Obama vermehrt das Unheil im Nahen Osten

IS Die Strategie des US-Präsidenten ist kein Beitrag zum Frieden, weil sie nicht in eine neue Nahostpolitik eingebettet ist

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Barack Obama in seiner Rede zur Lage der Nation am 10. September
Barack Obama in seiner Rede zur Lage der Nation am 10. September

Foto: Saul Loeb/ AFP/ Getty Images

Die vom US-Präsidenten Obama vorgestellte Strategie zur Bekämpfung des IS („Islamischen Staates“) wird von kaum einer Seite als das bezeichnet, was sie ist, nämlich ein Skandal. Wie sollte das auch geschehen? Die einen, unsere Regierung und deren Unterstützer, sind schon zufrieden, mit der Waffenlieferung an die Peshmerga ein Zeichen gesetzt zu haben, das nebenbei der einheimischen Waffenindustrie zugutekommt; die anderen sind so sehr gegen Kriege, dass sie noch gegen einen Krieg zur Verhinderung des Völkermords in Ruanda ihre Stimme erhoben hätten, weshalb das, was Obama jetzt in die Wege leitet, für sie nur irgendein Krieg neben allen anderen ist, die es schon gegeben hat.

Zugespitzt und mit der gebotenen Deutlichkeit kann Obamas Strategie in zwei Punkten zusammengefasst werden: Erstens, das Wüten der IS soll nicht auf der Stelle gestoppt werden, sondern sich noch Jahre lang fortsetzen. Es wäre natürlich auch möglich gewesen, mit Bodentruppen der USA gegen ihn vorzugehen in einem Krieg, der gegen gut 30.000 Kämpfer sicher noch schneller beendet worden wäre als vor einem Jahrzehnt der Krieg gegen Saddam Hussein. So wäre es auch geboten gewesen, denn der IS macht sich des Völkermords schuldig und diesen zu verhindern, haben sich auch die USA in der entsprechenden UN-Konvention verpflichtet. Andere Nationen hätten sich an ihre Seite gestellt, doch es ist klar, dass vor allem USA die Verantwortung tragen, haben sie doch durch ihren völkerrechtswidrigen Überfall auf den Irak vor einen Jahrzehnt die Lage selbst geschaffen, die jetzt so schrecklich eskaliert ist. Dieser Zusammenhang ist übrigens auch der Grund dafür, weshalb man das Verhalten der USA gerade hier und jetzt anprangern muss, ungeachtet anderer Fälle von Völkermord, in die auch nicht eingegriffen wurde und die keine öffentliche Debatte entfachten.

Zweitens, der Krieg in Syrien, als sei er nicht schrecklich genug, soll noch schrecklicher werden. Bisher war es so, dass zwischen zwei militärisch starken Kräften, dem Militär der Regierung und dem IS im Norden des Landes, von wo aus er in den Irak vorgestoßen ist, eine dritte deutlich schwächere Kraft agierte, die sogenannte gemäßigte Opposition. Obama beabsichtigt nun, sie durch Waffenlieferung genauso stark zu machen wie die anderen beiden. Dies soll angeblich dem Kampf gegen den IS dienen; da Obama aber deutlich hinzufügt, mit der syrischen Regierung werde er nie zusammenarbeiten, ist klar, was er tatsächlich anheizt. Nämlich den Kampf „jeder gegen jeden“ zwischen drei Kräften auf Augenhöhe, aus dem kein Sieger, aber viel Vernichtung hervorgehen wird. Arme Iraker – arme Syrer.

Auch mit dem Iran will Obama nicht zusammenarbeiten, obwohl doch die Atomverhandlungen bisher gut gelaufen sind. Weshalb nicht, kann man zwar nachvollziehen. Die US-amerikanischen Verbündeten in der Region sind eh schon irritiert über diese Verhandlungen und Obama meint sich zwischen dem Iran und Saudi-Arabien entscheiden zu müssen. Er muss es vielleicht auch wirklich – aber doch nur, weil er die verfahrene Situation nicht zum Anlass nimmt, weiter auszuholen und eine neue Nahostpolitik in die Wege zu leiten, um die Region zusammenzuführen, deren Spaltung durch den Irakkrieg seines Amtsvorgängers noch einmal vertieft wurde. Im Irak hat er erkannt, dass er Sunniten und Schiiten zur Zusammenarbeit nötigen muss; also wird er wissen, wie sehr es der ganzen Region not tut. Da müsste dann freilich auch Israel der Weg zur Kooperation gewiesen werden. So ist es nun einmal. Warum gibt Obama nicht freiwillig seinen Friedensnobelpreis zurück?

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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