Als Motto über dem Schlusswort lesen wir: „Immer mehr Affen bezweifeln, dass die Menschen von ihnen abstammen.“ In der Tat, warum fällt es Menschen so schwer, sich in die Natur einzufügen, besonders im Kapitalismus? Als wären sie nicht selbst Naturwesen. Reinhard Pfriem, der einen Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensführung und Betriebliche Umweltpolitik innehatte, bezieht sich nicht nur auf den späten Marx, der die schrankenlose Akkumulation von Mehrwert als Kern der Kapitallogik bloßlegte, sondern auch auf den frühen, der die Naturgebundenheit des Menschen betonte, im Übrigen sehr stark auf Joseph Schumpeters Theorie des Unternehmertums. Der Kapitalismus, sagt er mit Jason Moore, ist nicht bloß ein Wirtschafts-system, sondern „eine Weise, Natur zu organisieren“. Pfriem ist wichtig, dass heute auch Unternehmen nach dem besseren Verhältnis zur Natur suchen.
Dabei denkt er nicht an die Tesla-Fabrik von Elon Musk, den er einen „Überspringer-Unternehmer“ nennt; Musks Idee, das Mars-Eis durch nuklearen Beschuss zum Schmelzen zu bringen, ist nur eine neue Illustration jener „humanistischen Euphorie“, in der geglaubt wird, der Mensch könne alles. Unternehmen, die nicht grün zu sein behaupten, wird man heute kaum noch finden. Aber daraus folgt nicht im Umkehrschluss, dass alle Unternehmen, die es geben kann, dem „grünen Kapitalismus“ huldigen müssen, der uns mit der Behauptung täuscht, Ökologie und Kapitallogik seien vereinbar.
Was ist denn das Unternehmerische? Allgemein gesprochen, so Pfriem, ein auf die Befriedigung von Bedürfnissen gerichtetes Handeln. Es ist als solches persönlich und „auf Neues, Anderes gerichtet“. Wer eine andere Ökonomie anstrebt, aber nicht erneut eine Staatsökonomie sowjetischen Typs, kann sich fragen, welches andere Unternehmer:innentum sie hervorbringen wird, aber auch, ob es denn nicht heute schon Unternehmen gibt, die auf es hinarbeiten. Ja, es gibt sie – sie sind aber viel zu wenig bekannt.
Zum Beispiel die Textilfirma Manomana in Augsburg, die nur mit regionalen und ökologischen Rohstoffen und Materialien arbeitet; ihre 140 Beschäftigten sind zu 90 Prozent Frauen, Geringqualifizierte, Migranten, Ältere und so weiter. Oder die „Solidarische Landwirtschaft“, in der die Lebensmittel nicht mehr über den Markt vertrieben werden, sondern sich in einem von allen Teilnehmern – nicht nur den Produzenten – selbst organisierten Wirtschaftskreislauf bewegen und wo für alle ersichtlich ist, welche Kosten anfallen und wohin das Geld fließt.
Pfriem zählt viele Unternehmen dieser Art auf, die es auch in der Energiewirtschaft und sogar im Bankwesen gibt (Regionalwert AG). Oft sind sie als Genossenschaften organisiert. Sie sind teilweise schon miteinander vernetzt, aber noch nicht hinreichend, wie Pfriem beklagt. Dazu gehört auch die Verbindung zwischen solchen Firmen und dem Wissen, das Universitäten beisteuern können. Auf diesem Feld ist Pfriem selber „unternehmerisch“ tätig geworden, so mit seinem Engagement in den „Spiekerooger Klimagesprächen“ und mit Beiträgen zu einer „Transformativen Wirtschaftswissenschaft“.
In früheren Revolutionen spielte die Frage, ob ein Teil des Militärs auf die Seite des Volkes gezogen werden konnte, eine entscheidende Rolle. Heute ist es auch wichtig, dass schon im Kapitalismus eine „Fraktion“ postkapitalistischer Unternehmen entsteht. Zu der, nebenbei gesagt, ja auch unsere Zeitung, der Freitag, gehört.
Info
Die Neuerfindung des Unternehmertums. Solidarische Ökonomie, radikale Demokratie und kulturelle Evolution Reinhard Pfriem metropolis Verlag 2021, 486 S., 38 €
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