung oder Überschreitung von geglaubten oder tatsächlichen Grenzen und das sehe ich bei der Nähe zum Sakralen, wenn es sich denn als Heiliges manifestiert im Grunde auch gegeben.
Ist aber vielleicht wirklich eine Definitionsfrage und wenn Sie meinen, dass Ekstase das umfassendere Phänomen darstellt, will ich dem nicht widersprechen. Meinten Sie das damit, dass „Ekstase, auch religiöse Ekstase ... auch dann noch möglich [ist], wenn das Sakrale nicht mehr möglich ist.“?
"verschwinden" ist alles andere als klassischer, dialektisch-geschulter marx!
da sei hegel vor!
"Religion des Kapitalismus" ist keine Metapher, und vor allem auch "Kult" nicht, bei Benjamin nicht und ich folge ihm da. In der kap. Produktionsweise einen Kult zu sehen ist ein andere Aussage als daß zu ihm eine Ideologie gehört.
"Religion des Kapitalismus" ist keine Metapher, und vor allem auch "Kult" nicht, bei Benjamin nicht und ich folge ihm da. In der kap. Produktionsweise einen Kult zu sehen ist ein andere Aussage als daß zu ihm eine Ideologie gehört.
"ekstase" führt nicht weiter, sondern in die irre.
sie ist ein momentan-begrenztes ereignis meist gefolgt von einem "kater".
das nach-haltige religiöser haltung, das im alltag (nach-) wirken soll,
muß durch rituelle, kollektive stützen
(3x beten am tag, vor-und nach jeder nahrungs-aufnahme,etc.)
wie rufe/glocken-geläut aus dem turm des gottes-/bet-hauses
korsettiert werden.
... "denn das Geistige, wie ich lieber sage, ist so viel oder vielmehr so wenig Entdeckung wie das Kultische. "
In diesem Punkt stimmen wir überhaupt nicht überein. Ich persönlich bin von der Existenz einer alles umfassenden Wirklichkeit (weit entfernt von jedweder „Geistvorstellung“) überzeugt, die man z. B. in sich selber entdecken kann. Ich bezeichne diese als "Allwirklichkeit", um die begrenzenden Vorstellungen von z. B. einem persönlichen oder einem unpersönlichen "Gott" endgültig überwinden zu können. Für den ins andere Extrem gefallenden so genannten aufgeklärten Menschen, scheinen die Zeugnisse für die Nichtexistenz einer solchen Wirklichkeit überzeugend zu sein. Mit zugleich tabuloser und kritischer Offenheit lässt sich allerdings mühelos erkennen, dass es bereits über lange Zeiträume (nicht nur popelige 300 Jahre) hinweg in allen Kulturen dieser Welt Hinweise auf die Existenz solch einer Allwirklichkeit gibt. Und in diesem Zusammenhang spielen all die unzähligen religiösen Erzählungen und Kulte, also all das „sakrale Gedöns“, fast immer nur die Rolle, dass sie im Grunde genommen von dem Wesentlichen ablenken und deshalb (zumindest für mich) ziemlich uninteressant sind. Das ist das, was ich damit meine, dass die Menschen eher die Wegweiser anbeten, als in ihrer eigenen Entwicklung weiterzugehen. Und nur so kann es auf Dauer gehen.
Was Ihnen das sagt, ist und bleibt immer Ihre Angelegenheit. Diesbezüglich kann keinerlei Mission greifen. Es braucht immer die eigene Einsicht. Deshalb liegt es mir diesbezüglich fern, Sie überzeugen zu wollen.
Mir "leuchtet" nicht ein, warum der Begriff des "Sakralen" überhaupt eingeführt wurde. Musste mich erst einmal auf den Stand bringen, in welchem Rahmen das Wort Verwendung findet, siehe hier. Also heilig reicht völlig aus. Wiederum "Heiliger Vater" halte ich für Hybris.
Vielleicht lässt es sich auch in engeren Sinn als eine Rahmengestaltung/Handlung beschreiben, dass im Zusammenhang mit dem Heiligen zeremoniell bereitet wird. Wie die Sakristei als Vorraum der Vorbereitung darauf dient.
„Ich möchte hier mal auf den von Dir irgendwo verlinkten Kernberg kommen, der sehr anschaulich die Entstehung des Bedürfnisses nach Religion und der Installation einer religiösen Instanz in der psychosozialen Entwicklung des Individuums erklärt. Ich halte diese Darstellung nicht schon für erschöpfend, aber aus psychologischer Sicht für sehr überzeugend.“
Ich auch und schön, dass Du es gehört hast.
„Das Wichtigste daran: Sie macht Religion zu einem im Wesentlichen unbewußt Gemachten. Transzendenz erübrigt sich. Nicht Gott schafft die Menschen, sondern umgekehrt. Gut finde ich auch, daß sie Religion nicht nur als Trost, sondern auch als Freudenquell deutet, ohne das wäre das Verständnis der Religion zu einseitig.“
Ebenfalls gut ist, dass Kernberg an einer Stelle sagt, dass Glauben zu können „eine Gnade“ sei, kein infantiler Fehler im System.
Ich bin mit den Deutungen von Kernberg und Habermas (soweit gelesen) weitgehend einverstanden, in dem Sinne, dass man auch aus deren Position Gott als etwas in engeren oder weiteren Sinne vom Menschen geschaffenes begreifen kann, ohne dies in diskreditierender Weise zu tun und auf der Basis kann man Religion gesellschaftlich einbinden und religiösen Menschen auf Augenhöhe begegnen. Die wahre Herausforderung ist die Mystik, wenn ein Eckhart bspw. schreibt, ihm Gott als Schöpfergott nicht genügt und er im Durchbrechen erkennt, dass er und Gott eins sind.
Es ist nach wie vor unklar, inwieweit Eckhart dies erdacht hat oder es ihm in mystischer Schau zuteil wurde, aber auch hier ist der Wegfall jedweder Grenzen (der Schöpfer ist von der Schöpfung definitiv getrennt) das zentrale Motiv. Aber das ist es, was Mystiker durchgehend berichten, die vom rationalen Geist aufgestellten Grenzen, sind solche, die dieser zu Erkenntniszwecken braucht, aber darüber hinaus existieren sie nicht. Das ist es auch, was ich mit Erkenntnis in der spirituellen Erfahrung meinte. Wenn man nicht fassen kann, was man erfahren hat, versucht man sich das zurecht zu erklären, in den meisten Fällen so, dass es ins herrschende Weltbild passt. Eine ganze Reihe mystischer Erfahrungen sind, wenn man ehrlich ist, mit unserem naturalistischen Weltbild und dem Wunsch all dies rational einzuordnen prinzipiell inkompatibel.
U.A. desghalb werden sie so gerne bagatellisiert oder pathologisiert, sie passen nicht ins Bild. Genau das macht sie aber auch überaus spannend.
„Zu bemängeln wäre hier nur, daß die Seite der Religion als Kollektiverfahrung unterbelichtet ist. Der Mensch leidet nicht nur an seiner Getrenntheit von der versorgenden oder Versorgung verweigernden Natur (Mutter), sondern auch unter der Trennung vom Kollektiv (bzw der fehlenden Glückserfahrung der Einheit im Kollektiv).“
Kernberg hat selbst zur Gruppen- und Großgruppenpsychologie geforscht, ich weiß nicht ob ich hier für ihn sprechen kann, aber tendenziell sehe ich die Erfüllung des Aufgehens im Kollektiv als eine mögliche Erfahrung an – wie sollte man auch sonst auf die Idee gekommen sein – ich halte diesen Aspekt aber nicht für das Ende der Fahnenstange und auch nicht für so universell, im Bezug auf die volle Beglückung, die man da erleben soll und den spontanen Wunsch sich in die Gesellschaft einzubringen.
Von hinten durch die Brust ins Auge kommen wir da über Wilber und Marx bestimmt zusammen, aber die Intensität des Wunsches, die Holzkamp suggeriert sehe ich eher nicht und so universell sind positive Gruppenerfahrungen vielleicht auch nicht. Auch Habermas scheint da skeptisch zu sein, schreibt er doch:
„“Die Angst gleichermaßen vor der i d e n t i t ä t s b e dr o h e n d e n Folgen der E x k l u s i o n wie der Ü b e r i n k l u s i o n, dem Zerreißen des sozialen Bandes und der erstickenden Zwangsintegration bildet das Thema weit zurückreichender gattungsgeschichtlicher Erfahrungen, die in rituellen Ausdrucksformen verkapselt sind.” (Jürgen Habermas, "Auch eine Geschichte der Philosophie: Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen", Suhrkamp 2019, S. 260f )
„Das wäre für mich die einfachste Erklärung für die Notwendigkeit, das Opium Religion (das freilich eine Selbstheilungskraft – wie eben manchmal auch eine Selbstzerstörungskraft – ist, auch Opium hat diese Doppelbedeutung) durch die Solidargemeinschaft zu ersetzen.“
Ich denke, dass beides bequem in einander übergehen kann, ohne dass man sich hier entscheiden müsste.
Darum sagte ich an anderer Stelle: Kommunismus ist eine Aufgabe, weniger ein Ziel. Ein erstrebenswertes, aber nur asymptotisch erreichbares Ziel, wie Wahrheit, und selbst das ist ein wenig zu optimistisch formuliert. Es ist eine regulative Idee.
Ich sehe beides als notwendige und einander stützend an.
Schau Dir mal klassisch religionskritische Erzählungen an, die alle in etwa die Form haben, dass ein paar Wilde herumsaßen und dann aus irgendeinem Grund (manchmal sich vor Naturphänomenen fürchtend – aber warum eigentlich, kannten die viel besser als wir) oder aus einer Laune irgendwelche Götter erfanden, denen sie sich dann postwendend unterwarfen und andere gleich mit. Wieso denn, so ohne Not?
Ich denke viel eher, dass die Trennung zwischen Innen und Außen, Phantasie und Realität noch nicht so ausdifferenziert war und die Menschen einfach einbanden, was ihnen als realer Bestandteil ihres Lebens ständig begegnete die Träumen, in Trancen, in Grenzsituationen und ihrer Überschreitung, durch Drogen usw.. Das war immer real und wurde dann als Ahnengeist usw. erklärt, später ausdifferenziert und generalisiert, wie man sich das heute eben erklärt.
Aber immer muss der reale Kontakt, die Möglichkeit, dass es immer wieder tatsächlich etwas zu erleben gibt, bezeugt werden, sonst macht es überhaupt keinen Sinn, dass sich solche Narrative so lange halten. Die Erfahrungen der Ekstase (immer schon einiger weniger), musste natürlich runter geregelt und massenverdaulich präsentiert werden, aber die Besonderheit der Schamanen, der Derwische, der verrückten und der überaus gütigen Heiligen und Weisen, die wurde immer und immer wieder bezeugt, die (vermeintlichen) Eingriffe der Götter in der Lauf des Schicksals ebenso, wie das, was in und mit Menschen passierte, die Begegnungen mit der Transzendenz hatten. Das feuert den Mythos an und dieser die Möglichkeit, es zu versuchen. Das kann auch in verdünnter und eingebildeter Form auftreten, es kann sogar sein, dass die Erlösung zu geschäftsmäßig wird, das war es ja, wogegen Luther aufstand, aber ohne Erfahrungen des Heiligen ist Religion eine öde Fabel.
Heute versucht man das alles abzustreifen, als Gruppen- oder Hirnphänomen zu erklären, bis in Bereiche, die ethisch fragwürdig sind. Wenn jemand nach einer Nahtoderfahrung die Angst vor dem Tod komplett verliert (durch die subjektive Wucht der Erfahrung), wie – mit welchem ethischen Motiv? - kann sich jemand erdreisten, diesem Menschen langwierig erklären zu wollen, dass dies alles nur irgendeine Folge von Sauerstoffmangel oder dergleichen ist? Was genau soll damit erreicht werden? Der vorgebliche Schutz davor, sich selbst nichts vorzumachen, ist eine Lachnummer. Da kann man dann den Mill diskutieren, lieber unzufriedener Sokrates als ein glückliches Schwein: ja – nein – vielleicht. Manches hat da schon Sinn, aber ist es ethisch vertretbar einem Menschen eine abhanden gekommene große Angst wieder anzudichten, damit er sich nichts vormacht?
Verfügte man auch nur über ein Viertel des behaupteten Wissens, würde ich anders urteilen, aber so sich auf der Basis gepflegter Ahnungslosigkeit selbst zu überschätzen, ja nee.
Kinder betet, Vater lötet.
Superbeispiel, wie hier eine Art Insiderchat geführt wird. Ohne Interesse, was die Community sonst so bewegt. Special interest, den Sexanzeigen nicht unähnlich.
Der Rest ist für mich - unter freundlicher Mitwirkung von Herrn Jäger - aufrechterhaltener - elitärer Diskurs, der für die meisten Leute, die sich hier interessante Debatten erhoffen, längst erledigt ist.
Lieber Herr Jäger. Auch unter Ihrer Mitwirkung ist die Debatte hier erfolgreich ausgetrocknet. Sie haben mir vor einiger Zeit mal - unmissverständlich - klargemacht, dass Persönliches hier nicht hingehört. Seitdem habe ich wirklich keine Lust mehr, mich schriftlich in irgendeiner Form zu äußern, weil für mich Persönliches und Politisches zusammengehören.
Stattdessen führen sie exklusive Diskurse mit immer den gleichen Community-Mitgliedern. Wenig einladend für andere und ziemlich ausschließend - Distinktion ist auch für Sie offensichtlich das allerallerWichtigste. Was ist daran denn - bitte - links? Und ist das Ihr Job hier? Ich frage ja nur.
Ich stimme Ihnen zu!
Wie so oft – was auf meine langjährige Tätigkeit zurückzuführen ist – ziehe ich als Ausgangspunkt gerne Duden und Brockhaus (auf meinem PC) zu Rate.
▪ sa|k|ral <Adjektiv>:
[zu lateinisch sacer = heilig] a) [geweiht und daher] heilig; religiösen Zwecken dienend:
sakrale Feiern, Handlungen, Akte, Bauten;
b) Heiliges, Religiöses betreffend:
Wie im frühen Mittelalter verschmelzen wieder die sakralen und imperialen Ideen (Bild. Kunst 3, 28).
© DUDEN - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache,4. Aufl. Mannheim 2012 [CD-ROM]
Der Begriff „Heil“ hat aus meiner Sicht eine sehr positive Bedeutung:
▪ heil <Adjektiv> [mittelhochdeutsch, althochdeutsch heil = gesund; unversehrt, gerettet, ursprünglich wohl Wort des kultischen Bereichs]:
a) unversehrt, (bei etwas) unverletzt …b) wieder gesund; geheilt …c) (besonders norddeutsch) nicht entzwei oder [teilweise] zerstört, sondern ganz, intakt ..
© DUDEN - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 4. Aufl. Mannheim 2012 [CD-ROM]
Etwas „Heiles“ ist also etwas „Vollständiges“. Dies bedeutet für mich im spirituellen Kontext viel mehr, als lediglich etwas vom Menschen (durch den Menschen?) als heilig geweihtes (auch wenn man hinter dieser Weihe wie bei allen Sakramenten Gott postuliert, aber diesen nicht zwangsläufig auch erfährt). Man könnte die gängige religiöse Praxis auch so formulieren: It´s the ritual, stupid! (Beziehen Sie das um Gottes Willen nicht auf sich!)
Ich für meinen Teil möchte auch dem „Heil“ in mir gewahr werden, lehne aber das Sakrale als in vielen Fällen störend, ja sogar als vom Wesentlichen ablenkend ab. Aus meiner Sicht sehnen sich die Menschen nach tiefen eigenen „Heilserfahrungen“. Die alteingesessenen Kirchen, verstehen das bis heute nicht. Andere Gruppierungen wissen das zumindest ansatzweise zu liefern. Das dabei mitgelieferte „Gedöns“ und dessen Befolgung ist wie ein Fußballtrikot und den damit einhergehenden Bräuchen - quasi der Mitgliedsausweis für den jeweiligen Club.
„Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.“ (so der katholische Theologe Karl Rahner)
Ich kann Ihnen da nur zustimmen. Man denke an Ereignisse, wie die Bartholomäusnacht, die religiöse Ekstase in Reinform verkörperte, ohne eine Spur von Sakralität. Man denke an die Bilderstürmerei der Protestanten, die religiös ekstatisch stattfand (besonders in den Niederlanden), aber gewiss alle Sakralität vermissen ließ.
In dieser Hinsicht sehr lesenswert, ist ein verstaubter Klassiker, Elias Canettis, >>Masse und Macht<<, u.a. das Kapitel "Meute und Religion", mit Beschreibungen einiger religiöser Gewaltekstasen, von der Schrumpfkopfjagd, bis zum Selbstgeiselungsfest Muharram, der Schiiten.
Ein wenig weiter, im Unterkapitel "Massensymbole der Nationen", kommt Canetti, der das Wesen des Krieges und der Nationen im Krieg erkundet, zu dem Vorschlag: "Es sollen also die Nationen hier so angesehen werden, als wären sie Religionen. Sie haben die Tendenz, von Zeit zu Zeit wirklich in diesen Zustand zu geraten. Eine Anlage dazu ist immer da, in Kriegen werden die nationalen Religionen akut."
Die Kriegsmasse, "Kriegsmeute", wird ekstatisch, bis die Dauer und Abnutzung sie erschöpft, oder der Sieg noch größere Ekstase auslöst, die, wie bei den vorgenannten religösen Ereignissen, die Spannung schlagartg auflöst.
Vielleicht gelingt nur dem rheinischen Karneval, der Fastnacht, die kriegerischen Anteile von Masse, Zug, Marschmusik und Garde so zu karikieren und gleichzeitig auszuleben, dass am Aschermittwoch Ruhe einkehrt.
Nebenbei noch eine kleine Einschätzung Canettis, zur katholischen Religion. Im Unterkapitel "Katholizismus und Masse" heißt es: "Am Katholizismus fällt bei unvoreingenommener Betrachtung eine gewisse Langsamkeit und Ruhe auf, verbunden mit großer Breite. Sein Hauptanspruch, daß er für alle Platz hat, ist schon in seinem Namen enthalten"
Daran anschließend, seziert Canetti, warum die katholische Kirche die Masse eigentlich nicht schätzt und begründet, warum die immer noch wirksame Hierarchie als ein Mittel gilt, über Jahrtausende zwar alle, die Massen, die Gläubigen, anzusprechen, aber im, immer durch Geistliche vermittelten, Glaubensverhältnis auf Distanz, Hierarchie und hierarchische Vermittlung setzt. Die Kirche strebt eine "Verlangsamung der Massenbildung" an!
Ich kann unmöglich noch viel von den weiteren, sehr kreativen Einschätzungen Canettis zur katholischen Kirche schreiben, weil sie vom Thema wegführten, aber will noch eine Stelle mitteilen:
"Zu diesen Massenkristallen gehören die Klöster und Orden. Sie enthalten die eigentlichen Christen, die dem Gehorsam, der Armut und der Keuchheit leben. Sie sollen dazu dienen, den anderen, den vielen, die zwar Christen heißen, aber nicht wie Christen leben können, immer wieder solche, die es wirklich sind, vor Augen zu führen."
Beste Grüße
Christoph Leusch
Einer Aussage wie „Der synthetische Charakter der Welt ist genau so real wie deren analytischer“ würde ich sofort zustimmen. Es ist einfach ignorant, die Welt nur analytisch begreifen zu wollen, zu glauben, daß das zu einem angemessenen Weltverständnis ausreicht. Aber ich möchte auch nicht einen Weltstandpunkt jenseits unserer menschlichen Perspektivgebundenheit einnehmen. Ich denke vom denkenden Menschen aus. Als solcher bin ich Konstrukteur und Rekonstrukteur – von Gefundenem und Gemachtem (ursprünglich Emergentem), eben Finder und Macher. Und jede Reflexionsstufe erhöht den Anteil des Gemachten.
Wenn man den Splitter im eigenen Auge nicht sehen will, Magda, argumentiert man ewiggleich und hat damit immer Recht. Das zeichnet Sie doch aus, denn ihre Themen und die dann gerne verabreichten Einschätzungen, tragen doch das heilsmäßige Zeichen der ewigen Wiederholung. Oder etwa nicht?
Sie können, wie ich oder andere, schreiben, oder es eben lassen.
Die Krise der dFC speist sich aus der dickfelligen und spürbaren Verachtung untereinander und gegenüber der Redaktion. Da bleiben am Ende nur jene Personen und Themen übrig, denen das scheißegal ist. Der Rest verstummt.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Moorleiche: „Die wahre Herausforderung ist die Mystik, wenn ein Eckhart bspw. schreibt, ihm Gott als Schöpfergott nicht genügt und er im Durchbrechen erkennt, dass er und Gott eins sind. Es ist nach wie vor unklar, inwieweit Eckhart dies erdacht hat oder es ihm in mystischer Schau zuteil wurde, aber auch hier ist der Wegfall jedweder Grenzen (der Schöpfer ist von der Schöpfung definitiv getrennt) das zentrale Motiv. Aber das ist es, was Mystiker durchgehend berichten, die vom rationalen Geist aufgestellten Grenzen, sind solche, die dieser zu Erkenntniszwecken braucht, aber darüber hinaus existieren sie nicht. Das ist es auch, was ich mit Erkenntnis in der spirituellen Erfahrung meinte. Wenn man nicht fassen kann, was man erfahren hat, versucht man sich das zurecht zu erklären, in den meisten Fällen so, dass es ins herrschende Weltbild passt.“
Zunächst einmal ist es unumgänglich, dass man bei der Beschreibung von etwas Neuem auf die erlernte Sprache und die einem bekannten Bilder (z. B. in Form von Vergleichen) zurückgreift. Bei den Mystikern in verschiedenen Religionen (vor allem in den drei „Buch-Religionen“ Judentum, Christentum und Islam) geht es aber noch um viel mehr. Es geht um die Konformität mit der vorherrschenden Lehre. Demnach „bestimmt“ das „Sakrale“ die mystische Erfahrung und nicht umgekehrt.
Meister Eckhart (1260-1327), christlicher Mystiker: „Wie ich schon öfter gesagt habe, dass etwas in der Seele ist, das Gott so verwandt ist, dass es eins ist und nicht vereint.“ (aus: Rene Bütler, Die Mystik der Welt, Bern-München-Wien 1992, S.62)
Obwohl im Christentum auf der einen Seite ein großer Teil der Heiligen zu Lebzeiten über mystische Erfahrungen zu berichten wusste, wurde auch hier nur das anerkannt, was mit der Lehre übereinstimmte. Ein Abweichen galt lange Zeit als Ketzerei und bedeutete konkrete Gefahr für Leib und Leben. Sogar die höchsten Erfahrungen hatten sich also der menschgemachten Theologie unterzuordnen. Nicht wenige „Allwirklichkeitszeugen“ sind aufgrund ihrer abweichenden Erfahrungen gefoltert oder sogar getötet worden. Selbst einige Lehrsätze des bekannten christlichen Lehrers Meister Eckhart (s. o.) wurden nach seinem (natürlichen) Tod 1329 von Papst Johannes XXII. verdammt – nach heutiger Einschätzung nicht weniger Theologen zu unrecht. Hierbei ging es vor allem um Aussagen, die den Seelengrund des Menschen und Gott selber (angeblich) auf eine Stufe stellen. Etwas, was in letzter Konsequenz nach der christlichen Lehre noch heute als unvereinbar gilt. Gott und Mensch sind für christliche Theologen immer zwei Personen und niemals vereint.
Im Zusammenhang mit einem interreligiösen Vergleich von Allwirklichkeitserfahrungen ist deshalb die Erkenntnis außerordentlich wichtig, dass in einigen Religionen (nicht nur im Christentum und im Islam) bisher nur das als Erfahrung anerkannt wurde, was in Übereinstimmung mit der jeweiligen Lehre stand, weil diese immer Vorrang hatte. Das bedeutet, dass angeblich nicht konforme Aspekte der mystischen Erfahrungen der Theologen-Theorie zum Opfer fielen, oft erfolgreich verdrängt wurden und vielleicht niemals mehr auftauchen. Das ist ein klarer Verlust, der dazu führt, dass derart beschnitten auch Allwirklichkeitserfahrungen einseitig daherkommen. Oft haben sie genau diejenigen Facetten eingebüßt, die sie mit Allwirklichkeitserfahrungen anderer Religionen gemein hatten. So verlieren sie ihren umfassenden Ansatz und Gläubige sitzen fortan den begrenzten Vorstellungen auf.
Es ist schon erschütternd, wie besessene Theoretiker mit ihrer gnadenlosen Einseitigkeit selbst die höchstmöglichen Erfahrungen spirituell erfahrener Menschen zurechtstutzen, in ihr enges Glaubens-Korsett hineinzwängen und dann als höchste Wahrheit verkünden.
w.endemann: "Aber ich möchte auch nicht einen Weltstandpunkt jenseits unserer menschlichen Perspektivgebundenheit einnehmen. Ich denke vom denkenden Menschen aus."
Akzeptiert!
Ich für meinen Teil weise aufgrund meinen ureigenen ganz unterschiedlichen Lebenserfahrungen darauf hin, dass es nach meiner Auffassung auch jenseits unseres menschlichen Denkvermögens noch eine viel umfassendere Wirklichkeit gibt.
sie fragen nicht nur, sondern reproduzieren ressentiments,
sprechen von insidern, ohne zu sehen,
daß hier auch wenig informierte mit-tun
und zeigen sich überzeugt davon, daß sooo spezielle themen
kein interesse im community-volk finden,
da diese, tornister gepackt, am gleis auf die einfahrt
des d-zugs zur revolte warten...
hier ist keine elite am werk, sondern um klärung bemühte.
hier gibts keine aus-schließeritis,
nur weil man narren-kappen auch heute als obligatorisch ablehnt.
- schön, daß Sie in diese schmuddel-ecke mal reingeschaut haben
und sich sogar lang-weiligsten, obsoleten reden ausgesetzt haben.
jetzt aber: husch-husch zurück in die bütt.
Also, ich glaube in letzter Zeit bin ich wenig "gesplittert". Wo ich mich wiederholt habe, weiß ich nicht. Aber bitte....
Mein Zorn gegen Herrn Jäger aber musste mal raus, auch wenn es - in der Tat - mit seinem Beitrag wenig zu tun hat.
Ich weiß nicht - als Mitglied der Redaktion - so zu tun, als wäre das hier alles o.k, das hielt ich doch für ziemlich merkwürdig. Ein Männerkränzchen vom Feinsten ist übrig geblieben. Und eine Belehrung, die ich nicht vergessen habe. Und eine Sprache, die die meisten Leute hier ausschließt und immer hermetischer wird, sich gar nicht verständigen will, sondern den eigenen Geist Gassi führen: Sich abgrenzen.... darum gehts mir.
Natürlich muss man/frau hier nicht schreiben. Ich tue es ja auch kaum noch. Und, die wollen es auch gar nicht.
Die Zeiten haben sich geändert und Leute von der Redaktion melden sich ja auch kaum noch angesichts der auch technischen Verwerfungen. Aber schreiben wird man das doch noch dürfen. Und einmal ausdrücken, wie öde das ist.
Mit freundlichem Gruß
Ach Quatsch, nix Revolte. Husch husch ist auch völliger Unsinn. Die Themen sind es nicht - das räume ich ein. Das ist schon alles.
Tschüs
- so leicht hin gehts nicht ab mit den bilder-stürmern:
können Sie sich nicht einen ernsthaft-heilig-erzürnten BS vorstellen?
oder einen un-ekstatischen prediger, der die traditionelle symbolische praxis
als werk teuflischer manipulation der amts-kirche verwirft?
die rebellen reklamierten einen höheren grad von wahrhaftigkeit
gegenüber der traditions-lastigen, autoritären orthodoxie...
- und mit canetti machen Sie eine büchse der pandora auf,
in der sich berührungs-ängstlicher intellektualismus
mit etlichen vor-urteilen elitärer art mischt,
wie in vielen traktaten, die über "die Masse" sich erheben + richten wollen.
o.k. dann geb ich auch was zu:
ein hermetiker ist hier in herrn jäger schon unterwegs.
merke ich daran, daß er meine kommentare schneidet...
„Es ist schon erschütternd, wie besessene Theoretiker mit ihrer gnadenlosen Einseitigkeit selbst die höchstmöglichen Erfahrungen spirituell erfahrener Menschen zurechtstutzen, in ihr enges Glaubens-Korsett hineinzwängen und dann als höchste Wahrheit verkünden.“
Klar, die Kirche hat ja, als eine immer auch schon mit dem weltlichen Leben verbundene Organisation etwas zu verlieren. Nach meinem Kenntnisstand wurde Eckhart aber nicht dafür angeklagt, dass er behauptete, „dass ich und Gott eins sind“ oder er sogar oberhalb des (Schöpfer)Gottes stand in seiner „ersten Ursache“ stand, sondern dafür, dass er sagte, dass man im Grunde keinen Mittler zwischen sich und Gott braucht. Gott macht einen schon so, wie er einen haben will. Das war dann doch des Guten zuviel. ;-)
All diese Unverfrorenheiten sind zu finden in der Predigt über die Armut im Geiste. Krasser Stoff.
"denn ich bin da eine unbewegliche Ursache"
heißt es, nicht 'erste Ursache'.
++ merke ich daran, daß er meine kommentare schneidet...++
Aha. Vielleicht war er ja mal beim Rundfunk. Da hieß es doch auch immer "Bitte schneiden". Na, jetzt hau ich mal ab. :-))))))))
"Zu diesen Massenkristallen gehören die Klöster und Orden. Sie enthalten die eigentlichen Christen, die dem Gehorsam, der Armut und der Keuschheit leben. Sie sollen dazu dienen, den anderen, den vielen, die zwar Christen heißen, aber nicht wie Christen leben können, immer wieder solche, die es wirklich sind, vor Augen zu führen." (Elias Canettis, „Masse und Macht“)
Ich habe etwa ein Vierteljahrhundert an einer Ordenshochschule im Rahmen der Priesterausbildung als Externer unterrichtet. Bis heute habe ich grundsätzlich Respekt vor jedem jungen Menschen, der davon überzeugt ist, sein Leben komplett in den Dienst Gottes zu stellen, wenn er den Weg des Ordens-Priestertums beschreitet – ganz unabhängig davon, wie mein Verständnis von Gott und vom diesbezüglichen Dienen ist.
Ich würde aber niemals behaupten wollen, im Kontext eines Klosters durchweg „die eigentlichen Christen“ getroffen zu haben, vor allem, wenn man Christsein auf den folgenden zentralen Punkt reduziert: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, den Gott ist Liebe.“ (1 Joh. 4:8)
Natürlich bin ich im Kloster auch auf Menschen gestoßen, die in diesem Sinne zu leben versucht haben – außerhalb aber auch. Selbst das von den Ordensregeln vorgegebene Klosterleben ist überhaupt keine Garantie dafür, dass die persönliche Tiefe weit über das Befolgen vom Kult hinausgeht. Das offensichtlich Sakrale ist überhaupt nicht sakral, so lange es sich nicht aus der inneren Heilserfahrung speist.
Das diesbezüglich desillusionierendste Beispiel erlebte ich in einem kath. Kloster von Ordens-Schwestern, die sich tagein tagaus nichts anderem als der ewigen Anbetung widmen und ihr Haus im Grunde genommen nie verlassen. Bei der Begegnung mit einer dieser Schwestern im Besucherraum und ihren Antworten an die dortige Besuchergruppe, wurde allen Beteiligten bewusst, wie sehr auch bei diesen Menschen der Ritus im Vordergrund steht – weit entfernt von der eigenen tiefen Erfahrung – die trotz großem Respekt vor dieser Schwester als äußerst „flach“ empfunden wurde.
Ich schreibe keine eigenen Blogartikel und formal andere Sachen mehr, in der dFC,, weil ich zur Kenntnis nehme, dass sich die Zeiten änderten und entweder kein Interesse daran erkennbar ist oder aber, die Abseitigkeit oder eben die gerade nicht tagesaktuelle Thematik, hier wenig Anklang findet.
Herrn Jägers Thema der wieder politisch werdenden, zudem sehr konservativ auftretenden, wachsenden Religionen, weltweit, ist absolut aktuell (Resakralierung oder nicht?). Ebenso deren vermeintlich säkularer Ersatz in Techno- Fantasien der Weltrettung und z.B. im Transhumanismus (Ersatzreligionen).
Warum? Weil es dann nicht mehr darauf ankömmt, die Verhältnisse auf Erden zu ändern, sondern sich auf divers Arten der "Abreise" vorzubereiten.
Warum? Weil die neue Religiosität oftmals erzkonservativ, schöpfungsfeindlich und übrigens auch sehr frauenfeindlich auftritt.
Nicht umsonst hat unser aller Donald T. sowohl der religiös geprägten Pro- life- Bewegung als auch den Evangelikalen der USA versprochen, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch praktisch abzuschaffen
In der Rückschau, konnten meine Beiträge, die sich mit Frauen in der Kultur, in der Literatur, beschäftigen, selten qualifizierte Kommentare produzieren, während ich, z.B., mit einer Meinung oder einem Artikel zum männlichen Obertrampel Trump oder zu Assads und seiner Gegner Giftgasen, eine Vielzahl von mehr oder weniger qualitätsvoller Zu- und Widersprüche "erntete".
Allerdings ist mir das, auf die Dauer zu langweilig.
Helau und nur das Beste
Christoph Leusch
Einverstanden. Nur sehe ich bei mir (sollte ich es bedauern?) keinen Platz für Mystik. Und da fehlt mir nichts.
Auch wenn ich für Sie ein rotes Tuch bin, hier stimme ich mal zu. An dieser Diskussion beteiligen sich nur die üblichen Verdächtigen, es könnte sein, daß der Großteil der Community sich gelangweilt oder genervt abgewandt hat. Aber ist das bei Ihren Blogs anders? Ich fände es problematisch, wenn die Interessen der Community nur auf Thüringen, Hanau, Trump, das Mittelmeer und nicht auch auf allgemeinere Themen wie Religion, Massenpsychologie, usw gerichtet wären. Die Ablehnung solcher Themen wäre Intellektuellenfeindschaft, die Bemängelung des Stils der Auseinandersetzung sollte offensiv in den Thread getragen werden. Also nur zu mit konstruktiver Kritik.
Wenn mir eine persönliche Bemerkung gestattet ist: ich halte meine Rhetorik für Community-angemessen. Ich kommuniziere sehr gern mit sogenannten einfachen Leuten, und versuche dabei situationsadäquat größte Verständigungsmöglichkeit zu erzielen. Solche Gespräche zeigen mir immer wieder, daß die „einfachen“ Menschen intuitiv klüger sind als die meiste veröffentlichte Meinung, und sie stimmen mich zuversichtlich, ohne diese Erfahrung wäre ich vielleicht verbittert oder zynisch. Und die Community gehört auch zu meinen positiven Erfahrungen.
„… die eigentlichen Christen, die dem Gehorsam, der Armut und der Keuchheit leben. Sie sollen dazu dienen, den anderen, den vielen, die zwar Christen heißen, aber nicht wie Christen leben können, immer wieder solche, die es wirklich sind, vor Augen zu führen.“
Das nenne ich den antiemanzipativen Charakter der Religion auf den Begriff gebracht.
"Allerdings ist mir das, auf die Dauer zu langweilig."
Das lässt sich doch leicht überprüfen: entweder man bevorzugt Mannschaftsspiele oder bleibt Einzelkämpfer. Analog die Frage, ob man lieber alleine ist oder in Gesellschaft. Diese digitale Variante bietet beide Möglichkeiten, denke ich mal.
Ansonsten mit: "Die Krise der dFC speist sich aus der dickfelligen und spürbaren Verachtung untereinander und gegenüber der Redaktion." haben Sie meines Erachtens zu dick aufgetragen. Zumindest halte ich "Verachtung" für nicht zutreffend.
Aber der "persönliche" Umgang miteinander (soweit die anonyme digitale Version das qualitativ hergibt) ist sicher verbesserungswürdig. Das liegt sicher auch am Temperament der Beteiligten und an der Intensität, wie eigene Überzeugungen vertreten und darauf reagiert (eingegangen) wird. Und es ist nicht immer leicht, Person und Sache zu trennen.
Einen Wunsch habe ich aber (an alle) und das wäre: "In der Kürze liegt die Würze". Ich möchte also am BS weder Romane noch ganze Bücher lesen. Umso leichter wird das "Konzentrat" dann auch aufgenommen und kann sinnvoll verarbeitet werden. Außerdem ist man dann als Schreiber selbst gezwungen, sich vorher zu strukturieren.
Grüße
Die Botschaft der Evangelikalen, die u.a. auch darum so erfolgreich sind, lautet hingegen, dass in jeder getauften, wiedergetauften und erweckten Person, die Erfolg hat, das Heil und das Kommende schon wirklich wurde. Seit den 1980er Jahren wächst nun der Anspruch, die eigenen, oftmals sehr konservativen Regeln auf die gesamte Gesellschaft zu übertragen und einzufordern.
Die Evangelikalen wurden äußerst politisch, entweder in dem sich ihre zahlreichen "Führer", fast nur Männer, wählen lassen oder aber, sie Kandidaten unterstützen, die sich offen und klar zu ihren Forderungen bekennen oder Wahlversprechen abgeben.
Nebenbei: Viel besser unterrichtete Beobachter des religiösen Aufbruchs vermuten, dass um die Jahrhundertmitte die meisten, dann evangelischen und evangelikalen Christen, in China leben werden. Dort gibt es offiziell anerkannte Strömungen und solche, die staatsunabhängig, streng beäugt und häufig auch repressiv behandelt, deutlichen Zulauf haben.
Beste Grüße
Christoph Leusch
seit engels: "briefe aus dem wuppertal"(märz 1839) wenig neues.
er stellt dort über die herrschende heuchelei fest:
"daß das volk dort nur aus "feinen"(so heißen die mystiker)
und liederlichem gesindel besteht."
"die hauptsache ist immer das verdammen der lieben nächsten."
Ich kann darüber nicht urteilen und halte es im neutralsten Sinne für eine Neigung. Warum mag man Nudeln, Jazz oder Kafka?
Erkenntnistechnisch könnte in der Spiritualität erhebliches Potential liegen, aber man ist gerade erst dabei die ärgsten Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Wenn man erkennt, dass wir tatsächlich eins sind, muss man sich das nicht einreden. Letztlich halte ich das Ich für eine ebenso notwendiges wie zweifelhaftes Konstrukt. Aber da es längst gesellschaftliche Realität ist, kann man es nicht schnell mal eben aushebeln und auch der Erleuchtete muss essen und dabei den richtigen Mund treffen, seinen, wenn er nicht verhungern will.
Also ohne irgendeine Version von Ego geht es nicht, m.E. kann Erleuchtung neben anderem nur eine radikale Herabminderung der Egozentrik sein, nicht in dem Sinne, dass man verwahrlost, sondern in dem Sinne, dass man kein prinzipielles Vorrecht empfindet, privilegiert behandelt zu werden. Eine große Hürde, darum oft mit spitzen Fingern angefasst, spielen die Gipfelerfahrungen, die so authentisch, wie gefährlich sind, weil sie das Ego ungeheuer pushen. Davon loszulassen und sich nicht mit den Gipfelerfahrungen zu identifizieren, sondern mit genau dem, was hier und jetzt ist und von Belang ist, ist der andere Arm. Die Buddhisten reden davon, dass es Weisheit und geschickter Mittel bedarf um zu erkennen und zu behandeln, was von Belang ist.
In der radikalen Akzeptanz, dass zunächst mal jeder dort ist, wo er hingehört (und alles was ist, gut ist) sind Mystiker und Marxisten auf den ersten Blick fundamental getrennt, aber so wie es Vulgärmarxisten gibt, gibt es auch Vulgärspirituelle und das zu überbieten könnte eine interessante Geschichte sein. Die Marxisten wollen zu jenem Punkt hin, von dem die Mystiker in aller Regel behaupten, man sei bereits da. Wenn man die maximalen Unvereinbarkeiten mal genauer anschaut, wird es wirklich interessant.
Es sind zahlreiche Punkte bzw. Aussagen Eckhards, die auf päpstliche Gegenwehr stießen.
Auch in der von Ihnen verlinkten (nahezu unverdaulichen) Predigt steht der Höhepunkt am Ende: … „dass ich und Gott eins sind. … Allhier ist Gott eins mit dem Geiste, und das ist die eigentlichste Armut, die man finden kann.“ (Meister Eckehart, Predigt: Selig sind die Armen im Geiste, http://www.pinselpark.org/philosophie/e/eckehart/predigt/pred_selig.html)
Mechthild Klein schreibt in ihrem Beitrag, „Meister Eckhart - Erfinder der Gelassenheit“, für den Deutschlandfunk: „Eckhart ist nicht wegen dieser Überwindung des Eigenwillens von der Inquisition angeklagt worden. Ihm wurde zum Verhängnis, dass er ziemlich provozierende Thesen verkündet. So spricht er von der Göttlichkeit des Menschen, auch von der Einheit von Gott und Mensch durch Sohnschaft in bestimmten seelischen Prozessen.“ (hier: https://www.deutschlandfunk.de/meister-eckhart-erfinder-der-gelassenheit.2540.de.html?dram:article_id=362909)
Bis heute schließt das Christentum kategorisch aus, dass der Mensch im Sinne Buddhas Erleuchtung „eins mit allem ist“. Erfahrungen von christlichen Mystikern, die diese Einheit auch nur andeuten, wurden und werden zurechtgebogen. Noch immer obsiegt die Einfalt (die einseitige Sichtweise) über die Vielsichtigkeit. Etwas, was inzwischen als immer erbärmlicher erscheint. Joseph Alois Ratzinger ist der Oberhirte katholisch einseitiger Denkweise. Sein treuer Gefolgsmann, Gerhard Ludwig Müller, ist dabei dessen Lehre in Beton zu gießen.
Kurz, ich habe micht in Beiträgen und Kommentaren auch kurz gefasst und in anderen eben nicht. Einen Aufmerksamkeitsunterschied und darauf zuzuführende Unterschiede in den Kommentierung, konnte ich allerdings nicht feststellen, Pleifel.
Wenn Sie aber einmal die Bandstrecke der Kommentare aneinanderlegen, werden Sie leicht erkennen, dass "kurzgefasst" kumuliert und dann wie eine Langstrecke wirkt, auf der meist Aphorismen bekannter und unbekannter Personen und fleißiges "Googeln" zu Markte getragen werden. Dann gibt es noch jene Kommentare, die partout immer das "System", fast alles und jedes und den "Kapitalismus" regelrecht erlegen möchten. - Wenn man schon so umfassend denkt, kann man das nicht in wenigen Sätzen formulieren, schon aus Selbstachtung nicht.
Einige Foristen gehen sogar dazu über, andere darauf hinzuweisen, was sie vor x- Zeit in y- Kommentar verfasst haben, was aber nicht ausreichend zur Kenntnis genommen worden sei.
Einige gehen auch dazu über, Kommentarantworten mit Blog- (Artikel-) Beiträgen gleichzusetzen oder kurzerhand das ganze Thema unter einem Blog zu kapern, von denen es nun schon länger zu wenige gibt (In diese Gefahr geraten wir beide ja jetzt auch, weil dFC, statt Resakralisierung oder Säkularisierung verhandelt wird). Da könnte man doch zumindest wirken, wenn man einer einigermaßen verfahrenen Sache neuen Schwung geben will.
Der Vorwurf der Unstrukturiertheit könnte also allenfalls dF- Artikeln oder dFC- Blogbeiträgen gemacht werden, aber wohl eher nicht Kommentaren, deren Flut, mit oder ohne Qualität, schier unendlich groß ist und sich nur sehr bedingt zurückverfolgen lässt, deren Grad an Spontaneität vielleicht auch ein wenig höher liegen dürfte.
Grüße
Christoph Leusch
"Die Evangelikalen wurden äußerst politisch, entweder in dem sich ihre zahlreichen "Führer", fast nur Männer, wählen lassen oder aber, sie Kandidaten unterstützen, die sich offen und klar zu ihren Forderungen bekennen oder Wahlversprechen abgeben"
In Brasilien ist z.B. eine Pflingstlerpartei wie die rechtsextreme Partido Social Cristão in der Regierungskoalition mit Bolsonaro. In DE gehört übrigens auch der US-Botschafter und von Trump neu ernannter oberster Geheimdienstkoordinator der USA Richard Grenell zu den bekennenden Pfingstlern. Möglicherweise funktioniert die Kontrolle aus Washington über scheinbar neue Gesichter so besser und einfacher als über RKK-Bischöfe, die ja auch nicht als "unbelastet" im Umgang mit Diktatoren auf diesem Kontinent gelten.
„„Mystik“ wird hier radikaler verstanden als religionsgeschichtlicher Weg, als eine Einstellung, die keine übergeordnete Größe mehr über sich duldet, sondern die geheimnisvollen, bildlosen Erfahrungen des Mystikers als die einzig verbindliche letzte Wirklichkeit im Bereich des Religiösen ansieht. Diese Einstellung ist für Buddha ebenso kennzeichnend wie für die großen religiösen Denker der hinduistischen Religionsgruppe, selbst wenn sie so gegensätzlichen Religionen anhangen wie Shankara einerseits und Ramanuja auf der anderen Seite. Sie ist der Weg, der in vielfältigen Abwandlungen den einheitlichen Hintergrund der asiatischen Hochreligionen bildet. Charakteristisch für solche Mystik ist die Identitätserfahrung: Der Mystiker sinkt unter im Ozean des All-Einen, gleich ob dies in betonter theologia negativa als „Nichts“ oder positiv als „Alles“ geschildert wird. In der letzten Stufe solchen Erlebens wird der „Mystiker“ zu seinem Gott nicht mehr sagen „Ich bin Dein“, sondern die Formel lautet „Ich bin Du“. Die Differenz ist zurückgelassen im Vorläufigen, das Endgültige ist die Verschmelzung, die Einheit. „Der absolute Monismus ist die Vollendung des Dualismus, mit dem das fromme Bewusstsein anfängt“, sagt Radhakrishnan.
Diese innere Identitätserfahrung, in der alle Trennung versinkt und zum unwirklichen Schleier für die verborgene Einheit im Grunde aller Dinge wird, ist dann der Grund für die sekundäre Identitätstheologie, von der vorhin eingehend die Rede war, in der alle die verschiedenen Religionen, eben weil sie verschieden sind, der Welt des Vorläufigen zugewiesen werden, in der der Schein der Trennung noch das Geheimnis der Identität entdeckt. Die dem Abendländer heute so sympathische Gleichsetzung aller Religionen enthüllt hier ihre dogmatische Voraussetzung, die in der behaupteten Identität von Gott und Welt, von Seelengrund und Gottheit liegt. Zugleich wird sichtbar, warum für asiatische Religiosität die Person kein Letztes und Gott selber daher nicht personal gefasst ist: Die Person, das Gegenüber von Ich und Du, gehört der Welt der Trennung an; auch die Grenze, die Ich und Du scheidet, versinkt, enthüllt sich als vorläufig in der All-Eins-Erfahrung des Mystikers.“ (Joseph Ratzinger, „Glauben, Wahrheit, Toleranz“, Herder 2003)
Ist doch gar nicht schlecht, oder?
In dem Buch stellt er auch dar, dass das Christentum weder starr ist und ist sich klar darüber, dass es ein aus allerlei Amalgam darstellt.
Aber es stimmt schon, dass besonders das Christentum Schweirigkeiten mit seinen Mystikern, bis in die Gegenwart hat. Die Gottessohnschaft ist nur einmalig vergeben worden und alles Wesentliche wurde von diesem erledigt.
So ist es, Qbz.
Der gegenwärtige US-Präsident und seine wichtigsten Berater, auch jene die schon wieder ausgeschieden sind, aus der Regierung (kleiner Scherz), haben den Evangelikalen und der religiös geprägten Pro- life Bewegung große Versprechen gemacht, die zum Ende einer zweiten Amtszeit in erfüllt sein sollen.
In den Augen der Evangelikalen, waren die USA noch nie so sehr im Heil, wie mit diesem Präsidenten: Frauen, Schwule, nicht Krankenversicherte oder "Obamacare"- Nutzer, Sozialleistungsempfänger, Migranten, Minderheiten und Nicht- Weiße, stellen die Leid- und Kreuztragenden, auf die es aber im "wahren Glauben" und im weißen Amerika weniger ankommt.
Trump und Bolsonaro gelten als Auserwählte, denen sogar kriminelles Verhalten, "Misdemeanor " ("Grap them by the pussy") oder Wirtschaftskriminalität, als private Sünden, vergeben werden.
Trotzdem Helau
Christoph Leusch
PS: Zu den brasilianischen "Pfingstlern". Es gibt auch welche mit Einfluss in der ehemaligen sozialistischen Regierungspartei und bei deren Partnern.
Grund in Brasilien: Die Verfassung des Landes begünstig eine extreme Zersplitterung des Parteiensystems mit 24-29 Parteien im Parlament, die, um überhaupt Mehrheiten bilden zu können, sich zu sogenannten "Bänken", sehr lose Kooperationen, zusammenfinden.
"Ist doch gar nicht schlecht, oder?"
Die Darstellung ist interessanterweise sehr genau. Aber, ohne das Buch selber zu kennen, fehlt hier natürlich der Teil, in dem Ratzinger dies dann als eine der vielen Relativierungen beschreiben wird, als hohe Wellen im Ozean der Welt, denen das kleine Schiff des wahren Glaubens an den dreifaltigen Gott und die Auferstehung Jesus Christus stets ausgesetzt ist. Dieser Relativität lässt sich nur durch den ungetrübten – von ihm in vielen Bereichen beschriebenen - Glauben entgehen.
Ratzinger ist zu klug, um Vielschichtigkeit zu verneinen, aber er ist theologisch viel zu einseitig unterwegs, um aus der Vorstellung vom „Ozean des All-Einen“ auch nur ein Jota Inspiration mit spürbarer Auswirkung auf seine Theologie zu ziehen. Ratzinger warnt stets vor den Gefahren des Relativen, das er automatisch im Nicht-Glauben an den „katholischen Gott“ erkennt. Er käme selber niemals auch nur in die Nähe der Idee, dass er im „Spiel des Ganzen“ mit seiner verbissen kleinkarierten theologischen Sicht, selber der Inbegriff des Relativen ist. Ratzinger ist genau das, wovor er selber immer warnt.
Ohne jetzt die neu publizierten Habermas Werke gelesen zu haben, scheint mir ziemlich eindeutig zu sein, dass zunächst die praktizierten sakralen Handlungen der Christen in den 7 Sakramenten von Augustinus und Thomas von Aquin zusammengefasst oder kanonisiert wurden. Mit der Reformation und in der Neuzeit fand dann eine gewisse Entsakralisierung statt, die neben dem Abendmahl auch andere Sakramente (wie die Ehe z.B.) veränderte, und die Kirchen unterscheiden sich heute von RKK über Evangelische bis Evangelika in ihrer Auffassung über sakrale Handlungen, von zentral bis nichtvorkommend, vom passiven Empfänger der Sakramente bis selbstermächtigt.
Als ein tieferer Grund für diese Entwicklung werden ja oft die "Individualisierungstendenzen" im Kapitalismus angeführt. Insofern scheinen mir die älteren Kirchen mit ihren kanonisierten Ideen als Herrschaftstechnik möglicherweise weniger gut geeignet wie die alt-neuen Evangelikalen und Pfingstler, mit denen die in den USA verankerten Zentralen gerade in Afrika und Lateinamerika expandieren.
Welchen Umfang sinnerhalb des heutigen Christenvolkes die Verschiebungen haben, ist für mich eher spekulativ, solange keine ausreichenden empirischen Zahlen vorliegen. Auf jeden Fall leben IMHO die einen hauptsächlich von der Religionszugehörigkeit per sozialer, familärer Vererbung und die Neuen von der Konversion im Erwachsenenalter, was die Etablierten gerne eingrenzen möchten.
So weit ich das erinnere ist er einfach der richtigen Meinung, dass Mystik keine Massenbewegung ist, noch sein wird.
Ich habe bei Ratzinger zuerst die Entgegnung gelesen, dass der Pluralismus nicht wirklich pluralistisch ist, wenn er bestimmte Stimmen ausschließt. Eng auf das Thema Religion (also in meiner Definition: Glaube, statt eigener Erfahrung) bezogen, glaube ich, dass ein zu weit gefasster Pluralismus/Relativismus insofern problematisch ist, als er die Heilskraft der Religion (die vom Mythos und daraus abgeleiteten Geboten und Verboten lebt) unterminiert, wenn er diverse Regligionsfragmente nach Belieben zusammenstellt.
Man könnte auf die Idee kommen, dass die Rosinenpickerei, die Religion(en) in den Dienst des Ich stellen könnte, was ein an sich belangloses Spiel wäre, wenn man sich von den Religionen aber tatsächlich was verspricht, wo soll das erlösende Wort herkommen, wenn man sich niemals jemandem unterwirft?
Muss man nicht, nur ist die Erlösungskraft dann flöten, wenn man das Phänomen psychologisch ausdeutet.
Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., hat am 18.4.2005 zum Beginn des Konklaves – der Kardinals-Versammlung zur Wahl des Papstes, bei der er dann selber zum neuen Papst gewählt wurde – in seiner Funktion als Dekan eine viel beachtete Predigt im Petersdom gehalten. Im Folgenden ein Auszug aus dem Redetext, dessen Inhalt – vor allem in seiner Authentizität – sehr wichtig und geradezu von historischem Wert für das Verständnis seiner Theologie ist und deshalb auch in dieser Länge im Original gebracht wird: „Wie viele widerstreitende Meinungen haben wir in den letzten Jahrzehnten kennen gelernt, wie viele ideologische Strömungen, wie viele Denkweisen… Das kleine Boot des Denkens vieler Christen wurde nicht selten von solchen Wellen hin und her geworfen, von einem Extrem zum anderen: vom Marxismus zum Liberalismus und dann bis zum ungezügelten Freiheitsdrang; vom Kollektivismus zum radikalen Individualismus; vom Atheismus zu einem vagen religiösen Mystizismus; vom Agnostizismus zum Synkretismus und so fort... Jeden Tag entstehen neue Sekten, und es geschieht genau das, was der heilige Paulus über »den Betrug der Menschen« sagt, über »die Verschlagenheit, die in die Irre führt« (vgl. Eph 4,14). Einen eindeutigen Glauben zu besitzen, wie es dem Glaubensbekenntnis der Kirche entspricht, wird oft als Fundamentalismus bezeichnet, während der Relativismus, also dieses Hin-und-her-Getrieben-Sein vom Widerstreit der Meinungen, als einzige Einstellung erscheint, die auf der Höhe der heutigen Zeit ist. Es begründet sich eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und die als letztes Maß nur das eigene Ich und seinen Willen gelten lässt. Wir aber haben einen anderen Maßstab: den Sohn Gottes, den wahren Menschen. Er ist der Maßstab für den wahren Humanismus. … Und es ist dieser Glaube – nur der Glaube –, der Einheit stiftet und sich in der Liebe verwirklicht.“ (Auszug aus der Predigt von Joseph Kardinal Ratzinger in der Messe „Zur Wahl des Papstes“, Zenit.org.de, 18.4.2015)
In seiner Amtszeit als Papst spielte der von ihm geprägte Begriff „Diktatur des Relativismus“ eine zentrale inhaltliche Rolle, insofern, als dass Benedikt XVI. sehr viel unternahm, dem ein völlig unmissverständliches Glaubensbekenntnis des römischen Katholizismus entgegenzusetzen: „Diese Freundschaft [mit Christus] ist es, die uns allem öffnet, was gut ist, und die uns den Anhaltspunkt liefert, um zwischen wahr und falsch, zwischen Betrug und Wahrheit, unterscheiden zu können.“, so ebenfalls in der oben erwähnten Predigt.
Das ist m.E. eine der starken Seiten der Religionen, im Bezug auf die Gesellschaft. Sie vermag Orientierung zu geben. Dies kann allerdings auch dazu führen, dass man das eigene Denken aufgibt, hier hat uns Kant dann ermahnt, in seiner Schrift "Was ist Aufklärung?"
Ein paar Jahrhunderte davor sagte allerdings schon Meister Eckhart in aller wünschenswerten Klarheit:
"Zum ersten sagen wir, daß der ein armer Mensch sei, der nichts will. Diesen Sinn verstehen manche Leute nicht richtig: es sind jene Leute, die in Bußübung und äußerlicher Übung an ihrem selbstischen Ich festhalten, was diese Leute jedoch für groß erachten. Erbarm's Gott, daß solche Leute so wenig von der göttlichen Wahrheit erkennen! Diese Menschen heißen heilig auf Grund des äußeren Anscheins, aber von innen sind sie Esel, denn sie erfassen nicht den eigentlichen Sinn göttlicher Wahrheit. Diese Menschen sagen zwar, das sei ein armer Mensch, der nichts will. Sie deuten das aber so: daß der Mensch so leben müsse, daß er seinen Willen nimmermehr in irgend etwas erfülle, daß er danach trachten solle, den allerliebsten Willen Gottes zu erfüllen. Diese Menschen sind wohl daran, denn ihre Meinung ist gut; darum wollen wir sie loben. Gott möge ihnen in seiner Barmherzigkeit das Himmelreich schenken. Ich aber sage bei der göttlichen Wahrheit, daß diese Menschen keine armen Menschen sind noch armen Menschen ähnlich. Sie werden als groß angesehen in den Augen der Leute, die nichts Besseres wissen. Doch ich sage, daß sie Esel sind, die nichts von göttlicher Wahrheit verstehen. Wegen ihrer guten Absicht mögen sie das Himmelreich erlangen; aber von der Armut, von der ich jetzt sprechen will, davon wissen sie nichts." (Quelle)
Um die Wahrheit darf und muss also gestritten werden. Den Mythos - auch wenn man sich auf ihn bezieht - kann man also interpretieren, man muss ihn sogar interpretieren. Das bringt Musik rein, aber gleichzeitig auch ein Ringen um die Deutungshoheit. Vielleicht gar nicht schlecht, dass es eine halbwegs zentrale Stimme gibt und nicht jeder Hinterhofverein seine Deutung präsentiert.
Aber natürlich treibt genau diese Trägheit auch viele in den Wahnsinn. Wie löst man's auf, so dass der Katholizismus nicht einfach die nächste beliebige Spaßveranstalung wird - ist die Öffnung ins Weltliche den Evangelen gut bekommen? Ich weiß es nicht - aber eben auch nicht in uralten Dogmatismen erstarrt?
An Moorleiche
„Wie löst man's auf, so dass der Katholizismus nicht einfach die nächste beliebige Spaßveranstaltung wird …?“
Das ist eine Frage, deren genauere Antwort den Rahmen hier völlig sprengen würde, deshalb nur eine ganz kurze Antwort: Die Konzentration auf das Wesentliche ist aus meiner Sicht der einzig gangbare Weg und der Beginn einer Neuorientierung.
Also evangelisch werden? Oder fundamentalistisch im Sinne wortwörtlicher Auslegung? Da kann man ja nun viel drunter verstehen, geklärt werden soll es ja auch im Bezug auf die lateinamerikanische Situation.
Mal etwas länger.
"Die Konzentration auf das Wesentliche ist aus meiner Sicht der einzig gangbare Weg und der Beginn einer Neuorientierung."
Ich stelle jetzt sicher nicht die Frage: Was ist denn das Wesentliche? Aber Haltelinien, Krückstöcke oder auch wie immer die äußeren "Medikationen" dargeboten werden, sind es zumindest nicht.
Unbestreitbar haben die monotheistischen Religionen ihren prägenden Einfluss auf zumindest die westliche Zivilisation ausgeübt und es hat auch die heutigen Wertevorstellungen beinflusst. Das aber ist nun keine Grund, aufgrund dieser für mich menschlichen Vorstellungen (Ursprünge), die in einen oder mehreren Gründungsmythen eingeflossen sind (theologisiert wurden), nun dieser Idee (Anspruch) eine ständige, fortführende Erzählung zu machen, die dann nicht mehr als Erzählung wahrgenommen wird, sondern immer noch (oder schon wieder) als Ausdruck außerweltlicher Kräfte (Mächte) geglaubt wird.
Erstaunlich doch vor allem, weil hier je "Antiker", desto glaubwürdiger der Fall zu sein scheint. Nun haben sich über Jahrhunderte große Denker damit herumgeschlagen und auch einige neuzeitliche kommen wohl nicht darum herum, das Thema wenigstens zu streifen. Und wenn das doch schon so ist, muss es wohl auch glaubwürdig sein, oder?
Wissenschaftlich würde ich es so auslegen. Mit Einstein wurde Newton nicht widerlegt, sondern seine für nichtrelativistische Geschwindigkeiten entwickelten Formeln sind weiterhin gültig, aber sie wurden zum Spezialfall! Nun mögen die einen weiter im "Speziallfall" (Alltag) ihre Befriedigung finden, während es für die anderen nicht hinreichend ist. Aber in beiden Fällen sollte klar sein, dass es sich nur um vorläufige "Wahrheiten" handelt, also sich im menschlichen Bereich der Ungewissheit verbleibt.
Das wiederum können zumindest nicht die unter dem "Spezialfall" befindlichen Glaubenden akzeptieren und deshalb auch die nie endenden Diskussionen darüber. Die darüber hinaus gegangenen "brauchen" das aber nun wirklich nicht mehr.
Sie schrieben: "Ich für meinen Teil weise aufgrund meinen ureigenen ganz unterschiedlichen Lebenserfahrungen darauf hin, dass es nach meiner Auffassung auch jenseits unseres menschlichen Denkvermögens noch eine viel umfassendere Wirklichkeit gibt."
Diese "viel umfassendere Wirklichkeit" befindet sich bereits im Diesseits, da unsere Wahrnehmungsfähigkeit evolutionär nur soweit entwickelt wurde, wie es dem bisherigen Stand entspricht. So haben wir absolut keine konkrete Vorstellung davon, was z.B. die Innenwelt der Buckelwale betrifft, wenn sie sich senkrecht im Wasser positionieren und stundenlange Gesänge von sich geben. Wobei die Wssenschaftler zumindest herausgefunden haben, dass es von Saison zu Saison unterschiedliche "Hits" gibt. Nur ein kleines Beispiel von vielen.
Unsere Ursprungsfrage und zwar die nach dem Sinn des Lebens, kann nicht endgültig beantwortet werden. Warum nicht? Abgesehen von der fraglichen Allgemeingültigkeit einer Antwort (die jeden überzeugt), dürfte es einfach daran liegen, dass sie kein Mensch abschließend geben kann. Und da diese "Antworten" immer über Menschen gegeben werden, wird das auch so bleiben.
Hatte schriftlichen Kontakt mit Eben Alexander (Neurochirurg) in den USA, der in "Proof of Heaven" seine Erlebnisse nach seinem quasi Gehirntod schildert. Was mir noch einleuchtet, wäre die sprachliche Unfähigkeit auszudrücken, was sich jeder Sinneserfahrung entzieht, also den menschlichen Sinnen überhaupt nicht zugänglich ist (als Fähigkeit!). Was aber nicht überzeugen kann, ist die "Unfähigkeit", dass er dann nichts, aber auch gar nichts Außergewöhnliches einbringen kann, was bisher also noch nicht gedacht wurde. Also zumindest ein Hinweis auf etwas, was sich eben Alexander nicht träumen kann und auch nicht "irdisch" aufgenommen haben konnte. Nichts von alledem, nur schöne Worte (Ausflüchte) in der Art, "dass er noch daran arbeite". Da hatte es der "ungläubige Thomas" wirklich einfacher, jedenfalls eine schöne Erzählung.
Nochmal zurück zum Anfang: Das Wesentliche bleibt die Ungewissheit und das ist die Gemeinsamkeit aller. Aber das wird bestritten werden und das ist wiederum gewiss! :-)
Moorleiche: „Also evangelisch werden? Oder fundamentalistisch im Sinne wortwörtlicher Auslegung?“
Um Gottes Willen! Auf welch verschrobene Ideen kommen Sie (mal wieder) zu später Stunde?
Das Verhältnis vom Wesentlichen zum Fundamentalismus ist in etwa so, wie das von lebenserhaltender Nahrung zum stinkenden Exkrement.
Die Menschheit kann sich das (meist von Besessenen) Vor-Verdaute, also das immerwährend Trennende, (um es in seiner vollen Hässlichkeit auf den Punkt zu bringen:) „die alles vergiftende Scheiße“ (egal bei welcher Religion), nun wirklich nicht mehr leisten. Wer sich daher all zu sehr mit dem Sakralen beschäftigt, läuft Gefahr, aus diesem Gefängnis immer noch nicht rauszukommen.
Ich dachte, ich hätte oben bereits mehrfach angedeutet, wo ich das Wesentliche (zumindest aus meiner begrenzten Sicht) verorte.
Ich für meinen Teil jedenfalls suche die einseitige katholische Orientierung eines Joseph Alois Ratzinger aus Marktl am Inn sicherlich nicht, aber auch nicht die der evangelischen Kirche oder all der irrlichternden religiösen "Halleluja-Doller-Sekten".
Wohin uns jedweder Fundamentalismus gebracht hat, lässt sich 2020 ausgiebig besichtigen. Wenn schon Trump und Konsorten als Auserwählte gelten, dann ist der Kompass nicht nur irgendwie kaputt, sondern ganz bewusst manipuliert. Da schwillt selbst mir (temporär) der religiöse Kamm, wenn man derartig charakterlich verkommene Subjekte auch nur in die Nähe des Religiösen bringt. Die abgrundtiefe Verblödung solch „ideologisch versiffter“ (= Retourkutsche), also besessener Menschen scheint grenzenlos zu sein. Es bedarf dringend eines Gegengewichts - jenseits intellektueller Schönschwätzerei!
In der geistigen Evolution ist zweifelsohne vor allem auch im Zusammenhang mit der spirituellen Sehnsucht des Menschen ein neues Kapitel angesagt. Wir (= alle daran interessierte und emotional-kognitiv dazu fähige Menschen) sollten es (mit ernsthafter und wahrhaftiger Intention) gemeinsam aufschlagen.
„Um Gottes Willen! Auf welch verschrobene Ideen kommen Sie (mal wieder) zu später Stunde?“
Ich schon wieder. Sie wollen doch nicht, dass ich alles auf mich beziehen. Dann bleiben Sie doch einfach sachlich und beziehen sich nicht auf mich als Person, ich könnte das sonst wieder als auf mich als Person bezogen missverstehen.
„Wer sich daher all zu sehr mit dem Sakralen beschäftigt, läuft Gefahr, aus diesem Gefängnis immer noch nicht rauszukommen.“
Was meinen Sie denn, wenn Sie vom Sakralen reden?
„Ich dachte, ich hätte oben bereits mehrfach angedeutet, wo ich das Wesentliche (zumindest aus meiner begrenzten Sicht) verorte.“
Manchmal sind klare Aussagen besser als Andeutungen. Mir ist bislang vollkommen unklar, was Sie (mir/anderen) eigentlich sagen wollen. Sie schreiben sehr viel, ich kann aber nicht nachvollziehen, was Sie damit bezwecken möchten.
„In der geistigen Evolution ist zweifelsohne vor allem auch im Zusammenhang mit der spirituellen Sehnsucht des Menschen ein neues Kapitel angesagt. Wir (= alle daran interessierte und emotional-kognitiv dazu fähige Menschen) sollten es (mit ernsthafter und wahrhaftiger Intention) gemeinsam aufschlagen.“
Und das Sakrale steht in welchem Verhältnis dazu? Dass irgendwas neu und anders werden wird und wohl werden muss, d'accord. Aber welche Rolle spielt nun das Wesentliche, über das Sie sich ausschweigen, was soll das sein, wie soll es gelebt werden und macht man mit der Koalition mit einem sehr rechten Denken, bzw. wie verhindert man, dass sich das weiter ausbildet? Gehört es wesentlich zur Religion, oder koalieren bestimmte Strömungen der Regligion(en) mit bestimmten reaktionären Tendenzuuen und wäre grundsätzlich auch anderes denkbar?
Bedauerlicherweise viel zu lang, aber nicht vermeidbar.
pleifel: »Diese "viel umfassendere Wirklichkeit" befindet sich bereits im Diesseits, da unsere Wahrnehmungsfähigkeit evolutionär nur soweit entwickelt wurde, wie es dem bisherigen Stand entspricht.«
Zutreffend ist, dass der Mensch jeweils nur über eine Art „Fensterwahrnehmung“ verfügt, die er allerdings inzwischen durch Technik extrem erweitern kann. Aber hinter der Wahrnehmungsgrenze geht es definitiv weiter, sonst ließe sich die Grenze nicht immer wieder vergrößern.
Sollten Sie den Begriff der Wirklichkeit stets nur auf das vom Menschen Wahrnehmbare beziehen, so kann man das tun. Ich benutze den Begriff der Allwirklichkeit für die alles umfassende Wirklichkeit – auch jenseits des aktuellen Fensters, auch die spirituelle Sphäre umfassend.
Verehrter Pleifel, sie haben mich mit Ihren mehr als beachtenswerten Ausführungen um den Schlaf gebracht, treffen Sie doch „wesentliche“ Aspekte sehr exakt. Vielen Dank für Ihre gewohnt sehr bereichernde Sicht (wie gewohnt, jenseits jedweder angedichteter Schaumschlägerei)!
Ich bin mir bewusst, wie regelrecht qualvoll es vor allem für sehr viele durch monotheistische Religionen geprägte Menschen sein muss, sogar im Zuge herzerfüllter, besonnener und absolut ernsthafter Wahrhaftigkeit religiöse Erzählungen als solche zu erkennen und einzuordnen. Es geht nicht darum, Menschen von ihrem tiefen (!) Glauben abzubringen, sondern darum, diesen durch tiefe Gewissheit zu fundieren. Das wäre genau das, was mit der Konzentration auf „das Wesentliche“ (zumindest aus meiner Sicht) auf Dauer bewirkt werden könnte.
Bitte erlauben Sie mir dieses Beispiel: Der „ungläubige Thomas“ bleibt (aus intellektueller Sicht zurecht) so lange der ungläubige Thomas, so lange er selber keine (innere) Gewissheit erfährt. Solange man „davor“ stehen bleibt, solange muss man gar nichts glauben, solange kann man aber sehr wohl seine eigene diesbezügliche Begrenzung erkennen, anerkennen und vielleicht sogar versuchen, mit allerdings den geeigneten Mitteln (z. B. durch Meditation), an diesem Zustand etwas zu verändern.
Beispiel: Solange man selber noch nie koreanisches Kimchi probiert hat (Achtung: Es gibt viele verschiedene Sorten und Reifegrade), solange hilft auch die genaueste Wahrnehmung und Beschreibung anderer nicht wirklich weiter. Die Aussage, dass dieses äußerst gesunde Lebensmittel ein wenig ähnlich wie rohes deutsches Sauerkraut schmeckt (weshalb rohes Sauerkraut für einige Koreaner in Deutschland als temporärer Kimchi-Ersatz genommen wird), hilft einem nicht weiter. Man muss es schon selber probieren, um zu einem eigene (sicherlich subjektiven) Eindruck zu gelangen (Achtung: Es braucht Eingewöhnungszeit und hilfreiche Hinweise bezüglich Reifegrad und Sorte. Ein mitfühlender Koreaner würde beim ersten Mal sicherlich kein all zu saures und all zu scharfes Kimchi anbieten). Ohne diese eigene Erfahrung, kann man sich in Bezug auf koreanisches Kimchi immer nur im Bereich des Spekulativen (Ungewissen) bewegen. Mit allem anderen ist das genauso.
Deshalb habe ich mit Ihrem Fazit, „Das Wesentliche bleibt die Ungewissheit und das ist die Gemeinsamkeit aller“ [Ergänzung: … Menschen ohne eigene Gewissheit], überhaupt kein Problem, bis auf das „aller“, das ich durch meine Anmerkung konkretisiert habe. Natürlich haben Sie in Bezug auf die meisten Menschen Recht.
Dennoch, betrachtet man sowohl tabulos als auch kritisch die zahllosen „Allwirklichkeits-Zeugnisse“ (mystische Erfahrungen und nicht all die religiösen Erzählungen und all „das sakrale Gedöns“ – s. o.) aus nahezu allen Kulturen, berücksichtigt man die vielen Berichte über Sterbende, die Berichte von Menschen mit Erfahrungen in Todesnähe und nimmt man auch einzelne wissenschaftlich begleitete Drogenerlebnisse (s. z. B. Stanislav Grof) zumindest zur Kenntnis, so lassen sich wegweisende Parallelen erkennen, die man aufgrund eigener Nicht-Gewissheit nicht automatisch von der Hand weisen sollte. Mich jedenfalls spornen alle diese Erfahrungen an, selber nachzugucken, ohne mich in irgendeinem Kult verrennen zu wollen.
Ihre Ausführungen zu Eben Alexander - dessen Buch ich nicht selber gelesen, wohl aber durch Dritte zur Kenntnis genommen und einen Vortrag von ihm auf DVD gesehen habe – sind sehr interessant, auch ihr diesbezüglicher Kontakt. Mit dieser Thematik beschäftige ich mich - in verschiedenen Lebensphasen teilweise auch intensiver – seit mehr als 45 Jahren. Ich kenne also viele solcher Beispiele. Ebens blumige Beschreibungen haben mich übrigens nicht besonders angesprochen. Interessant ist allerdings die Tatsache, dass er ein Neurochirurg ist und seine Erfahrungen wohl innerhalb des gemessenen Gehirnstillstands erfolgten. Diesbezüglich gibt es nur wenige andere Beispiele.
pleifel: „Was aber nicht überzeugen kann, ist die "Unfähigkeit", dass er dann nichts, aber auch gar nichts Außergewöhnliches einbringen kann, was bisher also noch nicht gedacht wurde.“
Wenn es eine Gemeinsamkeit gibt, die alle Menschen mit mystischen oder außergewöhnlichen, transzendenten Erfahrungen verbindet, dann ist es die Feststellung, dass diese Erfahrungen in unser hiesigen Wirklichkeit in keiner Weise angemessen vermittelbar bzw. nachvollziehbar sind. Darin unterscheidet sich der christliche Mystiker nicht vom Zen-Buddhisten oder vom atheistischen Dachdecker mit einer Nahtoderfahrung. Da kann ein Eben Alexander noch so lange er will daran arbeiten (Was ist das denn für eine seltsame Äußerung), es wird ihm nicht gelingen.
Ich halte es da mit Hermann Hesse, der Siddharta zu Govinda sagen lässt: „Weisheit ist nicht mitteilbar. Weisheit, welche ein Weiser mitzuteilen versucht, klingt immer wie Narrheit. … Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. … Eine Wahrheit lässt sich immer nur aussprechen und in Worte hüllen wenn sie einseitig ist. Einseitig ist alles, was mit Gedanken gedacht und mit Worten gesagt werden kann, alles Einseitig, alles halb, alles entbehrt der Ganzheit, des Runden, der Einheit.“ („Siddhartha“, Gesammelte Werke Bd. 5, 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1987, S. 462)
Mich inspirieren verschiedene Erfahrungen der Menschen mit Nahtoderfahrungen. Sie kommen in zwar subjektiver Ausprägung, aber ähnlichen Zentralaussagen immer mal wieder (bei religiösen und nicht religiösen Menschen weltweit) vor. Zum Beispiel, dass man beim „Lebensfilm“, bei dem man sein Tun selber beurteilt, wichtige Ereignisse seines Lebens auch aus der Perspektive seiner Gegenüber wahrnimmt, dass die Erkenntnis reift, das Fehler grundsätzlich kein Problem darstellen, wohl aber wenn man nicht aus ihnen lernt und sie ständig wiederholt. Als Hauptmaßstab für angemessenes und unangemessenes Handeln stößt man auf die Fragestellung, ob man im Sinne der Liebe gehandelt hat oder nicht. Im Zusammenhang (jenseits des Tunnels) mit äußerst intensiver Erfahrung von Licht, dem man sich gerne immer weiter nähern möchte, aber zu diesem Zeitpunkt davon „zurückgehalten“ wird, wird von einem Zustand berichtet, in dem alle Fragen – auch die Sinnfrage – längst beantwortet sind, sich derartige Fragen also erst gar nicht mehr stellen. ... Später zurück in der hiesigen Wirklichkeit ist von dieser „Schau“ der Dinge erkenntnismäßig vermittelbar nichts mehr vorhanden, für viele aber die Gewissheit, dass es eine solche gibt. Für manche fühlt es sich an, als trügen Sie tief in sich „ein Schatzkästchen“ gefüllt mit diesen Erfahrungen. Für fast alle von ihnen hat der Tod seinen Schrecken verloren.
Für mich stellen derartige Berichte sehr wohl etwas Außergewöhnliches dar. Für mich strahlen Sie Inspiration für mein hiesiges Leben aus, zumal die Ähnlichkeit der Inhalte mit den Aussagen zahlreicher Mystiker oder spiritueller Lehrer auf der Hand liegen.
Mein Fazit aus alledem ist, ich möchte in mir selber nachsehen, da ich auf Drogen in meinem Alter keinen Bock mehr habe und auf Nahtoderfahrungen noch möglichst lange verzichten möchte. Ob mir das Gewahrwerden meines „inneren Schatzkästchens“ gelingt, steht auf einem anderen Blatt. Aber alleine schon die ureigene Bemühung ist (zumindest phasenweise) beglückend und vertieft Schritt für Schritt spürbar die eigene Gewissheit.
„Prozess begleitend“ halte ich es z. B. mit dem Dalai Lama, nach dem alle Religionen (im Kern) eine Botschaft von Liebe, Mitgefühl, Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit lehren. Von Liebe und Mitgefühl motiviert zu sein, die Rechte der anderen zu respektieren, sei echte Religion.
„Das ist meine einfache Religion. Es braucht keine Tempel und keine komplizierte Philosophie. Der eigene Geist und das eigene Herz sind der Tempel. Und die Philosophie heißt: Einfache Güte und Freundlichkeit. (Dalei Lama, Die Liebe – Quelle des Glücks, Herder 2005, S. 18)
Die christliche Sicht hatte ich oben schon erwähnt: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist die Liebe.“ (Neues Testament, 1 Johannes 4,8)
Das also ist meine Antwort auf die Frage nach dem Wesentlichen: Offenheit für inneres Gewahrwerden und liebevolles Handeln als mein persönlicher Weg zum Heil, als Weg zum Ganzen. Alles, was mich im religiösen Kontext dabei wirklich unterstützt, ist willkommen, alles, was mich davon ablenkt, verdient meine Aufmerksamkeit nicht.
An welchem Punkt könnte die Menscheit sein, wenn die Religionen begännen, sich auf "das Wesentliche", also auf das Verbindende und nicht auf das Trennende, zu konzentrieren. Zumindest das von Menschen benannte Sakrale (s. Duden-Erklärung oben), birgt die Gefahr der Trennung. Damit sollte endlich Schluss sein (s. Dalai Lama).
s.o.
Persönliche Anmerkung: Ihre Humorlosigkeit und Verbissenheit neuerdings geht mir (unchristlich audgedrückt) gehörig auf den Sack!
Die Länge haben Sie aber locker übertroffen, danke für ihre Ausführungen. Falls Sie aber "um den Schlaf gebracht werden", werde ich mich zukünftig zurückhalten. :-)
Menschen können mit "Wahrhaftigkeit" Dinge sagen, die sich im Nachhinein als Täuschung herausstellen. Menschliche Wahrnehmung ist der Täuschung (einseitige Wahrnehmunsgsperspektive) immer ausgesetzt. Deshalb ist die kritische Position den ungewöhnlichen Ereignissen gegenüber immer die unter Vorbehalt. Um es so zu formulieren: je grandioser, desto unwahrscheinlicher.
Ich bin mystischen Vorkommnissen gegenüber durchaus aufgeschlossen, aber darüber lässt sich von der äußeren Welt heraus leider nichts sagen. Und, einem farbblind Geborenen verhilft keine Schwärmerei über diese zu einem Lebensgewinn.
Um ihr Beispiel mit dem "koreanisches Kimchi" aufzugreifen, lässt sich geschmacklich eine "innere Gewissheit" verschaffen, in dem ich die Speise "in mich aufnehme", sozusagen geschmacklich seziere. Und falls dieser Geschmack völlig neu ist, kann ich über fehlende Vergleiche leider keine Empfindung in anderen auslösen.
Eines löst bei mir eher Skepsis aus, dass ist die dem für mich der Massenpsychologie (Masse ist ein fieser Begriff!) naheliegenden Phänomene der Gleichartigkeit von geschilderten "Erleuchtungen". Zudem fällt mir auf, das die geschilderten (versuchten Annäherungen) immer absolut kulturell betont sind, sich also auf dem Boden der jeweiligen Sozialisation befinden. Warum ist das so? Und wenn es sich im Allgemeinen auflöst, lässt sich wiederum nicht viel damit anfangen.
Mit der beschränkten Fähigkeit der Wahrnehmung (auch die technisch erweiterte) bleiben wir weiter hinter der Schranke der "Realität", die sich immer über die Verbindung der evolutiven Filter bereits vorinterpretiert als "Bilder" in unserem Inneren auftun. Diese Grenze können wir niemals überschreiten. Und falls etwas über diese Grenze gelangen könnte (wobei Grenze ein bloßer Hilfsbegriff ist), ist es sicher nicht mehr in Bezug zur jetzigen Welt.
Da ich feststelle, z.B. aktuell wieder erfahren vom Philosophen Mark Rowlands (den ich wärmstens empfehlen kann), wie treffend formuliert und neue Blickwinkel eröffnet werden, liegt mein Bemühen weiterhin in der besseren Durchdringung scheinbarer Eindeutigkeiten. Das ist zumindest ein Teil meiner Freizeitbeschäftigung.
Ich fasse es mal so zusammen: aus dem Sachverhalt, nicht zu wissen, woher man kommt (obwohl die Frage möglicherweise unsinnig ist), sich in gewisser Weise selbst ein Rätsel bleibt (warum der Impuls und nicht der usw.), dem Rätsel des Todes (wobei nur vom Sterbeprozess selbst gesprochen werden kann, denn der Tod wird nicht erreicht) und der rätselhaften äußeren Welt, die sich uns durch den Filter der Wahrnehmung darstellt, darob sucht Mensch einen Weg aus dieser gedanklichen Sackgasse.
Aus all diesen Rätseln heraus, die sich vielleicht nur einem Wesen stellt, dessen Wunsch es ist, seiner Nichtigkeit Bedeutung beizumessen, lässt sich nun nicht unbedingt schlüssig argumentieren, "weil das nun so ist, muss auch etwas dran sein". Das ist eine bloße Zirkelargumentation. Descartes war kein einseitiger Skeptiker, aber seine Gedankengänge haben zumindest die Möglichkeit für das Ungewöhnliche geöffnet. Mit anderen Worten: ich bezweifle nicht die Existenz, wohl aber die Interpretationen der vielen Hoffenden, zumindest deren inhaltliche Engführungen, die den menschlichen Schwächen, Wünschen und Machtmissbrauch entsprungen sind.
Eines noch mal zum Bedenken: Unendlichkeit, ewiges Leben, ohne ab und zu mal einen "Reset" zu haben, könnte auf Dauer zur ultimativen Strafe führen. Wenn schon, dann hoffe ich da doch auf geniale Alternativen. Warum wohl begrüßt der Hund (und lässt nicht nach) immer wieder neu den Heimkommenden. Versuchen wir doch mal, ein wenig diese Freude im Alltag bei allen sich wiederholenden Abläufen zu erhalten.
Ich hatte den „Fehler“ gemacht, Ihren späten Kommentar quasi auf dem Bettrand aus Interesse noch im Handy zu lesen. Es war mein und nicht Ihr Fehler. Über Ihre exzellenten Ausführungen habe ich mich gefreut. Gerade deshalb haben sie mich ja beschäftigt.
Ein Kimchi-Kenner kann beim Gegenüber vielleicht keine entsprechenden Empfindungen auslösen, wohl aber darauf hinweisen, dass dieses nicht nur sehr gesund sondern durchaus auch genießbar ist. Was der andere mit diesem Wissen dann macht, bleibt natürlich ihm überlassen.
Der Begriff der Wahrhaftigkeit, den ich in meinem Kommentar wohl unscharf und an nicht wirklich passender Stelle benutzt habe, beinhaltet im Kern, dass man von einem Streben nach Wahrheit erfüllt ist, was grundsätzlich eine sehr positive Haltung ist, die nach meinem Verständnis wiederum das fortgesetzte tabulose Hinterfragen der eigenen Sicht beinhalten muss.
Was die Gleichartigkeit von geschilderten Erfahrungen anbetrifft, so meint das auf keinen Fall identische Erfahrungen, sondern eher ähnliche Elemente (Aspekte, Strukturen etc.) in subjektiv ausgeprägten Erfahrungen - oft auch bezüglich Reihenfolge und Intensität. Würden Außerirdische aus allen Ecken der Welt insgesamt 10 Menschen mitnehmen, so enthielten deren Berichte über das Leben auf der Erde eingebettet in sehr subjektive Berichte auch eine Vielzahl an Gemeinsamkeiten.
pleifel: „Diese Grenze können wir niemals überschreiten.“
Mit den hiesigen, bisher bekannten Wahrnehmungsmöglichkeiten sicher nicht. Demgegenüber stehen allerdings die Aussagen sogenannter „Allwirklichkeitszeugen“, dass es bei der „inneren Schau“ genau darum gehen soll.
Beispiel: Hildegard von Bingen, christliche Mystikerin, (1098-1179):
"Von meiner Kindheit an erfreue ich mich der Gabe dieser Schau in meiner Seele bis zur gegenwärtigen Stunde, wo ich doch schon mehr als siebzig Jahre alt bin. Und meine Seele steigt - wie Gott will - in dieser Schau empor bis in die Höhe des Firmaments. Ich sehe diese Dinge aber nicht mit meinen äußeren Augen und höre sie nicht mit äußeren Ohren, auch nehme ich sie nicht mit den Gedanken meines Herzens wahr noch durch irgendeine Vermittlung meiner fünf Sinne. Ich sehe sie vielmehr einzig in meiner Seele, mit offenen leiblichen Augen, so dass ich dabei niemals die Bewusstlosigkeit einer Ekstase erleide, sondern wachend schaue ich dies bei Tag und bei Nacht. Das Licht, das ich schaue, ist nicht an den Raum gebunden. Es ist viel lichter als eine Wolke, die die Sonne in sich trägt. Und wie die Sonne, Mond und Sterne in Wassern sich spiegeln, so leuchten mir Schriften Reden, Kräfte und gewisse Werke der Menschen in ihm auf. In diesem Licht sehe ich zuweilen, aber nicht oft, ein anderes Licht, das mir das Lebendige Licht genannt wird. Wann und wie ich es schaue kann ich nicht sagen. Aber solange ich es sehe, wird alle Traurigkeit und alle Angst von mir genommen, so dass ich mich wie ein einfaches junges Mädchen fühle und nicht wie eine alte Frau." (aus: Josef Sudbrack, Mystik, Stuttgart 1988, S. 47f)
Liebe Magda, ich war in den letzten beiden Tagen nur unterwegs, deshalb jetzt erst meine Antwort. „Und eine Belehrung, die ich nicht vergessen habe“, schreiben Sie. Ich glaube, Sie bräuchten diese angebliche „Belehrung“ plus dem Anlaß dazu, den Sie mir damals gegeben haben, hier nur zu zitieren (ich selbst weiß leider nicht mehr, wann und wo es war, kann mich aber ansonsten gut erinnern), dann würden wir uns sicher einigen können, daß die „Belehrung“ ein Selbstschutzversuch meinerseits war. Sie hatten mich in einem Tonfall angemacht, daß ich Ihnen anwortete, so kann man sich mit seinem Ehemann kabbeln und ist sich trotzdem nicht böse, aber Sie und ich, wir sind nicht verheiratet. Das war alles. Vielleicht hatte ich auch Unrecht, vielleicht war ich überempfindlich gewesen! Jedenfalls habe ich mich damals über Sie geärgert. „Daß Persönliches hier nicht hingehört“, hatte ich nicht sagen wollen. Da wir schon beim Persönlichen sind, ich hatte immer den Eindruck, daß Sie mich nicht leiden können, und wußte nie darum. Einmal sind wir uns persönlich begegnet, auch das habe ich nicht vergessen. War nach einem Jahr FC oder so, es gab ein großes Blogger-Treffen, auch Augstein und Grassmann waren anwesend, von der Redaktion sonst Michael Angele und ich. Ich begrüßte Sie erfreut als die bekannte große Magda und Sie reagierten verhalten wütend, was zur Folge hatte, daß ich zum an die Sitzung anschließenden Kneipentreff der Bloggerinnen nicht mitging. Jetzt sagen Sie vielleicht, das sind alles Einbildungen, aber Sie sehen jedenfalls, unser Verhältnis ist von beiden Seiten gestört.
Gern würde ich mit Ihnen in lockerer, entspannter Weise Kommentare tauschen. Mal sehen, was die Zukunft bringt.
Liebe denkzone, ich schneide Ihre Kommentare nicht. Sie sind mir nur meistens unverständlich. Diese "Gedicht"form, in der Sie schreiben, ist für mich schon ein ziemliches Problem.
Sie, als liebhaber/kenner moderner musik/klangwelten..
da kann ich Ihnen diese beschwerde nicht ganz abnehmen :-)
Zunächst zur „Ekstase“. Die beste Definition, die ich kenne, gibt die große Archäologin Erika Simon. Ekstase und Enthusiasmus sind alte griechische Wörter, die seinerzeit sehr präzise gebraucht wurden. Sie stehen für zwei innere Zustände oder vielmehr Ereignisse, die „sich gegenseitig [bedingen] wie Ursache und Wirkung. Denn das ‚Heraustreten‘ des Menschen aus sich selbst, die ékstasis, ist die Voraussetzung dafür, dass er von seinem Gott erfüllt wird. Gotterfülltheit aber heißt enthusiasmós.“ Am Dionysos-Kult läßt es sich veranschaulichen. Simon fährt fort: „Man könnte sagen, die Mänaden“ – das Frauengefolge des Gottes – „rasen nicht selbst, sondern der ‚rasende Dionysos‘ tue dies in ihnen.“
Dieses aus sich Heraustreten kann in der Tat auch im Fußballstadion oder in der Disko geschehen, die Frage ist freilich, wer oder was dann hereintritt, oder ob überhaupt.
Im „Sakralen“ sehe ich ein Adjektiv, auf Religiöses bezogen, jedenfalls religiös konnotiert. Es gibt sakrale Orte, Handlungen, sogar Personen. Ich denke, etwas Dingliches (Materielles) ist immer dabei. In den Anfängen hat das Dingliche wohl überwogen, das Totem, das Opfer. Interessant ist, was Habermas am Anfang seines neuen Buchs zum Sakralen shreibt, die neuere Forschung zusammenfassend: daß das nur dinglich-praktisch Sakrale möglicherweise die historisch erste Form menschlicher Sprache gewesen ist. Das haben Sie ja gelesen. Bis hin zum Christentum ist aber die „Vergeistigung“ so weit fortgeschritten, daß von der pur immateriellen „Ausgießung des Heiligen Geistes“ gesprochen wird, von „Pfingsten“, worauf sich die Pfingstler ja beziehen. Etwas materiell Sakrales, verdinglichte oder verpersönlichte „Heiligkeit“ (für Letzteres soll das Zölibat stehen, es macht zwaar nicht die Priester heilig, aber einige ihrer Amtshandlungen) muß aber noch für Katholiken und auch Lutheraner immer dabei sein. Wenn gar nichts mehr davon dabei ist, ist der religiöse „Geist“ vom irreligiösen nicht mehr so gut unterscheidbar, oder hält sich als religiöser nicht mehr so gut fest.
„Entsakralisierung“ bedeutet, daß das materiell Sakrale mehr und mehr reduziert wird, so beim Abendmahl, das wie gesagt im Calvinismus zur bloßen Erinnerungsveranstaltung mutiert ist. Luther hat die katholischen „Sakramente“ von sieben auf zwei reduziert, Baptisten, Pfingstler usw. lehnen den Begriff ganz ab, für sie sind Handlungen wie das Abendmahl nur noch „Zeichen“, ohne sakramentale Bedeutung.
Eine Beschwerde sollte es gar nicht sein. Und wissen Sie, Sie sind ja kein Komponist. Sie schreiben nur uneindeutig. Nach meiner Erinnerung habe Sie das auch mal als Ihre Absicht so angekündigt. Mir wäre es lieber, wenn Sie so schrieben wie die anderen, das würde es leichter machen. Das soll aber keine Kritik sein, es ist Ihre Sache.
++ Ich begrüßte Sie erfreut als die bekannte große Magda und Sie reagierten verhalten wütend, was zur Folge hatte, daß ich zum an die Sitzung anschließenden Kneipentreff der Bloggerinnen nicht mitging. ++
Lieber Herr Jäger, also das musste ja dann schief gehen:
Wenn sie so einen Mist wie "die bekannte große Magda"... erinnern, dann sage ich Ihnen, das war dann sicherlich daneben. Außerdem: Inzwischen gibts andere gute Leute, die Ihr aber frohgemut vergrault oder vergrault habt und Sie sind nun mal ein Mitglied der Redaktion.
Darum geht es mir : Sie sind hier eben nicht nur Blogger und Mitdiskutierer. 'Sondern: Sie sehen, was hier los ist. Aber, Sie sammeln paar Gleichgesinnte um sich, mit denen Sie noch eine Debatte führen wollen und Schluss ist. Darum gehts mir.
++ "Sie hatten mich in einem Tonfall angemacht, daß ich Ihnen anwortete, so kann man sich mit seinem Ehemann kabbeln und ist sich trotzdem nicht böse, aber Sie und ich, wir sind nicht verheiratet."
Ach so war das? Da muss ich gar nicht recherchieren. Aber: Da müssen Sie sich nicht fürchten. Und das war auch nur einmal. Es gab hin und wieder auch sachlichere Einwände von mir. Und, das ist der Punkt: Bloggen ist eben eine Mischung aus Artikel und persönlicher Debatte und manchmal wird es dann auch ein bisschen übergriffig. Wisssen Sie, ich kann ein Lied davon singen. Bis hin zu persönlicher Bedrohung...
Es wäre - nee, es ist - stinklangweilig, wenn es da allein um Distinktion geht und Debatte "im vertrauten Kreis" und so tun, als wäre alles sonst o.k. Die Community ist ziemlich am "Abnibbeln" und es wäre gut, wenns da mal paar Entscheidungen gäbe. (Nein, das ist nicht Ihr Ding, aber da Sie nun gerade mal hier sind...) .
Wie auch immer. Ich ende hier auch versöhnlich. Ich freue mich - ganz von außen und nur in der FC zugange - sehr dass Philip Grassmann beim Freitag wieder einsteigt.
Einer, von dem ich denke, dass der beides kann: Abstand halten und die Leute zusammenhalten. Der war der Einzige, der mir aus Anlass mal unaufdringliche Wertschätzung vermittelt hat. Ob das für die Community ein bisschen besser wird, wird man sehen. Ich beobachte das nun wirklich nur noch mit Abstand.
In diesem Sinne: Nichts für ungut.
Ich bin ja auch nur noch ausführlich, weil es in der Tat um mehr geht, als um Sie und ich. Wir kennen uns ja nur von fern.
Hihi, vielleicht hat er eine andere Metrik oder Agogik oder Aleatorik. :-)
- ja, gema-geschützt ist meine wort-setzerei nicht.
und originalität will ich auch nicht erreichen.
- aber gerade wegen meiner eindeutigkeiten
werde ich gelegentlich hier angegriffen.
- wie andere zu schreiben, bietet zahlreiche nachteile,
gerade für leute, die verhältnisse ändern wollen.
hat -->E. Alexander Rauter("vom umgang mit wörtern")
aufgelistet.
auch Ihnen: ein kollegiales: Hihi!
Naja, „bekannte große Magda“, das habe ich damals natürlich nicht gesagt, sondern mich nur gefreut, der Frau mal zu begegnen, die von allen Bloggern und Bloggerinnen die bekannteste war. Was jenen kleinen Zusammenstoß betrifft, den Sie „Belehrung“ nannten, „das war (nur) einmal“, da haben Sie recht, wäre schön, wenn wir das beide vergessen könnten. „Es gab auch sachliche Einwände“, aber ja, und wir haben auch BEIDE schon sachlich uns austauschen können, und man darf auch aggressiv („ein bißchen übergriffig“) werden, wem sagen Sie das, ich glaube, ich selbst bin hier einer der Aggressivsten. Was sich mit meiner Doppelrolle als Mitblogger und Redakteur nicht gut verträgt, auch das weiß ich, aber da geht es mir wie Ihnen, wenn ich nicht in dieser Weise auch „persönlich“ sein dürfte, würde es mir gar keinen Spaß mehr machen, und ich bin ja wohl immer noch der mit Abstand meistmitkommentierende Redakteur. Weiter ja: Daß was im Argen liegt, sehe ich auch und meine auch wie Sie, daß die technischen Umstellungen dazu beigetragen haben. Worin das Problem des „Argen“ genau liegt, könnte ich aber gar nicht sagen, jedenfalls es nicht verallgemeinern. Was könnte es denn für Redaktions-„Entscheidungen“ geben, die die Community vor dem „Abnippeln“ bewahren? Ein Problem für mich persönlich liegt darin, daß die Bloggerinnen-Generationen immerzu wechseln und das liegt nicht nur daran, daß wir manche auch tatsächlich „vergrault“ haben. Daß ich ein paar Gleichgesinnte um mich gesammelt hätte und nur noch mit denen diskutiere, sehe ich nicht so. Ich reagiere nicht auf JEDEN Kommentar, das tut auch sonst niemand, dazu kann sich niemand die Zeit nehmen, gehe aber doch immer wieder mal „neue Bekanntschaften“ ein. Und „gleichgesinnt“ sowieso nicht, bin ich etwa mit bella1956 gleichgesinnt? Aber Sie sagen ja selbst, es geht gar nicht um mich. Vielleicht geht es Ihnen ja gar nicht anders als mir: Ich trauere vielen Bloggern und Bloggerinnen nach, die nicht mehr dabei sind – das ist „arg“ -, wie Streifzug, Ismene, ChrtistianBerlin, Calvani... Und darin jedenfalls stimmen wir überein, auch ich freue mich riesig über Grassmanns Rückkehr.
Okay, vielen Dank, ich würde das auch ungefähr so sehen, dass Ekstase keine notwendige Verbindung zum Sakralen hat (aber doch eine häufige bis gelegentliche hat oder haben sollte) und das Sakrale irgendwie immer auch einen einen rituellen und damit auch materiellen Aspekt hat. Thorwald Dethlefsen (der viel über Rituale und Mythen geschrieben und mehr noch gesprochen hat) spricht davon, dass Rituale aus Bausteinen besteht und der kleinste davon sei das Symbol, in dem sich zwei Welten treffen. Verzichtet man auf Symbole und Rituale passiert da also im Sinne des Kontaktes nichts mehr, es ist irgendwie seltsam für mich heute bei Habermas sehr viel Ähnliches zu lesen, wie das, was ich von Dethlefsen kannte. Ja, Riten als erste Formen der Sprache, daran kann ich mich erinnern.
Habermas ist da natürlich soziologischer (als der Esoteriker Dethlefsen) unterwegs, aber die meisten sind sich einig, dass man auf das Konkrete nicht verzichten kann und es scheint relativ unbestritten zu sein, dass Rituale eine Wirkung haben, durch Konkretisierung, man kann sich das m.E. nicht alles einfach nur wegdenken oder ersatzlos streichen, die klassisch evangelischen Strömungen galten ja bei uns lange Jahre als fortschrittlicher, weltoffener und weniger verstaubt, gebracht hat es ihnen auch nichts, sie verlieren so viele Mitglieder, wie die katholische Kirche auch.
Was eine Kirche glaube ich leisten muss, ist, dass sie eine Erfahrbarkeit der Transzendenz (oder etwas, was man wenigstens dafür halten könnte) anbietet und das geht einmal durch langfristigere Exerzitien, denen sich aktuell kaum jemand unterwirft oder eben durch Rituale im kleineren oder größeren Rahmen. Auf der anderen Seite darf dies nicht zu sehr von einer vermittelnden Instanz abgekoppelt zu sein, sonst ist die Idee der massentauglichen Kirche sabotiert. Und die Erzeugung einer gewissen religiösen Ekstase, gebunden an das konkret Sakrale ist da gar nicht schlecht. (Wenn der Praktizierende dabei selbst noch irgendwas spürt.)
Die Evangelikalen scheinen, vielleicht auch dadurch, dass sie versprengter und regional angepasster auftreten können (obwohl das für die katholische Kirche glaube ich auch gilt, zumindest in Lateinamerika sind ja diverse magische Elemente – übrigens, schöner Aspekt von Habermas, zu betonen, dass Magie ohne mythisches Drumherum gar nicht existieren kann, da sagt der Wilberianer in mir: verstanden, gemerkt – aus Voodoo, Santeria, Candomblé usw, gemixt sind und bei wiki liest man ja auch dass es Koalitionen zwischen Evangelikalen und Katholiken gibt) etwas flexibler zu sein, der weltweite Trend geht ja bei allem Möglichen vom Zentralismus zu dezentralen Gruppierungen, die sich regional besser anpassen können, da haben es Vertreter reiner Lehren schwer.
>>Und die Erzeugung einer gewissen religiösen Ekstase, gebunden an das konkret Sakrale ist da gar nicht schlecht.<<
Für mich sind das fremde Welten. Klingt nach Esoterik. Erweckt in mir die Erinnerung an die oft vorgetragenen verletzten religiösen Gefühle, die niemand einem Außenstehenden erklären kann. Wenn das BVG meint, kopftuchtragende Richterinnen ginge nicht, da der Staat sich zur religiösen Neutralität verpflichtet sieht, macht die bürgerliche Presse, hier die Frankfurter Rundschau, daraus ein Politikum: "Es weht ein anderer, ein rechter Wind, er hinterlässt wohl auch in Karlsruhe Spuren." Für mich ist dieses Urteil kein rechter Wind. Im Gegenteil.
„Für mich sind das fremde Welten. Klingt nach Esoterik.“
Ekstase, oder die religiöse Variante davon? Esoterik ist ja heute in aller Regel ein von vorn herein entwertender Begriff, deshalb die Frage, was Sie darunter verstehen.
„Erweckt in mir die Erinnerung an die oft vorgetragenen verletzten religiösen Gefühle, die niemand einem Außenstehenden erklären kann.“
Ich gehöre z.B. nicht zu der Fraktion jener, die der Meinung ist, man könne über Gipfelerfahrungen nicht reden. Sie sind prinzipiell oder offen oder verschlossen, wie der Geschmack von Pilzen oder die Lektüre von Büchern. Man muss es halt mal probiert/gelesen haben, dann kann man kompetent mitreden, ansonsten redet man über etwas, was man von außen gut kennen kann, der Chefarzt der Gynäkologie hat vielleicht schon 1000 Geburten begleitet, aber weiß er, wie es ist, ein Kind zu kriegen? Dennoch kann man nicht sagen, es habe nun von Geburten keinerlei Ahnung.
„Wenn das BVG meint, kopftuchtragende Richterinnen ginge nicht, da der Staat sich zur religiösen Neutralität verpflichtet sieht, macht die bürgerliche Presse, hier die Frankfurter Rundschau, daraus ein Politikum: "Es weht ein anderer, ein rechter Wind, er hinterlässt wohl auch in Karlsruhe Spuren." Für mich ist dieses Urteil kein rechter Wind. Im Gegenteil.“
Das ist eine politische Diskussion, die mich an der Stelle nicht interessiert.
Was hat jetzt Habermas Verfehlungen damit zu tun das - vermeintliche - Linke - ich glaube er meint Sie - sich seiner Meinung nach (pfeifel), am religiösen ,kulturellem Ballast ihrer frühen Kindheit abarbeiten?
Ist das so falsch?
Es braucht schon ein Affinität zum Thema, sonst wäre es nicht Ihres...