Martin Heideggers Schwarze Hefte – sein intellektuelles Tagebuch zwischen 1932 und 1941, das jetzt in drei Bänden veröffentlicht ist –, haben die Frage aufgeworfen, ob es zwischen dem dort zutage tretenden Antisemitismus und Heideggers philosophischer Konzeption einen notwendigen Zusammenhang gibt. Angenommen, es gibt ihn, stellt sich die weitere Frage, ob von seiner Philosophie Weiterführendes übrigbliebe, wenn man den Zusammenhang herausoperieren wollte und könnte. Ich beantworte beide Fragen mit Ja.
Der Zusammenhang liegt nicht darin, dass sich seine Philosophie aus seinem Antisemitismus ableiten ließe. Wohl aber gilt das Umgekehrte: Heideggers Antisemitismus lässt sich aus seinem Nationalsozialismus ableiten und dieser aus seiner Philosophie. Im Gedankenweg der Hefte zeichnet sich deutlich ab, wodurch er zum Nazi wurde. Er hat Nietzsches Diagnose aufgenommen, das Zeitalter sei nihilistisch, und sieht in der NS-Politik eine Suchbewegung aus dem Nihilismus hinaus. Den definiert er wie Nietzsche als das Verschwundensein übergreifender Ziele und die fehlende Kraft, neue zu setzen. Auffällig, aber nicht untypisch fürs deutsche Bürgertum um 1933 ist dabei der Umstand, dass er die von den Nazis proklamierten Ziele gänzlich ignoriert, sie offenbar gar nicht ernst nimmt. So wie man gesagt hat, es hat alles schon in Hitlers Mein Kampf gestanden und wurde nur nicht gelesen.
Der Nihilismus
Von NS-Zielen ist nirgends in den Heften die Rede. Heidegger tut vielmehr so, als gebe es noch gar keine, sodass es erst seines Auftritts bedürfe, sie hervorzulocken. Diese Haltung schlägt sich 1933 in der Antrittsrede seines Universitätsrektorats nieder. Nur macht er damit seine Erfahrung. In den Heften notiert er, wie er bald begreift, dass er nur die Rolle einer Galionsfigur spielt. Heidegger erkennt, dass der NS so nihilistisch ist wie alles andere auch, ja den Nihilismus nur noch kenntlicher macht. Dies veranlasst ihn zu schärfsten Polemiken, führt aber keineswegs zu seiner Abwendung vom NS. Vielmehr glaubt er nun, eine bessere Politik könne auch der authentischsten Bewegung nicht gelingen. Der Nihilismus ist eben noch mächtiger als sogar er es vorher begriffen hat. Da tritt er zwar vom Rektorat nach nur einem Jahr zurück, die „Bejahung“ des NS aber hält er noch 1939 „aus denkerischen Gründen“ für eine „Notwendigkeit“. Die NS-Bewegung bleibe nämlich „unabhängig von der je zeitgenössischen Gestalt“.
Zum Schicksal der Juden notiert er vor 1938 gar nichts. Die Erklärung liegt nahe: Dass die NSDAP antisemitische Ziele hat, ist ihm so gleichgültig wie das ganze Parteiprogramm. Das heißt aber auch: Es ist ihm nicht der Rede wert, ob die NSDAP solche Ziele womöglich realisiert oder es bleiben lässt. Sollten sie realisiert werden, ist daran aus seiner Sicht nur interessant, dass das auch nicht aus dem Nihilismus herausführen kann. Noch nach dem Krieg, als er äußerte, Auschwitz sei genauso eine schlimme Industrialisierung – des Tötens im konkreten Fall – wie irgendeine moderne Agrarfabrik, war das seine Haltung. Diese unmenschliche Dickfelligkeit, die den Philosophen über Leichenberge gehen lässt, ist gewiss schlimmer antisemitisch als alle expliziten antisemitischen Äußerungen.
Sie ist in seiner Philosophie angelegt. Das ist eine Philosophie der Frage, die gleichwohl das Antworten verschmäht und geradezu schlecht macht. Unablässig zieht sich das Grundwort „Fragen“ durch die Hefte. Eine bestimmte Frage stellt er: die nach dem „Sein“. Das „Sein“ als Grundbegriff statuieren heißt als äußersten Denk- und Wirklichkeitsgrund den Ungrund setzen, die Grundlosigkeit, man könnte auch sagen das Konfuse (Heidegger sagt „die Zerklüftung“). Dies ist Ausdruck dessen, dass am Anfang kein Vorhandenes vermutet wird, das nur zu entdecken wäre. Das Suchen selbst, nicht das Haben, steht vielmehr am Anfang. Es charakterisiert den Menschen weder, dass es nihilistische Zeiten gibt, noch dass es Zeiten gibt, wo er wieder Ziele findet: Was ihn charakterisiert, ist die haltlose Kippsituation dazwischen als solche. Heidegger bestimmt das „Sein“ als den Ort, wo neue Ziele („Götter“) erscheinen können, aber nicht müssen. Dem Menschen ist es aufgegeben, nach ihnen zu fragen und sie fragend zu erwarten.
Die Frage ist freilich unbeantwortbar, wie er hinzufügt. Man soll darin treu sein, dass man sie nur stellt. Kann aber eine Frage, die nicht dazu da ist, beantwortet zu werden, noch als Frage gelten? Ich meine, sie ist es so wenig, wie Geld Geld ist, wenn es nicht dazu da ist, ausgegeben zu werden, oder ein Befehl ein Befehl, wenn ihm nicht gehorcht werden soll. Was Heidegger „Frage“ nennt, entpuppt sich als Befehl, denn er bringt das Wort vor, um vom Weiterdenken abzuhalten. Seine Polemik gegen das Antworten ist im Übrigen unplausibel. Eine Antwort sei immer falsch, sagt er. Er berücksichtigt nicht, dass sich das herauszustellen pflegt, dann weitergefragt werden kann und zwar besser als vorher. Wem es ernst ist mit dem „Weg des Fragens“, der muss das Fragen, Antworten und Weiterfragen empfehlen, denn anders bewegt sich kein Gedanke vom Fleck.
Allgemeiner Rassismus
Eine in diesem Sinn fragende Haltung hätte die Antworten der Nazis nicht egal gefunden, sondern geprüft. Heidegger hört sie stattdessen mit halbem Ohr, und wen wundert’s dann, dass er nicht unbeeinflusst bleibt. Nach 1938, dem Jahr der „Reichskristallnacht“, leuchtet ihm die „Judenfrage“ zunehmend ein. Nun notiert er, eine „zähe Geschicklichkeit des Rechnens“ liege der „Weltlosigkeit des Judentums“ zugrunde und gehöre zu den „verstecktesten Gestalten des Riesigen“. In seiner eigenwilligen Sprache steht das Riesige für einen Sog ins Unendliche, den man unserer Kultur allerdings attestieren kann. Heidegger hat schon jahrelang davon gesprochen und hat immer auch das „Rechnen“ in diesem Zusammenhang herabgesetzt, weil er es als eine Methode auffasst, das Denken gegen Unerwartetes blind zu machen. Es wäre ja dann die nihilistische Methode schlechthin. Doch hat er es bis dahin nie mit den Juden verbunden. Vielmehr sei es schon im ersten philosophischen Anfang der Griechen angelegt gewesen. Dass die Juden die Urheber des fatalen „Rechnens“ seien, wird er auch künftig nicht behaupten. Aber er sieht ja inzwischen nur noch Kräfte, die vom Zeitalter nihilistisch gemacht worden sind. Unter denen erscheinen nun, wie die Nazis als kleinstes Übel, so die Juden als besonders gefährlich: Im Kampf zwischen nihilistischen Kräften, „in dem um die Ziellosigkeit schlechthin gekämpft wird“, siege vielleicht „die größere Bodenlosigkeit, die an nichts gebunden, alles sich dienstbar macht (das Judentum)“.
Nach 1938 leuchtet dem Philosophen die "Judenfrage" zunehmend mehr ein
Am Ende der Hefte, 1940 oder 41, verallgemeinert er denselben antisemitischen Gedanken: „Die Frage nach der Rolle des Weltjudentums ist keine rassische, sondern die metaphysische Frage nach der Art von Menschentümlichkeit, die schlechthin ungebunden die Entwurzelung alles Seienden aus dem Sein als weltgeschichtliche ‚Aufgabe‘ übernehmen kann.“ Bis zur Absicht, sie gnadenlos zu „bekämpfen“, kann es von da nicht mehr weit sein. Für Heidegger spricht nur, dass er den Gedanken nicht öffentlich gemacht hat. Man kann ihm auch zugute halten, dass er sich die Juden mehr unfähig als bösartig dachte: Die „Metaphysik des Abendlandes“ habe die „zeitweilige Machtsteigerung des Judentums“ ermöglicht. Die Juden hätten ihr nichts entgegenzusetzen gehabt, da sie „die verborgenen Entscheidungsbezirke von sich aus“ nie „fassen“ konnten. So sei Husserls „Schritt zur phänomenologischen Betrachtung“ von „bleibender Wichtigkeit“, reiche aber nicht in jene Bezirke. Wie auch immer, das sind mordsgefährliche Gedankengänge.
Sie wurzeln in einem allgemeinen Rassismus Heideggers, der allen Völkern Eigenschaften und „Aufgaben“ zuweist. So schreibt er, „die Engländer“ hätten „jeden Wesensumfang aufgegeben“, während im Amerikanismus „der Nihilismus seine Spitze“ erreiche. Das „Russentum“ sei für eine solche Spitzenstellung „zu bodenständig und vernunftfeindlich“. Auch solche Äußerungen finden sich erst nach 1938, doch dass Heidegger zu ihnen lange bereit war, geht aus dem oft wiederholten Glaubenssatz hervor, die Deutschen seien das zur Setzung des zweiten philosophischen Anfangs (nach dem ersten der Griechen) berufene Volk. Dieser Gedanke, dass hierzulande das Altgriechische fortgesponnen werde – während sich die westlichen Nationen an Rom orientierten –, hat Tradition in der deutschen Geistesgeschichte. Er war nicht nur Heidegger präsent. Studenten um 1920, die über die Eigenschaften der europäischen Völker schwadronieren, sind in Thomas Manns Roman Doktor Faustus dargestellt. Dass viele Intellektuelle den sonstigen rassischen Stereotypen das jüdische hinzufügten, schien nahezuliegen. Man denke an Werner Sombart – Heidegger war weniger originell, als er dachte. Unverzeihlich, dass es ihm egal war.
Der Sinn von Sein: Martin Heidegger
Dichten und Denken Martin Heidegger (1889 – 1976) brach 1911 sein Theologiestudium ab, um Philosoph zu werden. Sein erstes Hauptwerk Sein und Zeit erschien 1926. Es wurde zur Sensation und versprach eine völlig neue Art, über die Welt nachzudenken: Was heißt es, zu existieren? Geprägt wurde sein philosophisches Denken von der Phänomenologie Edmund Husserls; Heidegger war sein Assistent an der Universität Freiburg im Breisgau. Am liebsten philosophierte Heidegger aber nicht in der Stadt, sondern in seiner „Hütte“ im Schwarzwald. Von seiner rasch steigenden Zahl an Schülern sei Hannah Arendt genannt, die auch seine Geliebte wurde. In seinen Schriften befasste Heidegger sich mit der Geschichte der Philosophie, der Sprache und besonders intensiv mit dem Wesen der Technik, dem „Gestell“, wie es in seiner eigenwilligen Diktion heißt. Im Spätwerk rücken Kunst und Philosophie eng zueinander, Hölderlin wird zu einer Wegmarke. Im Januar 1946 wurde Heidegger die Lehrbefugnis entzogen. Sein Einfluss blieb: Besonders in Frankreich wurde Heidegger ein wichtiger Impulsgeber für die postmoderne Philosophie. TOT
Gesamtausgabe, Bd. 94 – 96, Schwarze Hefte Martin Heidegger, Peter Trawny (Hg.) Vittorio Klostermann 2014. Bd. 94, 536 S., 68 €; Bd. 95, 455 S., 48 €; Bd. 96, 285 S., 37 €.
Kommentare 52
Herzlichen Dank für diesen Artikel. Ich kann mich noch jetzt, 50 Jahre später, an meinen ersten und einzigen Kontakt mit der Philosophie Martin Heideggers erinnern. Unser Deutschlehrer hatte uns einen Text von Heidegger zu lesen aufgegeben, welcher dann im Unterricht besprochen und diskutiert wurde. Davor hatten wir einen Ausschnitt aus "Haben oder Sein" von Erich Fromm gelesen und besprochen. Welch ein Unterschied, hier die kaum verständliche Sprache Heideggers, dort die klare Sprache Fromms. Hier totalitäre Denkstrukturen, dort ein tiefer Humanismus. Insofern wundert mich der Inhalt der Heidegger Tagebücher überhaupt nicht.
Heidegger war weniger originell, als er dachte. Unverzeihlich, dass es ihm egal war.
ja, genauso, wie alle plumpen gegenströmungen, denen es egal ist, wenn sie massloses dem masslosen gegenüber stellen ...
Er hat Nietzsches Diagnose aufgenommen, das Zeitalter sei nihilistisch, und sieht in der NS-Politik eine Suchbewegung aus dem Nihilismus hinaus
ist nicht jede "diagnose" nur an den jeweilgen erkenntnisstand auf einem punkt im zeitstrahl fixiert? widerspricht die orientierung allein darauf nicht einem unbeweglichen starrsinn, der jede entwicklungsmöglichkeit (nachfragen/antworten) verhindert ... die jedoch in ihrer tendenz gerade mehr als das alberene beharren ... sondern das sorgfältige beobachten voraussetzt, jedoch durch ewiges rumreiten zertrampelt wird?
in einem allgemeinen Rassismus Heideggers, der allen Völkern Eigenschaften und „Aufgaben“ zuweist. So schreibt er, „die Engländer“ hätten „jeden Wesensumfang aufgegeben“, während im Amerikanismus „der Nihilismus seine Spitze“ erreiche. Das „Russentum“ sei für eine solche Spitzenstellung „zu bodenständig und vernunftfeindlich“.
ist das auf heute übertragbar? ... nicht mehr auf "äussere" völker feindbilder angewendet, sondern auf den menschen neben dir ... der "falsch" isst, raucht, sex hat, seine kinder erzieht, sein geld ausgibt, sich kleidet, worte gebraucht, musik hört, religionen angehört oder auch nicht ...
übereinander schwadronieren ... ?!?
>>> miteinander reden könnte ja aus unheilbaren diagnosen zu lösungen führen ... doch dann wäre ja die ganze "lebensphilosophie" in frage gestellt und der gut geübte starrsinn vollends der lächerlichkeit preisgegeben
Ich würde nicht sagen, daß es keine Diagnosen geben soll. Aber es ist natürlich immer gefährlich, wenn eine Diagnose „alles“ zum Gegenstand hat, wie bei der, die Gesellschaft sei nihilistisch. Dennoch finde ich persönlich gerade diese Diagnose - vieles was Nietzsche, aber auch was Heidegger darüber schreibt - durchaus bedenkenswert. Also da würde ich die Kritik noch nicht ansetzen. Nur wenn dann „das Nachfragen / Antworten verhindert“ und nicht „sorgfältig beobachtet“ wird, wird’s böse.
Rassismus „auf den Nebenmenschen angewendet“, da ist was dran, glaube ich.
In seiner eigenwilligen Sprache
lieber michael,
habe praktisch nichts von dem teutonischen philosophen gelesen. er existiert nur in der erinnerung an einen philosophielehrer im schulfach philosophie, der es mit den holzwegen hatte. also mit heideggers eigenwilliger sprache. auch das ein erbleiden, das zu nietzsches zarathustra zurückführt.
das gescheiteste, was der mann verbrochen hat, soweit ich davon las oder hörte, ist die deuterische idee, die dichter sagten das wahre. das hat sowas alt-augurenartiges. und vom hans-kuck-in-die-luft. der typ passt überhaupt gut in die britische polemik über teutsche denker. die mit dem kopf in den wolken...
grüße, hy
Lieber Michael,
gestern in der Freitag Printausgabe gelesen, heute in der Freitag Community. Besser geht es nicht!, oder?
Inzwischen habe ich zu Martin Heideggers "Schwarzen Hefte" einen eigenen Blog ins Netz gestellt (s. u. ). schau doch einmal vorbei! Danke!
Du schreibst:
"Er hat Nietzsches Diagnose aufgenommen, das Zeitalter sei nihilistisch, und sieht in der NS-Politik eine Suchbewegung aus dem Nihilismus hinaus. Den definiert er wie Nietzsche als das Verschwundensein übergreifender Ziele und die fehlende Kraft, neue zu setzen. Auffällig, aber nicht untypisch fürs deutsche Bürgertum um 1933 ist dabei der Umstand, dass er die von den Nazis proklamierten Ziele gänzlich ignoriert, sie offenbar gar nicht ernst nimmt. So wie man gesagt hat, es hat alles schon in Hitlers Mein Kampf gestanden und wurde nur nicht gelesen."
Hat Heidegger das wirklich?
Wozu brauchen die Nazis Ziele, wenn alle. so der Vorsehung verschrieben, deren Ziele im militarisierten Gemüte tragen, weil alles nur so, aber vor allem unter Ausweitung völkischer Kampfzonen am Rande des gekränkten Deutschen Reiches seit den "Schandverträgen" von Versailles 1919 so bleiben soll, wie es vorher nie gewesen war?
Michael Jäger:
"Von NS-Zielen ist nirgends in den Heften die Rede. Heidegger tut vielmehr so, als gebe es noch gar keine, sodass es erst seines Auftritts bedürfe, sie hervorzulocken. Diese Haltung schlägt sich 1933 in der Antrittsrede seines Universitätsrektorats nieder."
Das Bürgertum lässt die Maske fallen und macht aus seiner Seele eine Mördergrube, vonwegen vorauseilender Gehorsam des Bürgertums, des Adels, der konservativen Parteien, der hugenbergischen Voss Mainstream Medien, ab 1933 mit der Machtergreifung der Nazis, wie es Wiebke Bruhns in ihrem Buch "Meines Vaters Leben" als Denkfigur vorgestellt,
Das war jederzeit abrufbarer Gehorsam mit lokalem Befehlsgewaltansrpuch, von der Memel bis an den Belt, im allgefälligen Wartestand, den Strömungen innerhalb der NSDAP bis zum sogenannt Röhm- Putsch am 30. Juni 1934 zu sagen, woher der Wind der Zeit- und Generationsgenossenschaft wirklich weht.
"Die Fahnen hoch. Die Reihen fest geschlossen!"
Michael Jäger:
"Heidegger erkennt, dass der NS so nihilistisch ist wie alles andere auch, ja den Nihilismus nur noch kenntlicher macht. Dies veranlasst ihn zu schärfsten Polemiken, führt aber keineswegs zu seiner Abwendung vom NS. "
Wie könnte Heidegger sich, unter Wahrnehmung bestimmter unterdrückter Strömungen innerhalb des Nationalsozialismus von der "Zeit- und Genrationsgenossenschaft" mit diesem abwendem?, war doch Heidegger mindestens, wenn nicht gar als denkender Vorläufer, zu selber Zeit gefühlt Nazi, wie die Gebrüder Strasser, Röhm, Hess, Hitlers, Görings?
Michael Jäger:
"Die NS-Bewegung bleibe nämlich „unabhängig von der je zeitgenössischen Gestalt“.
Hier nun offenbart sich n. m. E. Martin Heideggers kardinaler Denkfehler, der ihn sogar dazu verführt, in nihilistische Denkategorien zu verfallen, nämlich, nicht dem zeitlich orientierten
"Schwebenden im Denken"
wie bei Karl Jaspers eine Chance zu geben, auch wenn Martin Heidegger sich selber und die NS- Bewegung als Suchende definiert, sondern an das Denken an sich, so auch an Suchbewegungungen einen eschatologischen Anspruch zu erheben, der unangefochten unfehlbar von Generation zu Generation nach ehernen Gesetzen des Suchens Gültigkeit erlangt und auf ewig manifestiert.
https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/martin-heidegger-alles-weitere-ohne-mich
JOACHIM PETRICK 28.03.2014 | 20:04
Martin Heidegger "Alles Weitere ohne mich"
Schwarze Hefte "Scheue Antworten und traue keiner Frage!" Martin Heidegger scheute, streng katholisch erzogen, das "libertäre" Frage- und Antwortspiel, wie der Teufel das Weihwasser.
Etiam si omnes, ego non!
Sinngemäß im Zusamenhang übersetzt:
"Auch wenn alle Antworten haben, ich nicht"
ist ein lateinisch geflügeltes Wort
oder:
"Auch wenn sich alle in Antworten gemein, ich nicht"
"Scheue Antworten und traue keiner Frage
Ich denke Sie gehen ein wenig zu weit, wenn Sie das Beschreiben von kulturellen Identitäten, etwa von Briten und Amerikanern, als Rassismus bezeichnen.
Auch wenn es an Heideggers antijüdischen Tendenzen keinen Zweifel geben kann, so muss man eben auch hier feststellen, dass es bei Heidegger eben nicht um Rasse geht, sondern um kulturelle Identitäten.
Auch besteht hier, wenn auch aus verständlichen Gründen, eine gewisse Verlogenheit, wenn in Zusammenhang mit den Exzessen der Finanzwelt, Goldmann & Sachs als Hauptakteur dieser Auswüchse gegeiselt wird, man dann aber scheinheilig so tut, als sei es nur ein kurioser Zufall, dass die Firma in jüdischer Hand ist und jeden Zusammenhang des Jüdischen mit dem "Rechnerischen" für eine bösartige Unterstellung Heideggers hält.
Im übrigen glaube ich, dass Heidegger Ihren eigenen Thesen über eine "andere Gesellschaft" näher steht als Sie es vielleicht selbst wahr haben wollen. Auch für Heidegger besteht das unheilvolle am "Rechnerischen", das übrigens auch er nicht schlicht mit dem Judentum gleichsetzt sondern nur für tief in der jüdischen Kultur verwurzelt sieht, in einer Verblendung durch ein rein materialistisch ökonomischen Denken.
Wirklich symphatisch ist mir Heidegger auch nicht, doch um ihm wirklich gerecht zu werden, muss man sich klar machen, dass Heidegger in absoluten weltgeschichtlichen Kategorien denkt und, anders etwa als bei Adorno, der eben doch vielmehr auch ein Denker war, der nach der Mode ging, man in seinem Fall eben doch noch einen Schritt zurücktreten muss und ihn in einem Kontext noch jenseits des historischen NS Kontexts, zu dem er ohne Zweifel auch gehört, in den Blick nehmen muss.
In Hinblick auf seine persönlichen NS Verwicklungen muss man fairer Weise sagen, dass es bei Heidegger kaum etwas vom gehässigen Geifer eines Richard Wagners oder vom fahrlässigen enthemmten Größenwahn eine Nietzsche gibt, die als fatale Inspiratoren des Nazi-Wahnsinns eben doch viel unheilvoller wirkten als Heidegger.
"dass es bei Heidegger kaum etwas vom gehässigen Geifer eines Richard Wagners oder vom fahrlässigen enthemmten Größenwahn eine Nietzsche gibt, die als fatale Inspiratoren des Nazi-Wahnsinns eben doch viel unheilvoller wirkten als Heidegger."
Es ist wohl nicht aus der Welt zu schaffen, dass Friedrich Nietzsche, unverschuldet, durch seine Schwester in die unse´lige Nähe des heillosen Nationalsozialismus gerückt wurde?
Ihr Einwand gegen den Begriff Rassismus leuchtet mir ein. Ich werde da auf eine Konfusion aufmerksam, von der nicht nur ich betroffen sein dürfte: Man hält 1. den Antisemitismus für eine Art Rassismus und macht sich 2. zu eigen, daß es ein Kriterium für Antisemitismus ist, wenn bestimmte Eigenschaften pauschal „den Juden“ zugeschrieben werden; da schließt man dann, auch diese Zuschreibung sei Rassismus. Und wenn sie es bei Juden ist, dann bei allen Völkern. Richtiger ist es aber bestimmt, zu sagen, daß einer Antisemit sein kann aus Rassismus oder weil er eine kulturelle Identität zuschreibt.
Daß Goldmann Sachs in jüdischer Hand ist – was ich gar nicht wußte -, ist in meinen Augen aber nun wirklich ein Zufall. Ein Zufall in dem Sinn, daß es nicht zu einer „kultuellen Identität der Juden“ gehört. Auch daß die Juden im 19. Jh. eine starke Stellung im Bankgewerbe erlangten und daß sie davor als Geldverleiher in Erscheinung traten, sind Zufälle. Da aber niemals alle Juden Geldverleiher waren, macht es auch keinen Sinn, ihnen eine besondere Nähe zum „Rechnen“ zu unterstellen. Davon finden Sie in der hebräischen Bibel absolut überhaupt nichts, und in den letzten Jahrhunderten finden Sie Leute wie Adorno, Gustav Mahler, Judith Butler, und wen könnte man da nicht alles aufzählen, die allesamt keine „Rechner“ sind bzw. waren. Die Juden waren auf allen Gebieten die intelligentesten.
Daß Heidegger meinen Thesen zur Anderen Gesellschaft nicht gänzlich fern steht, ist mir klar und ich habe es auch schon an Ort und Stelle vermerkt. Der Begriff der Möglichkeit ist zentral für diese Thesen und ich räume immer ein, daß für alle, die über ihn reflektieren, Heidegger bis heute den Horizont bildet.
Daß er das „Rechnerische“ mit dem Judentum nicht gleichsetzt, schreibe ich ja selber. Auch daß es einseitig wäre, ihn nur im NS-Kontext zu sehen, schreibe ich selber. Ich beginne ja so: „... stellt sich die Frage, ob von seiner Philosophie Weiterführendes übrigbliebe, wenn man den Zusammenhang herausoperieren wollte und könnte. Ich antworte mit Ja.“ Die unmittelbar darüber stehende Titulatur macht das vielleicht etwas unsichtbar, sie ist wieder mal arg „überspitzt“ und drückt meinen Standpunkt keineswegs aus. Ich bin nur für den Text verantwortlich. Ich halte Heidegger weder für „starrsinnig“ („dickfellig“ habe ich ihn genannt) noch kann ich „NS-Kitsch“ (ich weiß gar nicht, was das sein soll) bei ihm finden. Und in der Tat auch keinen „gehässigen Geifer“.
Was nach all diesen Einschränkungen übrig bleibt, ist schlimm genug.
Ich glaube in dem Rechnerischen ist eine Art Utilitarismus inbegriffen, die dem Judentum zugeschrieben und aus dem sein Erfolg erklärt wurde. Ich denke man kann es nicht damit entkräften darauf hinzuweisen, dass die Juden in allen Bereichen die intelligentesten bzw. erfolgreichsten waren.
Dass die Nazis nicht als böse, sondern als nihilistisch (in der puren Wirkmechanik des Nützlichen) wahrgenommen wurden, war damals sicher eine Deutung, die nahelag, man denke an Horvarths "Jugend ohne Gott" oder an die beobachtete Mechanisierung des NS-Vokabulars, die Victor Klemperer in seinen Tagebüchern festgehalten hat.
Aber was haben denn die Juden mit dem Utilitarismus zu tun? Meines Wissens wurde dieser von Jeremy Bentham entwickelt und John Stuart Mill war ein früher prominenter Anhänger; beides keine Juden.
Die Juden haben mit dem allem gar nichts zu tun *schauen Sie nicht so hilflos* ;-). Allenfalls das was man ihnen zuschreibt.
Heidegger schreibt den Juden das Rechnerische zu, das entkräften Sie in der Sache. Darauf kommt Thomas mit dem Verweis auf die Banken. Dem halten Sie entgegen, dass die Juden überall die Intelligentesten waren, nicht nur im Bankwesen (sie beide stellen damit die Gleichung auf das Rechnerische = Bankenwesen). Die Intelligentesten erweitere ich zu die Erfolgreichsten und behaupte, dass das Rechnerische von Heidegger wohl genau das mitenthält, was den Juden allgmein zugeschrieben wurde und was ich mit quasi utillitaristisch versucht habe zu fassen, meine damit die Verkürzung von "wert hat, was etwas nützt". Und erweitere damit die Gleichung auf "Rechnerische = sich orientieren an einer nützlichkeits-/erfolgsorientierten Mechanik".
Also ich wollte nur dem Einschub von Thomas, zumindest in dem Sinn, dass das was den Juden zugeschrieben wurde durchaus in Heideggers Rechnerischem miterfasst sein kann, etwas stärken.
Das wiederum hängt damit zusammen, dass ich eher geneigt bin Heideggers Antisemtismus weniger scharf zu sehen als Sie. Oder zumindest als in dem Artikel zum Ausdruck kommt (ist allerdings schwer den Teaser und die Überschriften auszublenden, man liest es immer krasser als es gemeint ist.)
Das mit den Überschriften ist wirklich ein Problem, unter dem ich hier ständig leide. Aber das ist nun mal so. Wenn das nicht so wäre, würden Sie mich ja gar nicht kennengelernt haben.
Ich denke schon, man muß sich von Heideggers Nazismus und Antisemitismus in aller Schärfe abgrenzen, gerade weil er ansonsten ein Philosoph ist, um den kein denkender Mensch herumkommt. Das Problem ist, er ist noch halbwegs unser Zeitgenosse, deshalb kann es passieren, daß jemand, der einen Sinn für die Qualität seiner Philosophie hat, dann auch in seine politische Haltung umkippt. Ein Problem, das sich bei einem Aristoteles seit Jahrtausenden nicht mehr stellt – Aristoteles, der in widerlicher Weise die Sklavenhaltung gerechtfertigt hat, in einer Zeit, wo sich das durchaus schon nicht mehr von selbst verstand.
»miteinander reden könnte ja aus unheilbaren diagnosen zu lösungen führen«
eben!! wenn´s noch geht, müsste man einschränkend anfügen, sonst bleib´s evtl. eher einseitig?!
der Einfluß auf den Nachlaß wird wohl diskutiert.
Doch sollte Nietzsche wirklich völlig mißverstanden sein, hat er sich wirklich viel Mühe dazu gegeben, bzw. wenig, um dem entgegenzuwirken.
Ich denke, es war Nietzsche, der seinen Zarathustra sagen ließ:
»Wo der Staat aufhört, fängt der Mensch erst an.«
Ob das zum NS-Gedankengut taugt?!
Über einige Umwege evtl. schon. Nur, dass die NS-Logik vermutlich darauf hinausgelaufen wäre, dass fortan keine Menschen mehr seien.
Das Dritte Reich bediente sich doch auch ganz anderer Auguren, als etwa kleinen Philosophie-Lehrern, die Angst um ihre Anstellung haben. Die hatte man doch schon mit der Gleichschaltung in die Tasche gesteckt.
Das mit dem Rassismus stammt wohl weniger von Heidegger als mehr von Alfred Rosenberg / Mythus des 20. Jhd., dort dann der Begriff der Gestalten alias die Völker mit ihren Eigenschaften. Und geht vermutlich auch auf etwas wie die Kulturkreislehre zurück. Es geht aber nicht darum, jemanden – also z.B. Heidegger – dies anzukreiden, anzulasten bzw. urheberlich zuzuschreiben. Warum haben sich Leute wie Heidegger nicht öffentlich und kritisch dazu geäußert?! Hier muß ausbleibender Widerstand als Eingeständnis gedeutet werden können.
also ich bin über den Artikel auch erfreut!
ich möchte aus eigener Lektüre-Erfahrung mal kurz einflechten, dass es durchaus nicht so leicht ist, in den Werken Heideggers immer die vielbeschworenen totalitären Denkstrukturen herauszulesen. Allerdings frage ich mich, ob man daraus zurecht folgern kann, er sei NUR ein Wendehals (im älteren Sinne des Wortes) gewesen. Außerdem: Stil allein – also bspw. klare Sprache – muss ja nichts über den politischen Hintergrund verraten. Oder doch??
das Problem mit Aristoteles würde ich etwas anders einschätzen. Immerhin ist die Staatslehre auch nicht das zentrale Anliegen, eher die Metaphysik. Außerdem ist die Gesellschaftsordnung für ihn vorgängig gewesen. Ich würde sagen, er hat durch seine Ausarbeitung der philosophischen Ideen und Begriffe den Leuten auch ein gutes Stück der Möglichkeit zur Selbstbefreiung in die Hände gelegt. Nur, dass dies nicht alle hören konnten.
Zum Umkippen: ich fragte mich häufiger, ob so ein Umkippen stattfinden kann. Doch, wenn ja, nehmen wir dann nicht schon quasi magische Wirkungen und Effekte der verwendeten Begriffe und Worte an?? Dass durch Lektüre etc eine Kontamination erreicht wird??
Es kann vielleicht bei innerlich labilen Charakteren so geschehen. Das ist wohl aber bei vielen philosophischen Strömungen zu beobachten, dass die erste Begeisterung über das geistig neu Erworbene gewissen Impulsen einen Raum gibt. Aber das Problem besteht dann weniger in der konkreten Lektüre, vielmehr im leidenschaftlichen Geist, der sich auch mal hinreißen läßt.
Ein Umkippen wird es doch wohl erst durch ganz andere, äußerlich vermittelte soziale Tatsachen. Also ganz kann ich die These von der leichten Verführbarkeit der Seelen auch nicht mitmachen. An sich sollte da ab gewissen Reifegraden doch eine Art fester Kern vorhanden sein. Oder müssen wir immer ein völliges Fehlen an Wertorientierung etc erwarten?
Doch, befürchte ich auch, dass durch diese Angst vor dem Umkippen folgendes geschehen kann: dass eine zu große Furcht vor der Lektüre besteht, was zur Folge hat, nur sehr wenige wissen überhaupt noch, was in diesen Büchern steht. Was außerdem zur Folge haben könnte, dass eine indirekte (sagen wir: falsche) Ehrfurcht vor diesen Autoren und Werken entsteht, also quasi indirekt über eine innere Hemmschwelle, oder eben aus Angst vor den genannten magische Effekten.
Hier könnte jedoch ein Verständnis vom begrifflichen Denken Abhilfe schaffen. So schnell geht man nicht im Werk eines anderen unter. Es erfolgt ja an sich auch keine spontane Prägung durch das Lesen. Die innere Bereitschaft dazu wäre evtl. eher Besorgnis erregend.
sonst bleib´s evtl. eher einseitig
hmm MITEINANDER ist ja mal nicht einseitig ...
bei gesprächsverweigerung bleibt - wenn man will - halt die einseitige ansprache/predigt/frage als möglichkeit >>> evtl. könnte ja auf empfang geschaltet sein ... und ... zum denken anregen ...
Was für ein Problem ich mit Heidegger habe? Häh? *imagine Taxi Driver Scenario* Ich habe keine Probleme, der schäbige Schnauzbart hat Probleme mit mir. Zur gottverdammten Hölle noch mal, der hat Probleme mit mir! *the mirror gets blasted*
Husserls Zeug ist mindestens genauso triefend von sinnvoller Reflexion auf Sein und Zeit. Warum wird der Heidegger immer noch so gefeiert. Ich sag mal warum:"Der hat Kant getötet" steht beinahe schon auf der Werbung zu seinen Schriften.
Ich brauch keine schwarzen Schriften um den Heidegger nicht leiden zu können.
greetings from the pit -abghoul
„Immerhin ist die Staatslehre auch nicht das zentrale Anliegen, eher die Metaphysik.“ Ich meine, das ist es ja gerade, was man auch über Heidegger sagen kann. Und doch muß man seine „Staatslehre“, will sagen die NS-Haltung anprangern.
Der eigentlich interessante Punkt oder Kern jedenfalls meines Artikels ist der Berührungspunkt, den es zwischen Metaphysik und „Staatslehre“ gibt: die Diskreditierung des Antwortens mit metaphysischen Argumenten, von der „staats“mäßig die Gleichgültigkeit gegen die NS-Antworten begünstigt wird.
(Man müßte sich dasselbe mal bei Aristoteles fragen. Hat seine Vorstellung, daß Sklaven keine richtigen Menschen seien, wirklich überhaupt gar keinen Zusammenhang mit seiner Metaphysik? Nun, es wird wohl Forscher geben, die das schon einmal untersucht haben.)
Was Sie über das Umkippen schreiben, ist bedenkenswert. Es ist jedenfalls eine Gratwanderung. Meine Intention wäre es natürlich, eine deutliche Distanz zu Heideggers Politik zu artikulieren, ohne vom Lesen abzuhalten. Aber vielleicht kann man Ihr Argument ja auch umkehren: Der „feste Kern in den Seelen“ wird dazu führen, daß wem es bestimmt ist, philosophisch zu denken, der oder die sich auch nicht von der Heidegger-Lektüre abhalten lassen wird, selbst in Kenntnis von Heideggers NS-Haltung nicht.
Daß man alles tun muß, um „ein Verständnis vom begrifflichen Denken“ zu fördern, ist nicht nur hierauf bezüglich ein zentral wichtiger Punkt. Gerade im Zeitalter des Internets, das solchem Denken so sehr entgegenkommt, wenn es da ist, das aber von sich aus nicht gerade sein Entstehen zu begünstigen scheint.
Warum ist es so schwer anzuerkennen, dass Heidegger ein Nazi war? Und zwar einer, der noch 1948 die Nazizeit zu legitimieren suchte (mit den damals üblichen "Argumenten"):
Zu den schweren berechtigten Vorwürfen, die Sie aussprechen "über ein Regime, das Millionen von Juden umgebracht hat, das den Terror zum Normalzustand gemacht hat und alles, was ja wirklich mit dem Begriff Geist und Freiheit u. Wahrheit verbunden war, in sein Gegenteil verkehrt hat", kann ich nur hinzufügen, dass statt "Juden" "Ostdeutsche" zu stehen hat und dann genauso gilt für einen der Alliierten, mit dem Unterschied, dass alles, was seit 1945 geschieht, der Weltöffentlichkeit bekannt ist, während der blutige Terror der Nazis vor dem deutschen Volk tatsächlich geheimgehalten worden ist." (Brief an Herbert Marcuse, 20.1.48)
In einem Vortrag in Bremen meinte er sagen zu müssen:
Ackerbau ist jetzt modernisierteErnährungsindustrie, im Wesen das Selbe wie die Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern, das Selbe wie die Blockade und Aushungerung von Ländern, das Selbe wie die Fabrikation von Wasserstoffbomben.
Danke für Ihren Text, Herr Jäger. Aber man kann aufklären und wiederholend aufklären und nochmal aufklären: es gibt viele (vor allem in Frankreich, Badiou zum Beispiel), die einfach nicht von Heidegger lassen können. Die auf die berühmte Man-Analyse in Sein und Zeit verweisen und die einfach abschütteln, dass Heidegger bei Lukácz ziemlich abgekupfert hat.
Danke für die Antwort! Eigentlich wollte ich auch noch zum Artikel insgesamt schreiben, ist aber doch wieder ein großes Thema, daher habe ich mich erstmal an die Kommentare gewagt.
Bei Aristoteles könnte ich etwas zurückrudern.
Das Problem bei diesen Schulddebatten scheint mir oft zu sein, dass ab gewissen Punkten es fast automatisch so aussieht, als würde man verteidigend auftreten.
Dennoch, wenn ich mir das Aristotelische Konzept der Entelechie und der Eudaimonie anschaue, denke ich, es geht um die Entfaltung des Wesens, also pauschal der inneren Anlagen des Menschen auf dem Horizont einer glücklichen Gesellschaft. Man könnte insofern Aristoteles gegen ihn wenden. Denn das taugt sehr gut auch gerade zu Bezweiflung des Sklaventums, was ja das Gegenteil von natürlicher Entfaltung und glücklichem Leben bedeutet.
Also die Staatslehre kenne ich nicht so ausführlich, habe aber in Erinnerung, dass es Aristoteles um die Möglichkeit gegangen war, durch Vergleich die beste Staatsform oder Gesellschaftslehre zu finden. Da müssen wir nicht bei seinem historischen Ergebnis stehenbleiben. Die Methode hat evtl. einen Wert für sich?
Der Herrschafsbegriff wird immer eine Problem der Interpretation. Das Problem der Sklaverei stammt wohl von der alt-griechischen Gleichsetzung vom Grieche = Mensch. Wobei jene wohl froh waren, überhaupt die verschiedenen griechischen Völker insoweit gleichstellen zu können.
Das Konzept des Oikos, als die Basisgemeinschaft, war ja zugleich auch Basis für Staat. Man müßte mal schauen, ob so eine Oikos nicht grundsätzlich auch ohne Sklavenwirtschaft zu betreiben ist. Ob Aristotels gerade vom Oikos als zentrale Einheit ausgeht, wäre mir noch offen. Aber der Staat des 20. Jahrhunderts und der antike sind vielleicht doch nicht so leicht zu vergleichen. Also die alten Griechen kannten jedenfalls auch Großgrundbesitzer, und der Ertrag an Getreide etc sorgte für politische Stellung. Diese großen Besitzungen konnten nicht durch Familien betrieben werden. Ich sehe die Metaphysik aber nicht unbedingt als Begründung für derartige Verhältnisse. Im Gegenteil eher, wie schon angedeutet.
»Der eigentlich interessante Punkt oder Kern jedenfalls meines Artikels ist der Berührungspunkt, den es zwischen Metaphysik und „Staatslehre“ gibt«
Ja. Das ist schon interessant. Und ich will es auch nicht mit wenigen Worten erledigt wissen.
Heideggers Metaphysik-Begriff ist ja strittig. Jedenfalls ist es nicht der Aristotelische und auch kein Kirchlicher / Religiöser. Heidegger war evtl. kein Freisler. Was keine Relativierung bedeuten soll. Bei dem zweiten Namen wäre mir der Bezug von Staat und Denken noch deutlicher. Heidegger versuchte ja eigentlich, ein philosophisches Weltbild einerseits zu entsubjektivieren (ent-Kant-en), andererseits auch ohne Metaphysik darzustellen. Über den Daseins-Begriff entsteht dann womöglich eine neue Metaphysik. Für mich noch fraglich. Seine Begriffe sind sicherlich auf einen metaphysichen Raum hin angelegt, also die Worte selbst: das Ereignis etc. Worte, die noch zu füllen sind, denkt man oft. Fraglich, ob er es als seine Aufgabe sah, den Machthabern diese leeren Begriffe zur Verfügung zu stellen, damit ihre Inhalte dort Platz finden können.
Zum Fragen wollte ich noch separat eingehen. Ich wurde neulich übrigens gebeten, mir eine Meinung zu Ihrem anderen Frage-Artikel zu machen. Das tat ich auch. Seltsamerweise taucht dort, in meiner kleinen Darstellung, auch der Name Heidegger auf. Und zwar in Hinsicht auf die Neugier. Es gibt auch bei Heidegger vermutlich einen nicht-staatlichen Boden. Vielleicht haben Sie meinen kleinen Kommentar schon gesehen? Sollte kein Grund zum Ärgernis sein jedenfalls. Hatte schon überlegt, wie und ob ich Ihnen das zukommen lassen kann.
Das Fragen, dass Sie hier im Artikel ansprechen, ist ja schon dieses Heideggersche Versteckspiel: dass die Begriffsnamen vertauscht sind zum Begriffsinhalt. So meint er doch oft nur das SCHWEIGEN. Wie große Teile seiner Konzeption in diesem Zusammenhang gebracht werden: Sich Verstehen im gegenseitigen Schweigen. Sozusagen gegen das Gerede der Welt. Man denkt fast unwillkürlich, er übt hier schon die spätere Rolle des verschwiegenen Mitwissers ein. Es scheint damals schon sehr vielen klar gewesen zu sein, dass selbst im Angesicht der schon offenbaren Schuld, eine noch viel größere existiert.
für´s erste. Freundliche Grüße!
in gewisser Weise geht es ja nicht um diese Anerkenntnis. Es geht ja auch um die Frage, ob er ein Nazi hardliner war oder nur ein Spießer, der die Umstände seiner Zeit wahrnahm.
Der Hinweis auf Badiou ist interessant. Ich hatte ähnliches in dem anderen Heidegger-Artikel hier in Bezug auf Foucault erwähnt.
Der Zusammenhang mit Lukacz ist mir nicht ganz klar. An welches Werk von ihm denken Sie?
und, wenn zwei auf Empfang geschaltet haben, was hören sie?!
die umweltgeräusche + die innere stimme
Wolf-Dieter Gudopp verweist in seinem "Der junge Heidegger" (1983) im Kapitel "Die Frage nach Heideggers Marx-Kenntnissen" auf Lukàcz' "Geschichte und Klassenbewusstsein " mit seiner "Verdinglichung des Bewusstseins des Proletariats". Natürlich transformiert H. die Thesen. Vergessen wir nicht, dass Herbert Marcuse damals den jungen Marx in den Kategorien des "Meisters aus Deutschland" las.
Lukàcs selber erwähnt seinen Einfluss später verständlicherweise nicht, sondern spricht in der "Zerstörung der Vernunft" von "ähnlichen Tendenzen" bei Jaspers und vor allem bei Céline, Gide, Malraux (was wieder die französische Heideggerrezeption erklären würde, zumindest teilweise).
wäre ja schön, wenn man das beides vielleicht von einander trennen kann. Die Umweltgeräusche verleiten dann eher zu dem vielbeschworenen Neusortieren. Oder?!?
Wie ich Dich kenne, wirst Du Deine Innere Stimme sehr wertschätzen. Doch, rät die innere Stimme dann zum Abschalten des Empfangs?!?
Was mich mal interessiert hatte bzw. hätte, ob es auch ein gegenseitiges Hören der inneren Stimme geben kann, als je die innere des / der Anderen. Aber das geht vermutlich etwas zu weit? Oder bleibt zu spekulativ.
Die Umweltgeräusche verleiten dann eher zu dem vielbeschworenen Neusortieren. Oder?!?
lach ... naja, kommt auf die geräusche an ... aber, wer will findet einen schallisolierten raum
Wie ich Dich kenne, wirst Du Deine Innere Stimme sehr wertschätzen. Doch, rät die innere Stimme dann zum Abschalten des Empfangs?!?
ich würde sagen, ich höre meine innere stimme vielleicht sehr gut (hab es geübt, weil ich ihr lange nicht traute, sie zu leise war - andere stimmen zu laut ... oder nahm ich sie nur zu wichtig?)
zum abschalten rät sie nie!!! eher, mich anderen lärmenden, dummen, uninteressanten zu entziehen >>> prioritäten zu setzen
andererseits ist sie so vielfältig, wie stimmen sein können ... destruktiv und kreativ/fröhlich und gelassen/ermutigend, warnend, verzweifelt ... also die volle palette
Was mich mal interessiert hatte bzw. hätte, ob es auch ein gegenseitiges Hören der inneren Stimme geben kann, als je die innere des / der Anderen. Aber das geht vermutlich etwas zu weit? Oder bleibt zu spekulativ.
nee, sowas kenne ich nicht, das macht mein kopf ... abwägen ... die vor-+nachteile überlegen ... meine innere stimme sagt ganz klar, was für MICH gut ist, ICH bin mit meinen ureigensten bedürfnissen der massstab für sie ... ob ich trotzdem, gegen sie handle (zum wohl meiner kinder z.b.) ... weiss ich dann ganz genau ...
Danke! Der Bezug zu Marcuse ist natürlich interessant. Und zeigt irgendwie auch, dass Heidegger nicht per se als Inkarnation bösen Denkens zu fungieren schien. Immerhin konnte sich Marcuse scheinbar davon lösen. Die Spuren des einen im Werk des anderen sind natürlich eine spannende Frage.
Bei ökonomischen Einflüssen bei Heidegger hätte ich eher auf Max Weber getippt. Kommen beide wohl aus dem Freiburger / Süddeutschen Dunstkreis. Jaspers wäre eine Gegenfigur zu Heidegger. Fraglich, ob man ihn drin überschätzt. Doch denke ich hin und wieder, Jaspers wird zu unrecht wenig und Heidegger dementsprechend viel gelesen.
Zu Lukacz würde mich mal interessieren, den Begriff des verdinglichten Bewußtseins aufgreifend, welches Wort, welcher Begriff oder welcher Gedankenkomplex damit im Heideggerschen Werk korrespondieren sollte.
Der Daseinsbegriff doch wohl nicht?!? Man hat ja eh Probleme damit, Heidegger und Bewußtsein zu denken. Das betrifft wohl einge Existenz-Philosophien. Auch bei Satre letztlich.
korr.: ob man ihn dArin
Danke für den Hinweis auf Ihre "Darstellung". Ich hatte das nicht bemerkt. Hoffe, daß ich sehr bald Zeit finde, mir das und auch Ihre ganze Serie anzuschauen.
ja. Also meine innere Stimme scheint etwas anders zu funktionieren. Liegt vielleicht am Motiv Kinder / Verantwortung. Oder eben doch am Geschlecht? Ich meine, es wäre ja möglich, dass es sich da um andere Verschaltungen handelt. Schon biologisch, die Seele in der biologischen Hülle etc.
Hattest Du mich als lärmend, dumm, uninteressant wahrgenommen oder empfunden? Ist hoffentlich nicht zu direkt gefragt!?
Das Problem ist, er ist noch halbwegs unser Zeitgenosse, deshalb kann es passieren, daß jemand, der einen Sinn für die Qualität seiner Philosophie hat, dann auch in seine politische Haltung umkippt
Hm, das hab ich so gar nicht beachtet, für mich stand er als Individuum im Mittelpunkt und hatte den Effekt einer ungewollten Austrahlungswirkung bei sehr differenzierter Betrachtung überhaupt nicht auf dem Schirm. Mich interessiert so etwas immer nicht so sehr, obwohl es zweifellos wichtig ist. Man muss wohl Verantwortung auch für die Irrtümer, die entstehen können, übernehmen - nur leidet die differenzierte Sicht darunter. Grade in Bezug auf die Nazizeit bin ichs persönlich herzlich leid, wie Personen aus unserer heutigen Sicht heraus beurteilt werden. Irrwitziges Beispiel Hildebrandt, der als 17-Jähriger in einer NSDAP-Liste als Mitglied geführt wurde, er sagte er wusste von nichts, aber seine Eltern seien stramme Nazis gewesen, kann schon sein, dass sie ihn eingetragen hätten. Da kann man sich nur noch ans Hirn langen, wie aus der Zeit gerissen es ist, daraus einen Skandal entfachen zu wollen. Man spricht mit Nazismus ein starkes moralisches Urteil aus , dann muss die Verfehlung aber auch sitzen.
Grade bei bei Denkern findet man es so sooft, dass sie die allergrößte unvertretbare Scheiße zusammendenken, weil sie andere Aspekte komplett ausblenden.
Sie sagen, das ist unverzeihlich. Vielleicht. Im Grunde ist es eine alte Debatte: ist der Physiker für die Auswirkungen der Atombombe verantwortlich, muss /darf man Forschungen / das Denken begrenzen? Ich mein eher. wenn jemand mal so richtig daneben langen kann, dann ein Philosoph, wo gehobelt wird, fallen Späne, entstehen Fehler. Also den Gerechtigkeitsvorstellungen Kants stehen ja glücklicherweise auch zivilisatorische Hmmungen entgegegen ;-)
Ich würde es Heidegger viel mehr anlasten, wenn er, um sich liebKind bei den Nazis zu machen tatsächlich irgendeinen Nazi-Kitsch verfasst hätte, als wenn er die allgemeinen Zuschreibungen über Juden unhinterfragt in sein Denken integriert.
Muss noch dazu sagen, dass ich hier die entgegengesetzte meiner sonst üblichen Position vertrete, normal bin ich diejenige, die für Verantwortungsethik eintritt, der Sie hier ja aufs allerschönste Repräsentanz verleihen.
Das mit den Überschriften ist wirklich ein Problem, unter dem ich hier ständig leide.
Kann ich gut verstehen, ich hatte letztens auch einen Schreck diesbezüglich.
Wenn das nicht so wäre, würden Sie mich ja gar nicht kennengelernt haben.
Versteh ich zwar nicht ganz (ich hab Sie doch nicht über reißerische Überschreiften gefunden, sondern über irgendein Musikblog glaub ich...) der Haken an der Sache ist allerdings, ich hab Sie leider nicht kennengelernt ;-)
oh, das wäre sehr schön und erfreulich, wenn Sie Zeit finden könnten. Leider geht die Zeit über einige interessante Themen hinweg. Ich hatte schon überlegt, ob ich das anderweitig zuschicken soll, aber ich kam nicht wirklich auf die Idee, wie ich den Zusammenhang hätte herstellen können.
Bei meiner ersten Randnotiz zum Fragen, die ich hier quasi ganz unschuldig einstellte, war mir in keiner Weise bewußt, dass Sie selbst schon seit Jahren und Jahrzehnten scheinbar zu dem Thema meditieren und schreiben.
Es bleibt zumal philosophisch ein Kerngebiet. Und ich finde, letztlich, auch sozial und eben, hier relevant, medial.
Der Paradigmenwechsel ohne Fragen ist mir ehrlich gesagt etwas schleierhaft geblieben. Aber grundsätzlich muss nicht jeder Verstand oder Geist, oder wie auch immer wir das nennen wollen, nach der gleichen Betriebsanleitung funktionieren.
ja, eigene kinder verändern das leben schon stark ... es kommt einfach eine total vertraute und doch fremde sicht ... durch fragen und kommentare dazu ... von allen anderen dingen mal abgesehen
am geschlecht liegt es meiner meinung nach nicht ... könnte mir eher vorstellen, dass ein leben mit vielen selbst gut gelösten und überstandenen konflikten, denen man nicht ausgewichen ist ... nicht mit "geld" zu bezahlen ist
Ist hoffentlich nicht zu direkt gefragt!?
ich hab kein problem damit ... mag es sogar:-)))
nee, für mich bist du ein ehrgeiziger denker ... vielleicht einer, der einen guten ausgleich dazu braucht und noch nicht gefunden hat??? oder es nie so gesehen hat??? ... aber nimm es nicht so wichtig!!! das ist nur meine ehrliche antwort nach den tippereien mit dir ...
Ich wollte damit sagen, daß Sie mich nicht kennengelernt hätten, wenn ich nicht (auch) in der Zeitung schriebe, und daß man in der Zeitung keinen guten Grund hat, sich gegen reißerische Überschriften zu wehren.
Daß Sie mich nicht näher kennengelernt haben, bedauern Sie das mal nicht. Der Mensch und seine vielleicht schöne Sprache sind zweierlei. Außerdem bin ich etwas menschenscheu.
Was meinen Sie denn mit "der Paradigmenwechsel ohne Fragen"?
Das bezieht sich auf einige Gedankengänge, die ich derzeit nicht wirklich rekonstruieren kann, und auch beim Lesen Ihres Artikels „Das Fragen | Wie denkt man?“ nicht gründlich erspürt hatte. Da ich nur von außen, vom einfachen Fragen her, mal reingeschaut hatte. Es gab da dieses Zitat eines Lesers:
»In seinem Hauptwerk The Structure of Scientific Revolutions beschreibt Kuhn die Wissenschaft als eine Folge von Phasen der Normalwissenschaft und von wissenschaftlichen Revolutionen. Ein zentrales Konzept ist hierbei das des Paradigmas. Eine Revolution ist nach Kuhn ein Paradigmenwechsel. Das Verhältnis von Paradigmen, zwischen denen eine Revolution liegt, bezeichnet Kuhn als inkommensurabel, was hier bedeutet: nicht mit dem gleichen (begrifflichen) Maß messbar.
aus Thomas S. Kuhn auf Wikipedia«
Sie hatte sich wohl weiter unten schon etwas kritisch damals auf diese Quelle hin geäußert.
Aber irgendwie hatte sich das in das Frage-Thema eingeschlichen, nach meinem Empfinden.
Die Inkommensurabilität der Paradigmen (im Zitat) besagt wohl auch soviel wie, dass sie nicht auf einer Ebene oder einem und demselben geschichtlichen Verlauf liegen. Dass sie grundsätzlich jeweils auf andere konkrete Grundbedingungen aufbauen. D. h. ihr Auftauchen ist nicht beliebig oder austauschbar. Und quasi je aus sich heraus zu verstehen, nicht an neutralen Vergleichspunkten messbar oder ableitbar. Und ihr Ausgangspunkt ist nicht derselbe.
Die Normalwissenschaft, zwischen den Paradigmen, ist dann wohl eine Etappe des Fragens, des Thesenbildens, der Antworten. Doch scheint mir kein flüssiger Übergang möglich, nach der vorstehenden Erklärung. D. h. wir nehmen einen historischen / politischen Sprung an. Was man so erklären könnte, dass die Fragen und Antworten der Normalwissenschaft einfach ab gewissen Punkten nicht mehr ausreichen, um den tatsächlichen Veränderungen gerecht zu werden oder um diese zu erfassen. Es kommt insofern zwangsläufig zu nicht „erfragten“ Paradigmen, sondern sie „kristallisieren“ sich heraus.
Eher unbewusst hatte sich bei mir nun der Gedanke eingeschlichen, dass ein schneller Paradigmenwechsel durch ohnehin vermiedenes Fragen sozusagen „forciert“ werden könnte. Jedenfalls hat sich aufgrund des eben kurz Dargelegten bei mir ein Verständnis eingestellt, als stünden Fragen und Paradigmen in einer gewissen Konkurrenz bzw. meiden sich wie Öl und Wasser oder so ähnlich. Nur ein Eindruck meinerseits. Und ich war der Wissenschaftstheorie auch nicht weiter nachgegangen. Wollte nur zum Fragen etwas finden, sagen bzw. schreiben.
Also hier ohne direkten Bezug auf Heidegger.
Von einem Paradigma, etwa Aristoteles, dann Galilei / Newton, dann Einstein werden bestimmte Fragestellungen, -richtungen grundgelegt und diese werden dann, nachdem die Betreffenden ihre „wissenschaftliche Revolution“ vollbracht haben, in einem damit jeweils einsetzenden „normalwissenschaftlichen“ Zeitalter abgearbeitet, d.h. da werden die Fragen der Betreffenden so wie gestellt akzeptiert und nicht ihrerseits infragegestellt. Was passiert nun aber in der „wissenschaftlichen Revolution“? Meine These, aufbauend auf vereinzelten Hinweisen etwa von Anneliese Meier, aber auch von Kuhn selber (ich glaube ich hatte ihn dazu in dem Thread zitiert): Da wird auch gefragt und geantwortet – auch hier also durchaus keine „Konkurrenz“ von Paradigma und Fragen! -, nur daß da der Frage nicht gefolgt, sondern ihr widersprochen / sie als eine Konfusion aufgelöst wird. Da ist so wenig eine „Konkurrenz“, daß hier überhaupt erst ermessen werden kann, was Fragen sind, daß sie nämlich mit mehr oder weniger freudigem Einverständnis der Fragenden als „falsch gestellt“ zurückgewiesen werden können; daß dieses regelgemäß ist. Würden Sie nur die Fragen betrachten, die während der „normalwissenschaftlichen“ Phase bearbeitet werden, hätten Sie gar keine Chance zu sehen, daß Fragen nicht dasselbe wie Befehle sind.
Zu sagen, erst wenn alle Juden Geldverleiher sind, darf man dem Judentum das "Rechnerische" unterstellen, ist ein wenig zu eng gedacht. Schließlich waren auch nicht alle Deutschen Nazis.
Dass das Judentum von je her eng mit dem Finanzwesen verbunden war, ist im Grunde eine Tatsache, die historische Ursachen hat, aber schlicht und einfach nicht zu leugnen ist.
Und daran ist ja überhaupt nichts schlimmes. Banken sind nicht per se moralisch despektabel.
Was mich an der momentanen Heidegger Diskussion ärgert, ist eben jener argumentative Kurzschluss: Heidegger kritisiert das Rechnerische, Heidegger sieht im Judentum das Rechnerische prominent verwurzelt, also ist er Antisemit und ist ein Befürworter des Holocaust.
Ich kritisiere die heutigen Finanzakteure auch heftig, doch deswegen will ich sie doch noch lange nicht in die Gaskammer schicken.
Das Weltjudentum, aufgestachelt durch die aus Deutschland hinausgelassenen (!) Emigranten, ist überall fassbar und braucht sich bei aller Machtentfaltung (!) nirgends an kriegerischen Handlungen zu beteiligen, wogegen uns (!) nur bleibt, das beste Blut der Besten (!) des eigenen Volkes (!) zu opfern (Schwarze Hefte).
Aber nein, sagt Thomas W70, Heidegger war kein Antisemit. So wie Thomas W70 ein Humanist ist der die heutigen Finanzakteure, also auch die Juden ("die ja von jeh her mit dem Finanzwesen eng verbunden waren") wie Heidegger heftig kritisiert, aber "deswegen doch noch lange nicht in die Gaskammer schicken (will)" .
Erstaunlich ist die Erkenntnisresistenz im Falle Heidegger, erschreckend sind die Sprachbilder, die beim Versuch der Verteidigung Heideggers entstehen.
"Doch sollte Nietzsche wirklich völlig mißverstanden sein, hat er sich wirklich viel Mühe dazu gegeben, bzw. wenig, um dem entgegenzuwirken. "
Das verstehe ich nicht. Wie meinen Sie das?
Ihr Beispiel spricht doch eher für das Gegenteil, auch wenn Nietzsche noch keine Vorstellung vom Volkskörper der Nazis nebem dem Staat, noch vom menschelnd Langen Marsch durch die Institutionen hatte!
»Wo der Staat aufhört, fängt der Mensch erst an.«
Ob das zum NS-Gedankengut taugt?!
Über einige Umwege evtl. schon
Schon in meinem ersten Kommentar schrieb ich, dass überhaupt kein Zweifel bestehen kann an der Judenfeindlichkeit Heideggers.
Was ich kritisiere, ist, dass man zu keinerlei Differenzierung bereit ist. Ich selber teile die Blut und Boden Romantik Heideggers nicht im geringsten, doch trotzdem ärgere ich mich, dass man aus den kulturkritischen Bemerkungen Heideggers, so befremdlich sich auch sein mögen, sofort ganz selbstverständlich folgert, dass Heidegger den Holocaust befürwortet hat.
Den triumphalistischen Kritikern sollte zu denken geben, dass Hannah Arendt Heidegger zwar vorgeworfen hat, nicht genügend Widerstand geleistet zu haben, doch selbst sie, die nicht nur seine Philosophie sondern ihn auch als Person gut kannte und das Recht gehabt hätte moralisch über Heidegger zu urteilen, hat ihm soetwas nie unterstellt.
Was Heidegger in Bezug auf das Judentum formuliert, etwa das Thema der Entwurzelung, ist auch überhaupt nicht originell sondern sind im Grunde Allgemeinplätze, die schon seit dem 19. Jahrhundert immer wieder, auch innerhalb jüdischer Zirkel diskutiert worden waren.
Dass Nietzsche sonst sehr leicht in die Ecke des NS-Gedankenguts gestellt wird, bzw. als Vordenker dazu verkauft wird, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erklären?
Mein ausgewählter Satz markiert ja eigentlich eine Umbruchzone, wo man meinen könnte, er sei gar nicht in dem Verdacht zum NS-Vordenker zu nehmen. Die Nietzsche-Interpretation erschöpft sich ja häufig sehr flach am Wort Übermensch.
Warum verstehen Sie das nicht? Kommt Ihnen Nietzsche sonst eher als Garant vollkommener Demokratie vor?
Nein, daß er den Holocaust befürwortet habe, das hat ihm doch noch nie jemand unterstellt. "Nur" daß er antisemitisch dachte. Daß er darin nicht originell war, habe ich selbst geschrieben. Was ich nur bemerkswert finde, ist, daß er diese Gedanken nach 1938 niederschreibt: Da sind das keine bloßen kulturellen Allgemeinplätze mehr, sondern sie werden vor dem Hintergrund dessen geschrieben, was bis dahin gegen die Juden schon alles unternommen worden ist. Ich denke schon, das muß man laut kritisieren. Es macht nicht seine ganze Philosophie ungeschehen, aber daß es eine Nebensache ist, kann ich nun auch nicht finden.
»Erstaunlich ist die Erkenntnisresistenz im Falle Heidegger«
Wenn ich den Satz mal einfach so aufgreife, und diesen wohlwollend weiterdenken würde, dann könnte es sein, dass diese Resistenz unter anderem darin besteht: dass Heidegger auch als ein autonomer Denker wahrgenommen wird. Autonom auch als ein Auf sich (Zurück) Bezogensein.
Das Bedürfnis nach Autonomie scheint im Denken verankert zu sein, und ist auch demokratisch nicht unwichtig. Vielleicht äußert sich in der Resistenz ein unbewusstes Bedürfnis nach solcher Autonomie, das an anderen, gesellschaftlich akzeptierten Akteuren so nicht festgemacht werden kann. Bspw. da diese nicht als eigenständig, sondern als in sozialer Verflechtung wahrgenommen werden.
Dazu passt im öffentlichen Disput auch oft diese leicht aufgesetzt wirkende, urteilsautonome Sprache (der Verfechter Heideggers), als hätten sie in allem, auch den unüberprüfbarsten Aussagen, Wahrheiten zu sagen. Die man nur der Höflichkeit halber oder in Ansehung der Demokratie nicht durchsetzt, sondern nur zum Relativieren bestehender Vorwürfe verwendet.
Vorwürfe, die, jetzt nochmals unbewusst, als gegen Autonomie gerichtet erscheinen oder jeweils so wahrgenommen werden. Eine Selbstschutzfunktion möglicherweise.
Wäre doch möglich, dass hierbei derart unbewusst wirkenden Kräfte am Werk sind, die insofern noch nicht einmal Aussagen über die politisch-geistigen Hintergründe jeweils zuließen?
Die Vorstellung der wissenschaftlichen Revolution ist ja noch sehr Personen zentriert. Letztlich ist es aber wohl auch so, dass oft einzige Denker in einer Einheit ihres Lebens etwas Neues hervorbrachten. Vielleicht ist dies aber Frage und Problem der historischen Sichtweise, dass man dort in der Vergangenheit keine kooperativen Einheiten findet.
Z.B. bei dem Werk von Laotse Taoteking (daodejing) wurde diskutiert, ob es überhaupt das Werk eines einzelnen Denkers war. Ähnliches bei Homer.
Die Vorstellung vom Normalwissenschaftlichen finde ich einerseits plausibel, andererseits problematisch. Sie scheint zum Beispiel wenig mit dem Vorgehen der Kritischen Theorie übereinstimmen zu können. Die ja doch das kritische Prüfen quasi jedes Begriffs mit im Plan hatte (ich denke an Adorno / Marcuse etc). Das soll ja auch keine hohle Phrase sein. Obwohl man die Phase der Kritischen Theorie evtl. tatsächlich als bewusste Vermeidung des Normalwissenschaftlichen werten könnte. Zumindest ihre Gegner werden das so gesehen haben. Es wäre zu überlegen, ob aus diesen Vermeidungstaktiken auch Folgen auf die Paradigmen ausgehen, etwa, dass sie auch ausbleiben, prosaisch zergehen.
Bei den Paradigmen könnte ich mir gut vorstellen, es gibt solche die man meiden möchte, und solche die man sucht. Nur, dass dies so exakt wohl niemand bestimmen kann. Ob z.B. auch Verzögerungen von Paradigmen entstehen können?
Heidegger wurde ja auch als mögliche Figur einer wissenschaftlichen Revolution gesehen. Was vielleicht eine zusätzliche Faszination auslöst. Ich denke, gerade außerhalb Deutschlands wird er eher so gelesen. Man tut ja bisweilen so, als handelt es sich um eine doppelte Person: der gesellschaftlich beeinflusste, zwischenzeitig national-sozialistische, Heidegger, und der freie, originelle, existentialistische Heidegger, der die Seins- und Daseinsfrage neu aufwirft. Und das Wesen der Sprache neu entdeckt. In dieser Doppelung wird er an sich heute noch oft gelesen.
Das Motiv der falsch gestellten Fragen ist wohl auch bei Kant überliefert. Er war wohl soweit gegangen, auch vom falschen Denken zu reden bzw. zu schreiben, an sich infolge falschen Fragens.
Dennoch scheint die Rückweisung der Frage eine Übung für sich zu sein. Sinnvoll zumindest, wie ich es mir jetzt vorstelle, ist es eben nicht nur ein Kopfschütteln, was wohl auch ginge, als universelles begründungsloses Zurückweisen, sondern scheinbar ein gekonntes Zurückweisen. Irgendwie muss ja die Konfusion als solche erkannt werden können, ohne dabei mit alltäglichen Stimmungen vertauscht zu werden, etwa mit der Lust (auf Frage und Antwort).
Sicherlich kann man manchen Fragen auch (für gewisse Zeit lang) aus dem Weg gehen. Was natürlich nicht wirklich das gleiche ist, wie zu widersprechen. Aber ein Teil der Befehlsform läge womöglich schon im Angesprochensein. Eine Form womöglich der Verfügbarkeit (für andere).
Ich kann mir aber ebenso vorstellen, dass es hier auch zu Überempfindlichkeiten komme kann. Sich nicht angesprochen zu fühlen ist teilweise zumindest gar nicht so freudig und unaufgesetzt. Also auch nicht frei und natürlich. Oder man schaltet gedanklich auf Durchzug.
Befehl finde ich etwas problematisch. Obwohl die Konstellation zur Frage einsichtig wurde. Ich meine nur, der Befehl setzt eine autoritäre Sphäre voraus. Das Fragen der Kinder oder der lustwandelnden Philosophen kann ich mir jedoch auch ohne diese autoritäre Aura vorstellen. Da entscheiden evtl. auch subjektive Einsichten (etwa Erlebnisse während der Kindheit).
Befehl nur als Ausruf mit möglicher Forderung, also nicht nur als Aussage, aufzufassen, das wäre noch eher dann die reversible Form der Frage. Also »!« vs. »?«. Dann bliebe der einfache Satz aber als neutrales Drittes übrig. Oder sehe ich das falsch?
Ein indirektes Frageverbot, woran ich zuerst etwas beim Widersprechen, Auflösen und Rückweisen denken musste, scheint mir jedoch in keiner Weise eine Verbesserung der Lage zu bringen. Das könnte aber schon bei Heidegger eine Intention sein. Es gibt das irgendwo eine Passage (ich bin mir gerade nicht sicher, ob Sein und Zeit), wo er von der Aufsässigkeit schreibt. Vom lästigen Befragt Werden sozusagen. Es ist wohl bis heute ein Problem sogenannter „herrschaftlicher“ Ämter (was immer auch alles darunter subsumiert werden könnte), mit Fragen umzugehen.
Irgendwann werden die Methoden vielleicht zu gleich, oben und unten (symbolisch gesprochen), hüben wie drüben. Ich meine, wenn sich Kritik und Auflösen der Konfusion im Imitieren der Herrschaft äußern, was sind sie dann noch wert?! Eine gegenseitige Zurückweisung?!
Ich denke Sie bringen mit "nur antisemitisch" das Missverständnis auf den Punkt.Denn das meiste, was Heidegger in Bezug auf Juden sagt ist im Grunde Kapitalismuskritik. Doch wenn man Heidegger als Antikapitalisten bezeichnen würde, würde das nicht die geringste Empörung auslösen, ganz im Gegenteil. In der Bezeichnung "Antisemit" steckt eben viel mehr als nur jemand, der die jüdische Kultur ablehnt, da schwingt eben immer etwas vom Holocaust mit.Ich kann nur immer wiederholen, dass ich im Falle Heidegger keineswegs auf "unschuldig" plädiere, dazu sind die Konvergenzen mit der Naziideologie, wie Sie ja auch sehr richtig darstellen, zu groß und auch zu bedenklich.Doch der Unterton des "schuldig", das das gesamte deutschsprachige Feuilleton nahezu einhellig über Heidegger gesprochen hat, als ob damit Heidegger als Denker nun erledigt und indiskutabel wäre, halte ich mit seinem ressentimentgeladenem "Daumen runter" für intellektuell nicht angemessen.
"»Wo der Staat aufhört, fängt der Mensch erst an.
Ob das zum NS-Gedankengut taugt?!
Über einige Umwege evtl. schon."
Ist dann wohl eher ironisch gemeint?, wenn ja, weil im "WIR" der Staat steckt und wir individuell erst da in unserem "ich" sind, wo der Staat aufhört?
«
Also ich wollte nicht extra Mißverständnis produzieren. Ich dachte, wir würden uns besser verstehen. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, wie es gemeint gewesen sein könnte, ist es gar nicht so leicht, das passend und knapp zu bestimmen. Ironisch ist nicht wirklich das richtige Wort. Eher sarkastisch von zwei Seiten her gedacht. Aber selbst die zwei Seiten sind dann nicht genau anzugeben.
An das WIR dachte ich gar nicht. Staat und Volkskörper waren zwar auch zur NS-Zeit nicht identisch, doch garantiert keine auf Ausgleich bedachten Entgegensetzungen, wie etwa in einer Gewalten teilenden Republik oder Demokratie. (vgl. die knappe Darstellung zur NS-Gesellschaft im Abschnitt »Subjektivität als eingeschränkter Maßstab« in meinem Artikel.)
Der spätere NS-Staat war ja auch der Kriegsstaat, der dann nicht einfach nur irgendwo aufhörte, sondern sich gemäß der Kriegslogik der Zeit ausdehnte. Es gibt doch diese landläufig bekannte Phrase aus der Dritten Reichs Zeit: heute gehört uns Deutschland, morgen die ganze Welt.
Insofern, auf das Zitat von Nietzsche bezogen, findet das Anfangen des Menschen im Jenseits des Staates dann nicht mehr statt. Weil es dieses Jenseits nicht mehr gibt bzw. vom Staat eingeholt wird. Der NS-Staat war ja auch als eines der größten Kontrollsysteme konzipiert. Da war quasi nichts bis sehr wenig dem Zufall überlassen. Am allerwenigsten irgendeine romantische Menschenvision, die in dem Zitat noch enthalten sein könnte. Oder sagen wir: vor-romantisch / Rousseauistisch.
Es gab ja auch nicht nur die Kriegslogik des Ausdehnens, sondern auch andere Geheimdienst Aktivitäten, die sich ausdehnten, wie etwa auch im Stalinismus. Da war kein rettendes Südamerika mehr, wo der Staat nicht mehr hinreichte und der Mensch hätte anfangen können. Trotzki hatte das am eigenen Leib erfahren. Nur ein vergleichbares Beispiel.
Weil Staat ja überall wäre. Ironisch ist das nicht gerade. Ansonsten, auf den ersten Blick, kann das sinngemäße Zitat doch als gegen Staat (und damit auch NS-Staat) gerichtet gelesen werden. Wenn man die Betonung z.B. auf Mensch legt. Nietzsche war vielleicht wirklich kein ausgesprochener Staatsdienertyp. Doch sein Staatsbild war auch noch leicht durch allerlei soziale Veranstaltungen geprägt. Daher wäre der Staatsbegriff eh strittig.
Im Menschen könnte man bei Nietzsche evtl. schon noch den Rousseauschen Menschen wahrnehmen, der in der Natur (also jenseits des Staates) zu sich kommt bzw. zu seiner Freiheit. Staat meint ja dann Unfreiheit.
Vielleicht ist es jetzt etwas klarer geworden?
Ich hatte gerade Anlaß, auf den Artikel zurückzugreifen, und stoße da wieder auf diese Antwort, die ich Ihnen gegeben habe. Tut mir leid! Der Inhalt meiner Antwort ist sowieso Unsinn. Ich bin nicht menschenscheu und habe mich auch schon mit etlichen Bloggern getroffen. Aber selbst wenn sie kein Unsinn wäre, hätte ich sowas nicht hinschreiben sollen. Ich tröste mich nur damit, daß Sie ja Psychologin sind und deshalb, anders als ich, wenn ich so eine Antwort empfangen müßte, nicht geglaubt haben werden, ich hätte da etwas über Sie, über meine Haltung zu Ihnen gesagt. (Ich sollte vielleicht mal mein Foto austauschen, es gibt meine gegenwärtige Seelenlage nicht so gut wieder.)
Lieber Michael,
tja die Tücken der Internet-Kommunikation ;-)
Ich kann Ihnen nur versichern, dass im Psychologiestudium die Kristallkugeln nicht zum Einsatz kommen ^^ und man daher auch nur das versteht, was gesagt wird (und das auch nur besten Fall ;-)