Sagt die Arbeit eines Ministers etwas über die Partei aus, die ihn stellt? Nach einer auf Max Weber zurückgehenden Theorie sind Parteien gar nichts anderes als Organisationen zur Erziehung und Auswahl der Staatseliten. Daran gemessen, würde man die Grünen je nachdem, ob man Künast, Fischer und Trittin lobens- oder tadelnswert findet, zur guten oder schlechten Partei erklären. Nach einer anderen, weniger elitären Theorie besteht die Aufgabe von Parteien aber darin, längerfristige politische Orientierungen auszuarbeiten und zur Wahl zu stellen. Hiernach könnten schlecht arbeitende Minister gleichwohl einer "guten" Partei angehören. Und ebenso gilt das Umgekehrte: Eine "schlechte" Partei kann gut arbeitende Minister stellen.
In der vorigen Woche stand Renate Künast, die Bundesministerin für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz, im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Eröffnung der Grünen Woche schien der Agrarlobby ein guter Anlass, ihr zu schaden. Ein eben veröffentlichter Bericht hatte gezeigt, dass Eier aus niedersächsischer Freilandhaltung erhöhte Dioxinwerte aufwiesen. Sogleich tönte es, die von der Ministerin gehätschelten Ökobauern gefährdeten die Verbraucher; die täten besser, auf Eier von Käfighennen umzusteigen. Der Vorstoß wurde auch vom Agrarexperten der SPD-Bundestagsfraktion, Priesmeier, unterstützt.
Hintergrund ist das für 2007 bevorstehende Verbot der Käfighennenhaltung. Seit Monaten streitet Künast mit unionsgeführten Bundesländern, die das Verbot aushöhlen oder ganz rückgängig machen wollen. Was lag näher, als den Vorstoß nahe am Jahresanfang 2005 auszuführen? Seither gelten nämlich Dioxin-Grenzwerte auch für die Freilandhaltung. Aber der Schuss ging nach hinten los. Wenn man wegen des Dioxins in den Böden keine Freilandeier kaufen soll, dann müssten auch alle Kühe ständig eingesperrt werden. Denn über Milchprodukte gelangt das meiste Dioxin in menschliche Körper, dann folgen Fleisch und Fisch, nicht etwa Eier.
Die Rolle, die Renate Künast bei der Sache spielt, ist ihre der Agrarlobby ärgerliche Manier, Grenzwerte und Richtlinien, auf die sich die EU hat einigen können, beschleunigt und eher nachdrücklich als verwässert umzusetzen. Das beweist sie auch in der gentechnischen Gesetzgebung. Sie hat das Recht jedes Bauern auf genfreie Felder nicht nur ins Gesetzblatt geschrieben, sondern fürs Erste wirklich durchgesetzt: Findet ein Bauer genveränderte Pflanzen auf seinem Feld, so haften alle Genbauern der Umgebung für den Schaden. Und nun heißt es, dieses Risiko mache den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen praktisch unmöglich. Eine Genlobby, die das beklagt, gibt aber zu, dass sie Schaden in Kauf nimmt. Das ist peinlich. Künast weiß, wie man die Machthebel bedient.
Dasselbe darf sicherlich von Jürgen Trittin gesagt werden. Aber der setzt sich trotzdem nicht durch. Seine Situation ist eine andere: Er hat nicht die Agrarlobby, sondern die Industrielobby zum Gegner; während jene sich parteipolitisch vor allem auf die Unionsparteien stützt, beherrscht diese ebenso sehr die SPD. Man sieht es beispielsweise daran, dass Gerhard Schröder nach Werner Müller Wolfgang Clement zum Bundeswirtschaftsminister machte. Müller, der angeblich den Ausstieg aus der Atomenergie aushandeln sollte - diese falsche Behauptung war Schröder der Öffentlichkeit schuldig -, bezieht seit 2002 monatlich 8.000 Euro vom Atomenergie-Produzenten E.ON.
Clement spielt seine Rolle sogar ohne EON-Rente. Im Streit über die Emissionszertifikate, die der deutschen Industrie zuzuteilen waren, hat er Reduktionswerte durchgesetzt, die so gering sind, dass sie nach aller Erfahrung auch ohne Zertifikate zustande kommen würden, einfach durch gewöhnlichen technischen Fortschritt. Er hat so fast alle anderen EU-Länder ermutigt, auf Reduktionen ganz zu verzichten, ja per Zertifikatszuteilung die Emissionssteigerung zu erlauben. Aber das ist ihm nicht genug. In der letzten Woche beklagte er wieder den "Wettbewerbsnachteil" der deutschen Industrie und versprach den Unternehmen, die stärker als andere reduzieren müssen, kostenlose Zusatzzertifikate. Er wird nicht ruhen, bevor die völlige Sinnlosigkeit des Emissionshandels sichergestellt ist.
Von Trittin, der sich letztes Jahr noch Schaukämpfe mit Clement lieferte, ist schon gar keine Rede mehr. Dabei würde seine Präsenz gerade jetzt gebraucht. Denn die Industrie leitet neue Offensiven ein. Am 8. März wird ihr Bundesverband auf einem Berliner Rohstoff-Kongress auch die Energieversorgung behandeln. Der neue BDI-Präsident Jürgen Thumann hat bereits zur Protokoll gegeben, dass er das Abschalten der Kernkraftwerke für ganz falsch hält. Im übrigen eskaliert der Streit um die Windenergie. Eine Studie hat jetzt ergeben, dass die Kosten für den Ausbau erneuerbarer Energien höher sind als erwartet. Sie hebt zwar auch hervor, dass die angestrebte Verdopplung der Windenergie bis 2020 auf 20 Prozent der Stromversorgung sowohl technisch machbar als auch finanzierbar sei, doch hindert das Clement nicht, die Öffentlichkeit mit der Frage: "Können wir uns das leisten?" zu belästigen. Auch hier hört man von Trittin nichts.
Was sagt die Arbeit eines Ministers über die Partei aus, die ihn stellt? Es kann geschehen, dass Minister, ob sie nun gut oder schlecht arbeiten, über den Charakter ihrer Partei hinwegtäuschen. So verhält es sich mit Künast und Trittin. Sie sind die ökologischen Minister in dieser Regierung - aber die Grünen wollen längst gar keine ökologische Partei mehr sein, vielmehr eine Partei der Nachhaltigkeit von allem und jedem und nicht zuletzt des industriellen Wachstums. Das ist der Preis ihrer Koalition mit der SPD. Trittin verkörpert nur die vergangene mittlere Periode der Parteigeschichte, in der man Naturschutz auf Ökologie umstellte, Ökologie aber noch nicht zum bloßen Beispiel für Nachhaltigkeit überhaupt herabgewürdigt hatte. Künast verkörpert sogar auch die frühe Naturschutzperiode. Aber Künast wie Trittin gehören auch zu den Parteiführern. Man kann sie von der Verantwortung für die politische Orientierungslosigkeit, die die Grünen verbreiten, nicht reinwaschen.
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