Kühne Alternativen

Sondierung Es gäbe gute Gründe für Neuwahlen. Und noch bessere für eine Minderheitsregierung
Ausgabe 45/2017
Statt vor Neuwahlen zurückzuweichen, könnte man das noch Kühnere ins Auge fassen: eine Minderheitsregierung
Statt vor Neuwahlen zurückzuweichen, könnte man das noch Kühnere ins Auge fassen: eine Minderheitsregierung

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Mindestens die FDP hat ein Interesse daran, Neuwahlen einer Koalition vorzuziehen, in der sie als Mitläufer wahrgenommen würde – als Mitläufer, der seine Ziele nicht durchsetzt. Denn genau so lief es bei der letzten schwarz-gelben Regierung, die mit ihrem Rauswurf aus dem Bundestag endete.

Deshalb ist die Option Neuwahlen real und es stellt sich die Frage, ob man sie für vertretbar hält oder glaubt, es gelte sie unbedingt zu vermeiden. Vor allem die Grünen müssten so fragen. Sie scheinen zwar schon wieder bereit, alle Grundsätze über Bord zu werfen; aber was eine „Ökopartei“ täte, die diesen Namen verdient, muss dennoch eingeschätzt werden.

Man muss sich vor Neuwahlen nicht fürchten. Eine konsequente Ökopartei würde darauf bauen, dass sich ihre unerlässlichen Grundsätze auf breite Mehrheiten in der Wahlbevölkerung stützen. Natürlich würde sie dafür sorgen, dass ihr nicht vorgeworfen werden kann, sie habe die Regierungsbildung leichtfertig torpediert. Denn das sehen auch Wählerinnen und Wähler nicht gern, die noch so sehr hinter grünen Zielen stehen. Aber dieses Schwarzer-Peter-Spiel lässt sich gewinnen, ohne dass man die Grenzsteine abräumt. Die FDP macht es gerade vor.

Auch ein mögliches Erstarken der AfD überzeugt nicht als Gegenargument. Die AfD wird deshalb stärker, weil sie den politischen Betrieb als verlogen darstellen kann. Wer nun schon wieder Wahlversprechen bricht, der arbeitet ihr also zu.

Statt aber vor Neuwahlen zurückzuweichen, könnte man das noch Kühnere ins Auge fassen, nämlich eine Minderheitsregierung. Ihre Möglichkeit ist im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen. Wenn ein Kanzlerkandidat im Bundestag keine absolute Mehrheit findet, braucht er schließlich nur die relative zu erreichen. Die Grünen und auch die FDP können Angela Merkel zusichern, dass sie einer Unionsregierung immer dann zustimmen, wenn sich programmatische Schnittmengen ergeben. Sie könnten sie sogar ins Amt wählen, dann würde ihnen niemand den Schwarzen Peter zuschieben.

Freilich müsste der Bundespräsident einverstanden sein. Der aber heißt Frank-Walter Steinmeier, ist Sozialdemokrat, auch wenn die Parteimitgliedschaft ruht, und hat als solcher vielleicht das Interesse, Jamaika herbeizuzwingen: damit eine nur scheinbar gewandelte SPD den Popanz hat, auf den sie einschlagen kann.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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