Recht mager auf den ersten Blick erscheint das Resultat der Familiensynode der katholischen Kirche, die vom 4. bis 25. Oktober in Rom abgehalten wurde. Das Abschlussdokument lässt nur in einer Frage etwas Bewegung erkennen: Die Zulassung von Wiederverheirateten zur Kommunion bleibt zwar im Einklang mit dem Kirchenrecht ausgeschlossen, doch müssten, heißt es, die Einzelfälle und Umstände beurteilt werden. „Im Gespräch mit dem Priester kann ein Urteil über das gefällt werden, was einer volleren Teilhabe am Leben der Kirche entgegensteht.“
In allen anderen Fragen kommt gar nichts voran. Die Homosexuellen zum Beispiel hören wieder nur, dass die Kirche ihnen Respekt entgegenbringe; die homosexuelle Ehe wird weiter abgelehnt. Dabei hatte ein homosexueller Priester, der in der vatikanischen Glaubenskongregation arbeitete, noch kurz vor Beginn der Synode ein Zeichen zu setzen versucht, indem er sich outete. Er erreichte nur, dass er kurzerhand rausgeworfen wurde.
Wutschrei der Konservativen
Papst Franziskus äußerte sich verhalten unzufrieden über das Abschlussdokument, dessen rechtlicher Status darin besteht, dass es ihm Vorschläge unterbreitet. Viele Fragen seien unerledigt geblieben, aber er wolle den Weg der Öffnung weitergehen. Er lobte zwar die „lebhafte, offene Diskussion“ der Bischöfe, meinte aber ebenso, die Kirche habe nicht zu „verurteilen“, sondern barmherzig zu sein. Nach allem, was vom Streit der Bischöfe nach außen drang, muss darin ein päpstlicher Kommentar zur Unbarmherzigkeit der synodalen Minderheit gesehen werden. So äußern die deutschsprachigen Bischöfe gleich zu Beginn ihres Abschlussberichts „große Betroffenheit und Trauer“ über „die öffentlichen Äußerungen einzelner Synodenväter zu Personen, Inhalt und Verlauf der Synode“. Es ist offenbar heiß gekämpft worden. Daran gemessen ist das Synodenergebnis ein großer Schritt voran für Franziskus, ja vielleicht der erste substanzielle Erfolg, den er in seiner Amtszeit überhaupt errungen hat.
Nun könnte man zwar meinen, der Papst habe doch das Lehrprimat und brauche sich um die Meinung der Bischöfe gar nicht zu kümmern. Zudem gehört er dem Jesuitenorden an, dessen Grundregel der bedingungslose Gehorsam zum Papst ist. Sollte man nicht erwarten, ein Jesuit auf dem Papstthron forderte ihn besonders strikt für sich selbst ein? Wenn er es dann nicht tut, argwöhnt man, er verstecke sich hinter der Synode. Doch ist es auch denkbar, dass gerade ein Jesuit sich berufen fühlt, eine Gehorsamskultur zu ändern, von der er mehr versteht als andere. So hatte es ja eines Charles de Gaulle bedurft, der zunächst die Einheit des französischen Mutterlands und der Überseegebiete proklamierte, um den Algerienkrieg zu beenden. Franziskus will mit der Gehorsamskultur offenbar brechen, die Papstmacht freilich aufbewahren, und wenn es für Notfälle ist. Dass er nicht nur diese Synode einberief, sondern vor der Eröffnung von einer „synodalen Kirche“ sprach, war schon bemerkenswert.
In einer solchen Kirche sei es „nicht angebracht, dass der Papst die lokalen Bischöfe ersetzt“, so Franziskus. „In diesem Sinne verspüre ich die Notwendigkeit, in einem gesunden Dezentralismus weiterzumachen.“ Er hatte andererseits ein starkes Zeichen gesetzt, als er kurz vor der Eröffnung ohne Konsultation irgendwelcher Gremien die katholische Ehe-Annullierung vereinfachte. Sie war bisher so kompliziert und teuer, dass sich Katholiken ärmerer Länder dies kaum leisten konnten. Jetzt ist verfügt, dass ein Ehenichtigkeitsprozess nur ein Jahr dauern und es abgesehen von Personalkosten keine Gebühren geben darf. Der Wutschrei der Konservativen folgte prompt und ließ ahnen, wie die Synode verlaufen würde. „Franziskus hat seine Maske fallen lassen“, wurde ein hoher vatikanischer Geistlicher zitiert. Ein im Vatikan umlaufendes Dossier beklagte besonders das „Eilverfahren“, das „die Gefahr birgt, den Weg in die katholische Scheidung zu öffnen“. Eben dies, die Scheidung und Wiederverheiratung, wurde dann zum Hauptstreitthema der Synode.
In ihr wurden noch weit schärfere Töne laut. Kein Geringerer als Robert Sarah, gleichsam der Streitvorsitzende als Leiter der vatikanischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramente – denn die Ehe gilt als Sakrament, und wer sich dennoch scheidet und wieder verheiratet, darf im Gottesdienst die Hostie nicht mehr empfangen –, sagte öffentlich: Allein die Idee der Zulassung der Wiederverheirateten sei „des Teufels“. „Gewisse abendländische Kirchen“, die anderer Auffassung sind, bezeichnet er in einem soeben erschienenen Buch als häretisch. Selbst der Papst dürfe die Lehre nicht ändern. Sarah, ein afrikanischer Theologe, war auf der Synode Wortführer eines konservativen Widerstands, der auf seinem Kontinent fast einhellig ist. Da aber liegt das Problem. Franziskus mag als Papst noch so mächtig sein: Er darf nicht die Kirchenspaltung provozieren. Wenn jemand wie Sarah es sich erlauben kann und will, so zu sprechen, wie er spricht, ist die Spaltungsgefahr offenbar da.
Deshalb muss man die Taktik der deutschsprachigen Bischöfe bewundern. Sie vertreten die „gewisse Kirche“, die Sarah so wüst angreift und die tatsächlich auf der Synode den reformerischen Gegenpol gebildet hat. Ihre Linie war, die Beantwortung der Streitfrage müsse den Ortskirchen überlassen werden, dies aber wiederum verbargen sie unter der Forderung, der Einzelfall müsse darüber entscheiden, ob Wiederverheiratete zur Hostie zugelassen würden oder nicht. Es ist ähnlich wie im deutschen Abtreibungsrecht: Abtreibung ist nicht strafbar, doch muss ihr ein „Beratungs“gespräch vorausgehen. Faktisch läuft die Einzelfallregelung, die sich auf der Synode mit nur einer Stimme über der erforderlichen Zweidrittelmehrheit durchgesetzt hat, auf die Freiheit der Ortskirchen in dieser Frage hinaus. Ja, man kann davon ausgehen, dass in Deutschland die Zulassung Wiederverheirateter zur Regel wird. Aber das musste natürlich auch den afrikanischen Bischöfen klar sein, die sich gegen eine Regionalisierung der Seelsorge aussprachen. Es wäre deshalb nichts gewonnen gewesen, hätten die Deutschsprachigen die Einzelfallprüfung nicht dadurch stark gemacht, dass sie theologisch argumentierten.
Kardinal Walter Kasper, der im Vatikan bis zur Emeritierung für die Ökumene und die Beziehungen zum Judentum zuständig war, war der theologische Kopf der deutschsprachigen Gruppe. Da er mit Thomas von Aquin argumentierte, wurde es schwer bis unmöglich, ihm und den Deutschsprachigen, die seine Position übernahmen, den Geruch der Häresie anzuhängen. In seiner Summe der Theologie hatte Thomas geschrieben, Gerechtigkeit sei mehr, ja etwas anderes als Gesetzeserfüllung. Denn jedes Gesetz werde von einem Gesetzgeber erlassen, der zum Zeitpunkt der Gesetzgebung gar nicht wissen könne, was alles einmal unter das Gesetz fallen würde; „vielmehr geben die Gesetzgeber auf das Acht, was meistenfalls vorkommt“. Deshalb kämen immer wieder Fälle vor, in denen vom Gesetz abgewichen werden müsse. Damit werde das Gesetz aber nicht aufgehoben, sondern gerade so und nur so erfülle man es auf gerechte Weise. Das ist die Einzelfallprüfung, auf die Kasper hinauswill. Seine Argumentation blockierte den Widerstand, da ihr nicht vorgeworfen werden konnte, sie gebe die kirchliche Lehre auf.
Franziskus scheint mit den Deutschsprachigen von vornherein zusammengearbeitet zu haben. Er ist ein geschickter Politiker. Wegen der Ungleichzeitigkeit der Lebensverhältnisse auf den Kontinenten muss eine gewisse Regionalisierung der Kirche tatsächlich sein Ziel sein. Der protestantische Theologe Karl Barth hat sogar die Verschiedenheit der Konfessionen als Ausdruck einer Regionalisierung des Christentums interpretiert. So weit, dass noch mehr Konfessionen entstehen, kann und will es der Papst nicht kommen lassen.
Kommentare 13
..."Franziskus scheint mit den Deutschsprachigen von vornherein zusammengearbeitet zu haben. Er ist ein geschickter Politiker. Wegen der Ungleichzeitigkeit der Lebensverhältnisse auf den Kontinenten muss eine gewisse Regionalisierung der Kirche tatsächlich sein Ziel sein"...
Richtig, ein pragmatischer Profi der Franzl, mal schauen was er sagt wenn der Siebenten-Tags-Adventist Ben Carson in den USA die Praeserwahlen gewinnt, das koennte verdammt eng im Vatikan werden, Regionaltechnisch betrachtet.
;-)
Gruss
Der "Wutschrei" kommt nicht von ungefähr. Er demaskierte sie alle selbst, als wissende Maskenträger!
"Der Wutschrei der Konservativen folgte prompt und ließ ahnen, wie die Synode verlaufen würde. „Franziskus hat seine Maske fallen lassen“, und demaskierte diese Lügengesellschaft, die ihre dogmatische Einbildung über die Gewissensfreiheit der Menschen stellt.
Ich denke einmal, dass Priesterväter, die ihr Kind evtl. in einer Babyklappe entsorgen ließen oder sich auch sonst nicht um ihre Kinder kümmern und sie verleugnen, in einem ganz anderen dauerhaften Zustand der Todsünde leben und der Institution nichts anderes so wichtig ist, als dass dies niemand erfährt. Dabei dürfte vermutlich kein Priester seinen Zustand anders verstehen als den Seelennotstand seines Gewissens, Messen zu lesen und Sakramente zu erteilen, das der Beichte, der Ehe, der Eucharistie etc.
Nicht selten ist verklemmte Sexualität tatsächlich Ursache für schlimme Verbrechen. Unvorstellbar ist, dass dies in einer derart großen Institution mit allen abartigen Vorschriften, nicht der Fall sein könnte.
Wenn sich diese Hardliner aus den USA und Afrika mal mehr mit den eigenen Schriften auseinandersetzen würden, dann könnten sie erkennen, das sie genau jene Verhaltensweisen leben, die Jesus bereits an den Schriftgelehrten kritisiert hatte. Jedenfalls ist diese negative Theologie (falls es überhaupt eine ist) keine christliche.
Manche behaupten, möglicherweise nicht zu Unrecht, dass es sich bei denen, die Sie ansprechen, bestenfalls um religiöse Analphabeten handele. :-)
"In seiner Summe der Theologie hatte Thomas geschrieben, Gerechtigkeit sei mehr, ja etwas anderes als Gesetzeserfüllung. Denn jedes Gesetz werde von einem Gesetzgeber erlassen, der zum Zeitpunkt der Gesetzgebung gar nicht wissen könne, was alles einmal unter das Gesetz fallen würde..."
Wie weise vom großen Kirchenvater gedacht, wie wenig eingelöst.
Und die Sirenenklänge aus Afrika? Wer hat da die Ohren mit Wachs zu seiner Rettung verstopft? Papst Franziskus als der neue listige Odysseus. Mit ihm groovt es im Vatikan.
Über den Titel „Sirenenklänge“ habe ich zuerst gewundert. Aber der ihn gemacht hat, hat wahrscheinlich an die Alarmsirene gedacht. So wie du es deutest, das ist auch schön...
Thomas von Aquin hat mit seiner Gerechtigkeitslehre übrigens auf Aristoteles zurückgegriffen. Interessant finde ich auch, daß Kardinal Kasper noch vor drei Jahren in derselben Frage gegen Thomas argumentiert hat – in seinem Buch Barmherzigkeit, das ich heute zu lesen angefangen habe -, er hatte da wohl noch nicht erkannt, daß er gerade Thomas für seine Auffassung in Anspruch nehmen konnte. Dieser Mann, 82 Jahre schon alt, ist offenbar ein rühriger Geist.
Dieser Bildungswirt ist identisch...
""In seiner Summe der Theologie hatte Thomas geschrieben, Gerechtigkeit sei mehr, ja etwas anderes als Gesetzeserfüllung. Denn jedes Gesetz werde von einem Gesetzgeber erlassen, der zum Zeitpunkt der Gesetzgebung gar nicht wissen könne, was alles einmal unter das Gesetz fallen würde..."
Wohl wahr!, dazu hat der schwedische Autor Henning Mankel, geboren 1948, der sich insbesondere mit dem Altbundespräsidenten Horst Köhler für Solidarität mit Afrika stark gemacht hat, der trauriger Weise dieses Jahr viel zu früh verstorben ist, in dem dtv Buch "Mankel über Mankel" von Kirsten Jakobsen auf Seite 176 sinngemäß erklärt:
"Was ist Gesetzgebung, wem dient sie der Gerechtigkeit, wohl kaum, eher doch der Gleichgültigkeit gegenüber der realen Lage von Menschen?
Was ist Gerechtigkeit?, was kann Gerechtigkeit leisten, wenn es in Wahrheit, von der Wiege bis zur Bahre, um Solidarität unter den Menschen geht, die Demokratie zur Vorraussetzung hat. Demokratie fällt nicht vom Himmel, wie viele junge Menschen inzwischen ohne persönliche Ansprache durch Erwachsene glauben. Demokratie will alltäglich in Bildung, Ausbildung, Sport, Medien, Beruf erworben praktiziert sein
Mankel sagt, es wird in Schweden durchaus viel von gerechter Verteilung an Gütern, Werten, Chancen, Diensten gesprochen, als sei das die Lösung Dabei gehe es in Wirklichkeit darum, denen zu geben, die es brauchen, gleich wieviel die anderen bekommen
Nun, wenn der Papst unzufrieden ist oder sein sollte, dann ist das eine Sache, die andere Sache ist eben: der Papst hat das letzte Wort. Er entscheidet, und man wird sehen, ob und wie sehr er Kardinal Müller folgen wird; Müller, der Hardliner, meist zitierter katholischer Theologe der Gegenwart, sicherlich ein brillanter Kopf. ( Übrigens, qua Papstamt ist Franziskus von seinen Ordensverpflichtungen entbunden.)
Einmal mehr zeigen sich die Folgen, dass Johannes Paul II und sein Nachfolger Benedikt XVI konsequent konservative Bischöfe in Afrika, in Lateinamerika und wo immer sie konnten ins Amt gehoben haben. Das theologische Trauerspiel ist, dass die Katholische Kirche/Theologie ausdrücklich eine anthropologische Wende und insbesondere radikal seit Ende des 19. Jahrhunderts vollzogen hat.
Zu der sich zur Groteske zuspitzenden Diskussion um Geschiedene nur soviel: Theologisch unhaltbar, pochen allen voran der Dogmatiker Müller und seine Gewährsleute, z.B. Kurienkardinal Sarah, auf den status quo. Ein großer Fortschritt in dem Machtspiel wäre tatsächlich die Einzelprüfung, auch unter der Hervorhebung des Aspekts, dass die kirchliche Trauung viel mehr als romantische Folklore ist. Ein kluger Schachzug ist in dem Zusammenhang, auf die Usancen der Ortskirchen abzuheben. Damit schlägt man zum Beispiel einen wie Kurienkardinal Sarah mit dessen eigenen Argumenten. Als Sekretärs der Kongregation für die Evangelisierung der Völker hob Sarah ja stets die Bedeutung und Eigenständigkeit der Ortskirchen für die Wellkirche hervor. Und eben mit Hinweis auf Länder, in denen Homosexualität unter Strafe steht, argumentierte der erzkonservative Sarah stets mit Blick die auf Verfolgung von Katholiken und Christen, gegen eine tolerante Haltung.
Interessant zu beobachten, bleibt in dem Zusammenhang, inwieweit gegenüber den erzkonservativen jungen Kirchen in Afrika und Asien die materielle Macht der europäischen und amerikanischen Ortskirchen einsichtsbefördernd bzw. Kompromiss fördernd in die eine oder andere Richtung sein könnte. Als Franziskus gewählt wurden, ließen in der reichen Bostoner Diözese schon mal potente Spender (sollte Gegner der Kirchensteuer zu denken geben) schon mal die Muskeln spielen: Auf alle wichtigen TV-Kanälen ließ man mitteilen, was finanziell passieren werde, wenn sich der neue Papst hinsichtlich Kapitalismuskritik, Ehe und Familie, Frauen zu weit aus dem Fenster hänge.
Was die deutsche Bischofskonferenz anbelangt, ist die wirklich so einig? Es wird spannend, wenn es um die Zukunft der Schwangerschaftskonfliktberatung geht. Das ist ja im Kontext von Sexualität, Ehe, Familie eine offene Wunde. Der eigentliche Konflikt mit Tebartz von Elst war ja genau dieser Punkt, die eine Spaltung innerhalb der Bischofskonferenz offenlegte und die nur mehr mühselig gekittet werden kkonnte, und die damals Kardinal Lehmann dazu bewogen hat, den Vorsitz abzugeben, Tebartz von Elst den Bischofshut bescherte.
Tebartz von Elst, ganz das Gegenteil zu seinem Vorgänger , Bischof Kamphaus, einem der hartnäckigen Verfechter der Schwangerschaftskonfliktberatung, , hatte ja, ganz getreu seinem Förderer Kardinal Müller , den Text für die Deutsche Bischofskonferenz verfasst, deren Inhalt nichts anderes als den Ausstieg aus der Schwangerschaftskonfliktberatung bedeutete. Doch der bereits zu seiner Münsteraner Zeit unter Kollegen als Connaisseur von Luxus bekannte Tebartz-van Elst,beließ es auf seinem Bischofstuhl nicht beim Schreiben, sondern verfolgte in Limburg mit aller ihm zu Gebote stehenden Intoleranz und drakonischen Mitteln jene Katholiken und Katholikinnen, die sich nach dem Ausstieg aus der Konfliktberatung wohlwollend gegenüber der wiederum von Katholiken gegründeten Alternative Donum Vitae verhielten oder nur äußerten. Geistliche wurde von Tebartz-van Elst derart eingeschüchtert, sodass sich in seinem Bistum niemand mehr traute, öffentlich Stellung zu beziehen: Sogar die sich in jahrzehnterlanger Arbeit verdient gemacht habenden Vorsitzende der Katholischen Frauen spielte er übel mit, und erteilte schließlich dem als Konservativen bekannten, langedienten früheren Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Prof. Hans Maier, Hausverbot, weil der in seiner Autobiographie sich nicht kritisch genug über Donum Vitae geäußert hat. Zum Treppenwitz in der Causa gehört schließlich , dass Maier zur Lesung aus seinen Memoiren in einem evangelischen Kindergarten einlud.
Allein auf diesem Feld ist viel Porzellan von Rom aus zerschlagen worden, wenn man bedenkt, dass es eines Bauskandals bedurfte, um Tebartz-van Elst in Limburg loszuwerden. Theologisch hat die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel in Herder Korrespondenz 66 (2012) unter dem Titel "Nicht außerhalb der Kirche" überzeugend dargelegt, dass sowohl die Schwangerschaftskonfliktberatung als auch Donum Vitae mit dem Kirchenrecht und der Lehre vereinbar sind.
Mit der Einstellung zur Homosexualität freilich hat nicht nur die Katholische Kirche einen theologischen Fels zu bewegen, denn anders als bei Ehe, Familie, Sexualität, tangiert das die Exegese.
schon mal potente Spender, dieser Punkt, die der
Ich weiß, daß der Papst von seinen Ordensverpflichtungen entbunden ist, und hätte es auch hingeschrieben, habe mich aber vergeblich zu erinnern versucht, woher ich es weiß; jetzt, wo du es schreibst, fällt es mir ein: Du hast mich darüber informiert.
Kardinal Müller, ja; aber immerhin, die beiden Synodenpapiere des Circulus Germanicus wurden einstimmig beschlossen, also mit seiner Zustimmung. Man wagt es ja nicht zu glauben, aber sollte er sich von Kaspers Argumenten haben überzeugen lassen?
Daß die Deutschsprachigen sehr geschickt taktisch operiert haben, unterstreicht dein Hinweis, daß Sarah selbst mit den Ortskirchen aergumentiert hatte; ich wußte das nicht. (Auch dein Hintergrundbericht über Tebartz ist hochspannend.)
Ich denke, es zeigt sich, daß ein Papst aus Lateinamerika geradezu eine Vermittlerrolle im Gegensatz der Kontinentalkirchen spielen kann und daß Franziskus, dessen überragende Bedeutung mehr und mehr hervortritt, sich dessen auch bewußt ist.
Ja, die Homosexualität ist ein exegetisches Problem. Aber es ist eigentlich traurig und beschämend, daß es das ist. Ich habe dazu ja schon mal zwei Artikel hier geschrieben.
Lieber Michael,
an die Entbindung der Ordenspflichten erinnerte ich, weil sich daraus eine Entlastung für Franziskus ergibt, der als lateinamerikanischer Bischof ja keineswegs konform war mit der progressiven das Vatikanum II voranbringen wollende Ordensrichtung, insbesondere die des großartigen Pedro Arrupe.
Danke für den Hinweis auf Deine beiden Artikel zum Thema Homosexualität. Zu dem Zeitpunkt war ich leider nicht beim dF unterwegs. Ich gehe damit vollkommen d’accord. Dennoch und ich denke, da sind wir uns einig, ist die hermeneutische Ebene eine andere als die der schieren Traditionsbetonung. Die katholische Kirche hebt beide Linie -Schrift und Tradition- als gleichberechtigt hervor. Traurig ist, dass Tradition ein Bekenntnis zur Geschichte darstellt und über Tradition sich eben Veränderung - Veränderung und Reformulierung - der eigenen großen theologischen Tradition- im Katholizismus rechtfertigt und geboten ist. Traditionalisten wie Müller & Entourage wollen, wohlgemerkt nur an Stellen, wo es der eigenen Hierarchiestabilisierung bequemt, diese Tradition einzementieren und ihr das Vorwärts vorenthalten. Konkret bedeutet dies, Kritik das Konstruktive zu verweigern.
Übrigens Sarah, den ich ganz und gar nicht schätze, benutzt den Ausdruck "Teufelszeug", "Teufelswerk" mit Bedacht. Er knüpft an afrikanische Heiler an, die nicht selten Aids für ein "Teufelswerk" und Aids-Infizierte für vom Teufel Besessene halten. Sarah, und da ist durchaus eine Menge dran, sieht in der Promiskuität z.B. afrikanischer Männer eine der Haputursachen für AIDS. Die militante geistliche Lancierung der ehelichen Treue geht durchaus konform mit freikirchlichen Bewegungen, die für die Mainline-Churches in der Missionierung, für die Sarah zuständig war, eine massive Konkurrenz darstellen. Es geht, und da hat Tlacuache mit seinem Kommentar auf die Macht der Klerikalen in den USA schon eine richtige Lunte gelegt, schon lange nicht mehr nur um das Beharren auf die historische Verquickung von römischem Recht und jüdischer Seuchenhygiene in Ehe und Familie (…). Meine große Sorge ist, dass die Janusköpfigkeit der Bedeutung von "Ortskirche" zunehmend dahingehend ausschlägt, dass der großartige intellektuelle Reichtum der kontinental europäischen Theologie zugunsten der immens an Zuwachs gewinnenden jungen Kirchen in Afrika und Asien an Bedeutung verliert. Nicht umsonst hat Johannes Paul II und Benedikt XVI Konservative auf die Bischofstühle in Übersee gehievt, nicht umsonst ging es Benedikt XVI darum, Müller ganz schnell ins Amt des Obersten Glaubenshüter zu setzen. Am Ende bliebe es freilich ein Pyrrhussieg.
Zum Fall Tebartz: Ja, das war auch ein Stück Medienberichterstattung und Kommentierung im funselichen Lichte kirchlichen Analphabetismus, sodass die Hintergründe des Hintergrunds nicht wirklich beleuchtet wurden.
Umso mehr freut mich, dass dF den Mut hat, Deine Artikel über Kirche und Religion zu drucken. Das Thema hat Zukunft. Es ist traurig, dass ein Blatt wie die dZeit und die SZ, die für 15. Jahren noch theologische Bücher rezensierten, dazu nicht mehr in der Lage sind, jedenfalls nicht so wie ich mir das wünschte.
Du machst das ganz wunderbar differenziert, auch wenn die Kommentare unter Deinen Artikeln zum Großteil unterirdisch sind. Bitte am Ball bleiben.