Nur die Liebe zählt

Privilegien Homosexuelle Paare bekommen immer mehr Rechte. Das ist gut so. Aber wie zeitgemäß ist da noch der besondere Schutz der Ehe? Und was folgt daraus?
Ausgabe 25/2013
Mann und Frau? Oder ist das egal?
Mann und Frau? Oder ist das egal?

Foto: Herzau/laif

Kommende Woche wird das Gesetz im Bundestag beschlossen, das auch homosexuellen „eingetragenen Lebenspartnerschaften“ den Vorteil des „Ehegattensplittings“ verschafft. Es wurde eingebracht von den regierenden Unionsparteien, obwohl sie nach wie vor nicht bereit sind, die homosexuelle Ehe zu akzeptieren. Das Bundesverfassungsgericht hat sie dazu gezwungen.

Der dürre Sachverhalt birgt ein Nest von Widersprüchen und Unklarheiten. Das fängt mit der Frage an, was eigentlich der Unterschied zwischen einer Ehe und einer „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ sein soll. Die Ehe kommt doch gerade dann zustande, wenn Lebenspartner sich im Standesamt „eintragen“ lassen. So jedenfalls aus staatlicher Perspektive.

Wer sich auch kirchlich trauen lässt, kandidiert zudem, wie es heißt, für eine Eintragung ins Buch des Lebens. Das könnte man beiseite lassen, wäre nicht die staatliche Sicht von der kirchlichen teilweise beeinflusst, indem die „christlichen“ Unionsparteien der Behauptung der Päpste folgen, dass nur die Ehe von Mann und Frau „natürlich“ sei.

Fürs Verfassungsgericht wiederum, dessen Aufgabe es ist, das Grundgesetz zur Geltung zu bringen, kann und darf das kein Argument sein, der Ungleichbehandlung verschiedener Arten der „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ zuzustimmen, von denen nun einmal die heterosexuelle Ehe nur eine ist.

Versprechen der Treue

Aber was bedeutet es dann, dass die Ehe laut Grundgesetz unter „besonderem Schutz“ steht? Die Union würde gern antworten: dass sie mehr Rechte hat als die „eingetragene Lebenspartnerschaft“. Dem tritt aber das Verfassungsgericht entgegen. Zwar ist auch jetzt noch das Adoptivrecht das Privileg der Ehe, doch wird auch dieses fallen, wenn das Gericht bei seiner Linie bleibt.

Oder heißt „besonderer Schutz“, dass man die Hetero-Ehe propagiert, die Homo-Partnerschaft aber nur zulässt? Im Unionsverständnis wäre das wohl bereits Gleichbehandlung im Sinne von „Chancengleichheit“, denn jede(r) könnte wählen, und die Empfehlung, sich für die Hetero-Ehe zu entscheiden, käme nur hinzu. Kommt die Empfehlung allerdings von staatlicher Seite, kann von Gleichbehandlung keine Rede mehr sein. Bei einem „Wahlkampf“ wiederum, in dem verschiedene Staatskräfte – die Union einerseits, Grüne und Linke andererseits – darum streiten, was „natürlich“ sei und was nicht, kann vom höheren Schutz der Hetero-Ehe keine Rede sein.

Man fragt sich, ob die Konfusion nicht dadurch auflösbar ist, dass allen Lebenspartnerschaften alle Sonderrechte genommen werden, die, wie das Splitting, eine Bevorteilung darstellen. Wenn die Privilegien auch der Hetero-Ehe genommen würden, dann bliebe der Kern der kirchlichen Ehevorstellung übrig, nämlich das Versprechen lebenslanger Treue.

Freilich, warum gibt man es sich im Standesamt und vor dem Altar? Sollen Staat und Kirche das Versprechen „schützen“, das heißt, seine Einhaltung erzwingen, wenn die Lebensgefährten es selbst nicht mehr halten wollen? Kein Staat kann das noch beanspruchen. Der (römischen) Kirche ordnet man sich aber auch nicht mehr unter. Lebensgefährten, die das konsequent zu Ende denken, müssten eigentlich spätestens hier aus dem ganzen Diskurs aussteigen – nicht nur die staatliche und kirchliche Eheschließung, sondern auch die „Eintragung“ als „Lebenspartnerschaft“ verweigern.

Da ist es bemerkenswert, dass stattdessen auch Homosexuelle zunehmend das Recht auf Eheschließung fordern, in Deutschland etwa der Grüne Volker Beck. Sehen wir da nicht einem emanzipatorischen Rückschritt zu? Wie es scheint, strebt man in den Schoß des Staates, vielleicht gar der Kirche zurück; statt auf die „Eintragung“ zu verzichten, soll es auch noch „Ehe“ heißen.

Doch der Schein könnte trügen. Dafür spricht ein letztes Argument für den „besonderen Schutz der (Hetero-) Ehe“, obwohl oder weil es von allen das absurdeste ist. Es besagt, dass die Hetero-Ehe ein Menschenrecht ist, das dem Staat vorausliegt. Er hat es deshalb wie alle Menschenrechte zu schützen, während es ihm freisteht, die Homo-Lebenspartnerschaft per Gesetz zu gewähren.

Doch ist es etwa kein Menschenrecht, die hetero- oder homosexuelle Orientierung auszuleben? Und ist es dann nicht gerade die homosexuelle Orientierung, die des „besonderen Schutzes“ bedarf, weil sie nämlich nicht selten tätlich angegriffen wird, wo sie offen aufzutreten wagt?

Das zumindest sagen sich wahrscheinlich jene Schwulen, die wie Volker Beck das Eheschließungsrecht fordern. Ihnen übertriebene Ängstlichkeit vorzuwerfen, wäre kaum angebracht. Zwar wird man einwenden, die Angriffe nähmen immer mehr ab, wie ja dadurch dokumentiert sei, dass die Schwulen und Lesben immer mehr Rechte bekämen. Doch das ist ein Trugschluss. Gerade das Umgekehrte ist wahr: Je mehr Rechte sie bekommen, desto mehr kann die Gefahr tätlicher Angriffe wachsen.

Dergleichen geschieht, wenn eine Normalitätsgrenze verschoben wird. Menschen, die für unnormal galten, gelangen plötzlich ins Innere der Normalverteilung. Andere halten das schwer aus, weil sie ihre Subjekt-identität über eine ausschließende Differenz bestimmt haben, die jetzt keine mehr sein soll. Manche reagieren dann, indem sie die Differenz viel stärker betonen, als sie es zuvor getan haben.

Was „normal“ ist, erregt nun einmal mehr, als was rechtens ist. Wie jüngst in Frankreich: Die Einführung der Homo-Ehe baut nicht etwa Spannungen ab, sondern treibt den Protest auf die Straße. Dabei bringt sie nur die gebotene staatliche Gleichstellung zum Abschluss. Weil aber verbaler Protest in tätlichen übergehen kann, müssen Homosexuelle tatsächlich darauf bestehen, dass der Staat sie „besonders schützt“. Ob man nun alle „Lebenspartnerschaften“ Ehe nennt oder umgekehrt, spielt dabei gar keine Rolle.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur (FM)

studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. an der Universität Innsbruck für poststrukturalistische Philosophie inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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