Ungefähr wie ein Trinker

Kommentar Streit um den Emissionshandel in der letzten Runde

Es war vor allem ein Rückzugsgefecht, als Bundeswirtschaftsminister Clement am Wochenende die "Überprüfung" der Ökosteuer, der Kraft-Wärme-Kopplung und des Stromeinspeisegesetzes nach 2006 verlangte. Der Handel mit Emissionslizenzen, der von 2005 an EU-weit betrieben wird, mache die andern ökologischen Instrumente überflüssig, sagte Clement. Das Entscheidende seiner Wortmeldung ist die Differenz von 2005 und 2006. 2006 die Wirksamkeit der Instrumente zu prüfen, impliziert doch jedenfalls, dass er nicht nur den andern Instrumenten, sondern auch dem Instrument Emissionshandel eine Wirksamkeit bis 2006 zuschreibt. Eben darum war aber der Streit zwischen den deutschen Industriekapitänen, auf deren Seite Clement sich gestellt hatte, und Bundesumweltminister Trittin gegangen.

Die Industriekapitäne wollten Lizenzen mit solchen Emissionsobergrenzen zugeteilt bekommen, die ihnen vor 2007 überhaupt keine Veränderung des Status quo auferlegt hätten. Dieses "Recht" hatte Clement ihnen an der EU vorbei mündlich zugesichert. Jetzt glaubt er offenbar nicht mehr, das Versprechen noch einhalten zu können. Er sinnt nur noch auf Rache.

Aber seine Wortmeldung macht einen Abgrund von Inkompetenz offenbar. Die tumbe Vorstellung, man brauche nicht mehrere ökologische Instrumente, sondern nur eines - ungefähr wie ein Trinker sagen könnte, er wolle seinen halben Liter Bier nicht auf einen Krug und eine Tasse verteilt bekommen -, verkennt gänzlich die Funktionsweise der Instrumente. Deren Sinn ist es doch, in der ökologischen Regulationsweise ineinanderzugreifen. Kein Instrument allein könnte die Grenzen des ökologischen Korridors schützen.

So kann nicht jeder Schaden in der Art der Kraft-Wärme-Kopplung eingedämmt werden: derart, dass man eine technische Norm ermittelt und ihr Gesetzeskraft verleiht. Beim Kohlendioxid-Ausstoß ist eine Norm, die jedem Energieeinsatz dieselbe Emissionsgrenze vorschriebe, nicht möglich, weil die Vielfalt der legitimen Produktions- und Konsumziele mal mehr, mal weniger Energie und somit auch Emission erheischt. Auf diesem Feld helfen nur ökonomische Anreize: Ökosteuern, Emissionshandel. Aber auch diese wirken verschieden. Der Emissionshandel taugt für Großemittenden, die es zudem in der Hand haben, ihre ökologische Technik zu revolutionieren. Autofahrer können letzteres nicht. Außerdem gibt es zu viele, als dass eine Bürokratie denkbar wäre, die jedem die individuell bedarfsgerechte Emissionslizenz in die Hand drückt. Für diese Emittenten, die in der Masse ebenfalls viel Schaden anrichten, muss es also Ökosteuern geben. Ökosteuern sind auch darin einzigartig, dass der Staat ihren Ertrag zur Finanzierung von Steuerungsmaßnahmen einsetzen kann.

Ist das alles für Clement zu hoch? Dann verdient er keine Ministerwürde.


Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur (FM)

studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. an der Universität Innsbruck für poststrukturalistische Philosophie inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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