Ein Satz hat am Wahlsonntag besonders gefallen, die Grünen wiederholten ihn immerzu: "Es geht um die Themen." Ach, wäre das schön. In Hamburg geht es zum Beispiel darum, ob der Bau des Kohlekraftwerks Moorburg verhindert werden kann. Wenn die CDU den Klimakiller zurückzieht, können wir mit ihr koalieren, sagen die Grünen. Das klingt gut, aber Aussagen dieser Art führen sich selbst ad absurdum: Wenn die FDP den Sozialstaat stärkt, Roland Koch zum Ausländerfreund wird ... Was wäre denn wirklich die Konsequenz, wenn es um die Themen ginge?
Auch in Hessen stehen Kohlekraftwerke zur Debatte. Andrea Ypsilanti ist die Einzige aus der Führungsriege der SPD, die sie ablehnt. Sie wäre von daher, und auch wegen ihrer Kritik an Hartz IV, auf Zusammenarbeit mit Grünen und Linkspartei verwiesen. Nun ist sie tatsächlich bereit, sich von beiden zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Präsidium und Vorstand der SPD haben Zustimmung signalisiert. Aber das soll nur eine Drohkulisse sein, um die FDP doch noch zur Ampelkoalition zu nötigen. Man stelle sich vor, die FDP gibt tatsächlich nach: Wie will Ypsilanti mit einer solchen Partei sozial und ökologisch regieren? Wir wissen natürlich, sie muss ihre Politik mit derjenigen Kurt Becks koordinieren. Dass der - um die FDP zu erpressen - Ypsilantis Wahl durch die Linke in Kauf nimmt, ist für ihn ein großer Schritt. Und dass er damit eine Woche vor der Hamburger Wahl herausrückte, war durchaus kein Fehler, auch wenn jetzt alle CDU-Zeitungen auf die Genossen einreden, es sei einer gewesen. Im Gegenteil, er hat der CDU das Argument geraubt, Ypsilanti handle wortbrüchig: In Hamburg wussten die Wähler vorher, wie es in Hessen weitergehen wird. Sie konnten die SPD abstrafen und haben es nur mäßig getan.
Das Problem ist aber eben Becks FDP-Präferenz. Um die Themen geht es ihm nicht vorrangig. Er mag sie in jüngster Zeit etwas mehr links buchstabiert haben, aber in linker Koalitionsstrategie drückt sich das nicht aus. Im Übrigen fragt man sich, was Beck von der FDP denn erwartet. Sie hat in Hessen wie in Hamburg dazu gewonnen, offenbar weil CDU-Wähler übergelaufen sind, denen Merkels unvermeidliche Anpassung an den Regierungspartner SPD zu weit geht. So erfüllt die FDP eine wichtige Funktion im rechten Lager. Es wäre dann aber von ihrem Standpunkt aus verrückt, mit der SPD zu koalieren. Warum sollte sie das rechte Lager zerstören? Es ist das Bollwerk des vor allem von ihr propagierten Neoliberalismus.
Angesichts der Zwänge, denen sie unterliegt, sind die Grünen zur Zeit das einzige "Zünglein an der Waage". Da sollten sie schon versuchen, Druck für Themen zu machen. Ginge ihre Taktik von der Frage aus: "Mit wem setzen wir unser ökologisches und soziales Programm am Besten durch?" - wir könnten schwer dagegen argumentieren. Überall gegen Kohlekraftwerke, in Hamburg mit Beust, in Hessen mit Ypsilanti, das wäre stark. Aber das Kalkül der Grünen ist ein anderes. Haben sie etwa kürzlich in Bremen ein Kohle-Aus zur Bedingung der Koalition mit der SPD gemacht? Nein, sie denken, wenn sie jetzt gleichzeitig in Hamburg mit der CDU gehen und in Hessen ihre Stimmen mit denen der Linken vereinen, wird Hamburg nicht als politischer Seitenwechsel wahrgenommen. Es geht aber im Grunde nur um diesen Wechsel. Denn Beust steht nun einmal nicht für den Ausstieg aus der Kohlepolitik. Und ebenso wenig die SPD. Die Grünen selbst sagen, in Hamburg spreche am meisten für eine große Koalition. Warum können sie dann nicht aufs Mitregieren verzichten?
Das Resultat beider Wahlen ist, dass die CDU verloren, die SPD dazu gewonnen hat. Sie gewinnt offenbar deshalb, weil manche Wähler ihrem Linksblinken mit Themen wie Mindestlohn, mehr Geld für ältere Arbeitslose und so weiter vertrauen. Wenn es ihr um die Themen ginge, wäre klar, was sie tun könnte. Sie könnte Minderheitskabinette bilden - in Hessen rot-grün, in Hamburg allein - und mit wechselnden Mehrheiten regieren. Die Fernsehkanäle stünden dieser großen Partei offen, eine Kampagne daraus zu machen: Da Deutschland, könnte sie sagen, mehrheitlich links steht, wir aber nicht mit Oskar Lafontaine verbündet sein wollen, ist das eine vernünftige und die einzig mögliche Option.
Aber nun wäre noch über die Linkspartei zu reden: Gregor Gysi, der vor Wochen noch eine Ypsilanti-Regierung mit wechselnden Mehrheiten in Kauf nehmen wollte, hat das jetzt zurückgenommen. "Wir wollen direkte Gespräche", sagt er dem Spiegel. Also ein Tolerierungsmodell. Warum denn nur? Ist die Veränderungskraft der Linken nicht gerade heute sehr groß, wo es gar keine "Gespräche" gibt - außer im Berliner Senat? Der war aber nicht die Avantgarde des Widerstands gegen Schröders Agenda-Politik.
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