Ob sie kommt oder nicht – beim Ziel der Zerschlagung des bundeseigenen Konzerns Deutsche Bahn (DB) sind sich FDP und Grüne offenbar recht einig. Der Bahnverkehr soll abgetrennt sein vom Schienennetz und den Bahnhöfen. Die FDP verspricht sich davon mehr Wettbewerb. Bisher gibt es kaum welchen, weil die DB die Trassenpreise hochhält; potenzielle Wettbewerber werden davon abgeschreckt. Würde aber die Infrastruktur in einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen billig gehalten, würden Großanbieter in den Markt für Hochgeschwindigkeitszüge einsteigen und der DB Konkurrenz machen, zum Beispiel aus Frankreich oder Italien. Das ist das Kalkül der FDP. Von den Grünen heißt es, sie hätten nichts dagegen, weil sie eine Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 anstreben; frei nach dem Motto, dass es egal sei, ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse, kann das wohl gern mit der FDP-Methode probiert werden.
Interessant ist nebenbei, dass die möglichen Ampel-Partner doch striktes Stillschweigen über ihre Koalitionsverhandlungen vereinbart hatten; das scheint aber nur insoweit zu gelten, als es der FDP nützt. Diese hatte sich erfreut geäußert, dass SPD und Grüne, anders als vorher die Unionsparteien, keinen Streit an die Öffentlichkeit dringen ließen. Mit ihrem jetzigen DB-Zerschlagungsplan geht die FDP auf Konfrontationskurs zur SPD, die von ihm nicht so begeistert ist. In den Medien wird verbreitet, die SPD sei noch dagegen, weil die dem DGB zugehörige Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft dann noch mehr Ärger mit der Gewerkschaft der Lokomotivführer bekäme. Könnte es nicht auch sein, dass die SPD eine andere Vorstellung von optimaler Organisation des Fernbahnverkehrs hat?
Um zu verstehen, worum gerade politisch gerungen wird, muss man bis zur Neuorganisation der Bahn im Jahr 1994 zurückgehen. Damals wurde die damalige Bundesbahn zusammengelegt mit der Bahn der ehemaligen DDR und zu einer Aktiengesellschaft umgewandelt. Zwar befindet sich diese Aktiengesellschaft vollständig im Besitz des Bundes. Entscheidend ist aber, dass sie seitdem wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen hat. Zuletzt ist viel von klimaschädlichen Subventionen die Rede gewesen, durch deren Beseitigung die Ampel-Koalitionäre Geld für ehrgeizige Klimapläne gewinnen könnten. Andere Wege der Geldbeschaffung – zum Beispiel höhere Steuern für Reiche oder eine Lockerung der Schuldenbremse – lässt die FDP ja nicht zu. Der Pendelverkehr mit dem Auto zum Beispiel wird subventioniert und muss es auch, weil die ländlichen Gebiete von der Bahn immer mehr vernachlässigt worden sind und es viele Menschen deshalb schwer haben, zur Arbeit zu kommen. Die Bahn selber wird aber nicht direkt subventioniert (außer durch die derzeitigen Corona-Hilfen). Und so waren hohe Trassenpreise eins ihrer Hauptmittel, sich wirtschaftlich über Wasser zu halten. Diese Preise haben nicht nur Konkurrenten abgeschreckt, sondern auch die Fahrkarten der eigenen Züge verteuert, wovon wiederum die Bahn-Bilanz profitiert hat.
Der Plan, die DB zu zerschlagen, rechtfertigt sich mit dieser Misere, die zweifellos nach Veränderung schreit. Aber schreit sie nach der Weisheit eines Christian Lindner? Es ist schon erstaunlich, wie weit die Grünen dem FDP-Chef entgegenkommen. Genauer gesagt kommt ihm die grüne Führung entgegen, die offenbar meint, es schade ihrer Partei ja nicht, wenn sie in einer Regierung wenig erreicht. Dass es vielleicht nicht der Partei, aber dem Klima schadet, müsste indessen die Parteibasis einwenden. Denn die Zeit ist angesichts des schnell voranschreitenden Klimawandels zu knapp geworden, um eine Methode nochmals zu probieren, deren Fragwürdigkeit längst erwiesen ist. Sie besteht vor allem darin, dem privaten Wettbewerb die Bekämpfung des Klimawandels zu übertragen, anstatt dieses Ziel durch politische Vorgaben zu erreichen. Das hat aber noch nie funktioniert.
Da ist es schon ausgesprochen verwunderlich, dass ausgerechnet die grüne Führung dem Marktradikalismus der FDP grünes Licht gibt, in einem Bereich, der eine Problemlösung durch Wettbewerb nicht einmal nahelegt. Man muss nur den Blick auf unsere Nachbarn richten. So hat die Trennung von Schienennetz und Bahnverkehr in Großbritannien vor allem zu großen Synergieverlusten geführt. Eine integrierte Bahn, so wie in der Schweiz, wäre viel besser; es müsste nur wieder aus der DB-Aktiengesellschaft eine Anstalt des öffentlichen Rechts werden. Und der Bundestag müsste endlich das vom Grundgesetz geforderte Fernverkehrsgesetz beschließen. Auf jeden Fall brauchen wir die gesetzliche Festschreibung inhaltlicher Ziele für den Bahnverkehr. Solche hätten längst auch dem derzeitigen Bahnkonzern politisch vorgegeben werden müssen: Orientierung am Gemeinwohl und damit verstärkte Anbindung der ländlichen Räume; Verkehrsverlagerung auf die Schiene und optimaler Service für die Kunden.
Wie genau die nächste Regierung agieren wird, wird sich erst im Laufe einer Legislatur zeigen. Das Beispiel Bahn aber lässt fragen: Brauchen wir eine Bundesregierung, die faktisch von der FDP geprägt wird? Die Grünen haben es in der Hand, das zu verhindern. Entweder indem sie stärker auf dem Klimaschutz als Messlatte für alle Politikbereiche bestehen. Oder indem sie Neuwahlen herbeiführen. In beiden Fällen würde das Klima am Ende profitieren.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.