Stillstand, aber ökologisch

Verkehr Elektroautos gelten als umweltgemäße Lösung für den Erhalt industrieller Arbeitsplätze. Doch auch das vermeintlich „grüne“ Wachstum führt in den Stau

Nein, man kann nicht sagen, unsere politische Klasse sei gar nicht beunruhigt wegen der ökologischen Schreckensszenarien, die auf uns zukommen.

Nichts geht ihr zwar über den Erhalt der Autoindustrie. Es sollen auch in Zukunft möglichst viele und immer mehr, immer mehr deutsche Autos verkauft werden. Deshalb die "Abwrackprämie", deshalb die permanente Anstrengung der deutschen Regierung, ökologische Vorgaben aus Brüssel abzumildern, die der deutschen Industrie Zusatzkosten bescheren könnten. Das Kalkül versteht sich ja geradezu von selbst: Die Industrieanlagen sind nun einmal da, ihr Wert muss erhalten bleiben, und im übrigen geht nichts ohne den Kapitalfetisch, der "Wachstum" genannt wird. Für ein Nachdenken über alternative Mobilitätsformen bleibt da natürlich kein Raum.

Aber selbst diese gefesselte Politik hat noch ein Händchen frei für den ökologischen Fortschritt. Elektroautos! Das soll jetzt die Lösung sein. Das Muster gibt die Möbelfirma ab, die Sesselgarnituren verkauft: Es wird nie langweilig, denn immer gelingt es noch, eine neue Variante zu erfinden. Aber das ist nicht zum Lachen, man sieht im Gegenteil, wie schwer sich die Politik tut, selbst diese Innovationsmaus "Elektroautos" zu gebären. Vor einer Woche erst war zu hören, die staatliche Förderung von Elektroautos stehe auf der Kippe. Sowohl das Wirtschafts- als auch das Finanzministerium blockierten den entsprechenden Entwicklungsplan. Nicht nur der Christsoziale zu Guttenberg, auch der Sozialdemokrat Steinbrück wollte die Gelder offenbar anders verwendet sehen.

Praktisch unmittelbar danach stellte aber der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Steinmeier seinen "Deutschlandplan" vor, in dem man nun lesen kann, Deutschland solle in Sachen Elektroautos ganz vorn stehen. Da erinnerten sich alle: Es ist ja Wahlkampf! Und auf einmal überschlagen sich die Elektroauto-Events. Verkehrsminister Tiefensee, SPD, erklärt, dass er einen raschen Durchbruch für Elektroautos in Deutschland erwarte. Er stellt noch einmal die Pläne seines Ministeriums vor. Jetzt liest man plötzlich, der Entwicklungsplan solle in einer der letzten Kabinettssitzungen dieser Legislaturperiode noch durchgewunken werden, "obwohl die Gespräche darüber noch nicht abgeschlossen seien". Und Steinmeier besucht am Donnerstag auf seiner Deutschlandreise das Unternehmen Eco Craft Automotive Management, das Elektroautos herstellt.

Wer weiß, ob sie nach der Bundestagswahl immer noch so entschlossen sind. Aber selbst wenn sie es sind, tun sie dann das, was man von der Politik erwartet: Dass sie nämlich vorsorgt für die Zukunft? Zitieren wir noch eine Meldung der letzten Tage: "Während der Sommerferien wird es in diesem Jahr auf deutschen Autobahnen rund 400 Baustellen mit einer Dauer von acht Tagen und mehr geben. Dies teilt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion mit. Nach Angaben der Bundesregierung wurden bei einer deutschlandweiten Auswertung aller Staus zwischen April 2007 und März 2008 104.251 Staus gezählt. 'Diese hatten aufaddiert eine Gesamtdauer von 180.000 Stunden', schreibt die Regierung in der Antwort. Untersuchungen hätten ergeben, dass sich die Stauursachen je zu einem Drittel auf zu hohes Verkehrsaufkommen, Unfälle und Baustellen aufteilen würden. In Ballungszentren sei überhöhtes Verkehrsaufkommen Ursache für jeden zweiten Stau."

Das ist es eben: überhöhtes Verkehrsaufkommen. Wachstum führt zu Stau. In Zukunft mit Elektroautos? Da wird der Stau sicher mehr Spaß machen.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden