Kraft durch Rock

Was bringen Verbote? Mehr als der Name ist nicht verschwunden, seit vor einem Jahr das rechte »Blood&Honour«-Netzwerk untersagt worden ist, weist das Buch»White Noise« nach

Im September vorigen Jahres hat Innenminister Otto Schily (SPD) die deutsche Division der internationalen Naziorganisation Blood (B) verboten. Für das »AutorInnenkollektiv Argumente - Netzwerk antirassistischer Bildung« ein »Alibi-Verbot«, wie es in einem Beitrag für die aktualisierte Auflage des Buchs »White Noise - Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene« heißt. Warum? »Weil es punktgenau in die antifaschistische Sommerdebatte 2000 geplatzt ist und demonstrieren sollte: Der Staat handelt«, so die Autoren.

B hatte seit Anfang der Neunziger international ein Vertriebsnetz und Musiklabel für zum Teil indizierte rechtradikale Musik und Propaganda aufgebaut. Auch in Deutschland traten damals bereits führende englische B auf. Seit Mitte der Neunziger kann man von einer eigenständigen Struktur der deutschen B sprechen: 300 bis 500 Aktivisten - Musiker, Merchandiser, Publizisten, Konzertbooker - versorgten die deutsche Szene mit Nazirock, Hunderte von B wurden in Deutschland organisiert. »Die Bands haben teilweise von hakenkreuzbeflaggten Bühnen ganz offen zum Mord an Schwarzen aufgerufen. Und irgendwann im Sommer 2000 fällt dem Innenminister ein, dass so etwas ja verboten ist ...«, sagt Christian Mächerl (*), einer von mehreren Autoren.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (VS) stellt das Verbot heute als Erfolg dar. Es gebe »keine Anhaltspunkte dafür, das B als Organisation im Bundesgebiet fortgesetzt wird«, lediglich einzelne Ex-Funktionäre träfen sich gelegentlich. Für die Kölner Behörde ist das »nicht als Vernetzung zu interpretieren«. Nur der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz schreibt in seinem Bericht für das Jahr 2000, dass nach dem Verbot eine CD der B Landser mit »strafrechtlich relevanten Passagen« über bislang nicht bekannte »konspirative Vertriebswege« in Umlauf gebracht wurde. Von einem Fortbestehen will man aber auch hier nichts wissen.

Die Buchautoren sehen das anders. Das Verbot habe nichts bewirkt. B sei ein »Netzwerk«, das sich dadurch auszeichne, dass es auch dann weiterfunktioniert, wenn einzelne Teile wegbrechen. »Und bei B ist nicht einmal das Herausbrechen wesentlicher Teile gelungen«, sagt Mächerl. Im Endeffekt sei lediglich der Name verboten worden, leider auch wegen des unentschlossenen Vorgehens der Polizei nach dem Verbot: Hausdurchsuchungen habe es »lächerliche« 45 gegeben. Außerdem geht das Autorenkollektiv davon aus, dass die Szene im Sommer 2000 schon vorgewarnt war und schildert einen Fall aus Thüringen, wo »ein B auch Informant des Verfassungsschutz war«. Auch das Vermögen der Aktivisten hätten die Ermittler nicht erfolgreich abgeschöpft. Bei den vermuteten Millionenumsätzen mit Nazirock entspreche die »bei einem führenden B beschlagnahmte ›Kriegskasse‹ von 73.000,- DM eher der Portokasse«, sagt Mächerl. Darüber hinaus haben die Recherchen der Buchautoren ergeben, dass ein Kreis von Leuten, der sich als der »deutsche Combat 18« bezeichnete, zwar heute kaum mehr unter diesem Namen existiert, aber weiter »enge Kontakte zu den C-18-Aktivisten in Skandinavien und England« pflegt. Combat 18 ist eine militante, terroristische Gruppierung im internationalen B Die Ex-Kader zeigten mehr oder weniger offen, was sie von dem Verbot halten. »Da werden etwa T-Shirts vertrieben mit dem Aufdruck ›28 - banned in Germany‹ oder ›Supporter 28‹.« Die Ziffer 28 gelte dabei als Synonym für B, ähnlich wie 88 für HH, also Heil Hitler.

In der rechten Szene Deutschlands habe das Prinzip von B schon früh Schule gemacht. Die gefestigten Strukturen zwischen Musik und Politik wurden etwa von »Gruppen wie der damaligen Nationalen Liste um den Hamburger Christian Worch quasi importiert«, so das Kollektiv. Worch ist heute einer der führenden Köpfe des »Nationalen Widerstands« und der »Freien Kameradschaften«. Ob es ohne B einen so massiven Zulauf von Skinheads und rechten Jugendlichen bei NPD-Demos oder den zunehmend von »Freien Kameradschaften« in Eigenregie durchgeführten Aufmärschen geben würde, dürfe deswegen bezweifelt werden.

Verfassungsschützer gehen bei Verboten wie denen von B davon aus, dass ein Drittel der Mitläufer verunsichert wird. Auch dem widersprechen die Buchautoren: »Die kulturelle Vormachtstellung, die die Neonazis in vielen Orten haben, die totale soziale Kontrolle, die sie über ihre Aktivisten und über ihr Umfeld haben, verhindert, dass sich den ›Verunsicherten‹ irgendeine Alternative auftut.« Denn »wer nun das Rennen um sie macht, wird von Region zu Region unterschiedlich sein: Die NPD? Die Freien Kameradschaften? Irgendwelche martialisch auftretenden Banden? Die so genannte Zivilgesellschaft wird es leider in den wenigsten Fällen sein.«

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die B sich längst in Nachbarländern etabliert hat: »Nach dem Verbot gab es größere Konzerte in der Schweiz, in Frankreich, in Ungarn, Tschechien und Belgien, sogar ins verhasste Polen sind die B ausgewichen«; und zwar auch dank organisatorischer Hilfe deutscher Ex-Kader, die auch deutsches Publikum mobilisierten.

Und das ist für Mächerl eine ganz symptomatische Geschichte: »Kurz nach dem Verbot und der Schließung des offiziellen Postfachs im brandenburgischen Werder wurde im selben Postamt gleich ein neues für den Versand ›Hate Sounds‹ eröffnet«, erzählt er. »Das Geschäft funktioniert weiter und daran ändert auch das Verbot des Labels B nichts.«

(*) Name von der Redaktion geändert

White Noise. Rechts-Rock, Skinhead-Musik, Blood Honour - Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene, 3. erweiterte Auflage, 170 S., Unrast Verlag, Münster 2001, DM 24,80

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