Öko-Landbau lässt die Armen hungern

These 5 Unter der Lupe: Sechs skeptische Thesen zum Öko-Lifestyle. Was ist dran an den Vorwürfen gegen die so genannte nachhaltige Landwirtschaft?

Der ökologische Landbau sei eine romantische, reaktionäre Utopie; die Welt brauche proteinhaltige Nahrung und dafür nicht weniger, sondern mehr Industrialisierung als heute. Das Argument gibt es seit Jahrzehnten und es wird in Abständen neu aufgetischt, immer wenn Grund zur Annahme besteht, die vorausgegangene Debatte sei vergessen. Heute fügt man gern die Prognose hinzu, in Indien und China werde der Fleischbedarf bis 2020 gigantisch wachsen und müsse dann doch gedeckt werden.

In der Debatte werden irreführende Fragen gestellt. Falsche Behauptungen aufzustellen, hat man dann gar nicht nötig. Die Frage, ob Industrialisierung gebraucht wird, lenkt nämlich davon ab, was bedacht werden müsste, ginge es nicht um Profitmehrung. Welcher ökologische Landbau bedient sich denn nicht des Traktors? Welcher Öko-Bauer würde Einwände gegen die automatisierte Fütterung von Kühen erheben, bei der vom Computer individuelle Futtermengen und -mischungen errechnet, ausgegeben und von den Kühen selber abgeholt werden? Das Anliegen des Öko-Landbaus ist nicht Maschinenstürmerei, vielmehr geht es um Tierfreundlichkeit, Landschaftspflege, Solidarität mit Elends‑ gebieten und gesellschaftliche Selbstbestimmung der Ernährungsweise. Besonders die beiden letzten Punkte verdienen Aufmerksamkeit.

In der chinesischen Ernährungsweise zum Beispiel gilt immer noch die Proportion, die in Europa und Nordamerika seit dem 19. Jahrhundert auf den Kopf gestellt wurde: dass mehr pflanzliche als tierische Nahrung verbraucht wird. Es ist immer noch wahr, dass dies die gesündere Lebensweise ist. Doch davon will die westliche Industrie nichts hören, fragt nicht nach chinesischer Selbstbestimmung, sondern „prognostiziert“ die Übernahme des westlichen Modells.

Richtig wäre es, den Fleischkonsum generell zurückzufahren. Stattdessen wird an der Erfindung künstlichen Fleisches gearbeitet, damit die Verkäufe selbst dann noch wachsen können, wenn die Herden wegen ihres Methanausstoßes verringert werden müssen. Das Haupt-übel ist aber, dass eine reiche Weltregion wie Europa Agrargüter für den Export produziert, statt sich mit seiner Ernährungsautarkie zu begnügen. Würde ärmeren Gesellschaften solche Autarkie ebenfalls zugestanden, müsste die UN nicht von 25.000 Hungertoten pro Tag berichten.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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