Bahnzai!

Hochgeschwindigkeit In Japan sind die Züge so schnell und sicher, dass kaum jemand mehr fliegen will
Ausgabe 43/2018
Ein Shinkansen-Schnellzug in Tokyo
Ein Shinkansen-Schnellzug in Tokyo

Foto: Carl Court/Getty Images

Die meisten Japan-Reisenden landen früher oder später in einem Shinkansen, einem ultramodernen Hochgeschwindigkeitszug. Der rauscht mit über 300 km/h auf speziell angelegten und sorgfältig gewarteten Strecken durchs Land, wo ihm keine Bummelzüge in die Quere kommen können. Er ist auf die Minute pünktlich, blitzsauber, der Service exzellent. Zwischen den großen Städten verkehren die Züge bis zu 18-mal pro Tag, alle halbe Stunde kommt ein Zug.

Der erste Shinkansen fuhr 1964, pünktlich zur Olympiade in Tokio. Seither wurde das Streckennetz ständig erweitert und ausgebaut. Die letzte große Linie, die fertiggestellt wurde, verbindet Tokio und die Hauptinsel Honshu mit Sapporo auf der Insel Hokkaido im hohen Norden. 2016 wurde sie eröffnet, weitere Linien sind geplant und im Bau. Gut 400 Millionen Reisende transportieren die Shinkansen pro Jahr; rechnet man die Pendler ein, die täglich oder wöchentlich hin- und herreisen, kommt man auf 1,7 Milliarden Passagiere im Jahre 2017. Eine Fahrt mit den Shinkansen ist nicht ganz billig, aber bezahlbar und auf jeden Fall günstiger als ein Flug.

Japan ist ein gebirgiges Land, das regelmäßig von Erdbeben heimgesucht wird: eigentlich schwieriges Gelände für Eisenbahner. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man zwei oder drei kleinere Beben pro Monat erlebt. Die Ingenieurleistung auf dem Gebiet der japanischen Hochgeschwindigkeitszüge kann man deshalb nur bewundern: Die Shinkansen fahren nun schon seit Jahrzehnten – ohne Unfall, ohne Katastrophe, ohne nennenswerte Verspätungen. Nur im tiefen Winter, wenn Schneestürme über das Land fegen, kommt es gelegentlich zu Verspätungen, zehn bis zwanzig Minuten sind dann schon viel.

Ein zunächst gar nicht beabsichtigter Effekt stellte sich ein, sobald das Shinkansen-Netz in ganz Japan ausgebaut war und die Züge ihre Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt hatten: Das Volumen der Inlandsflüge nahm deutlich ab. Noch immer wird im Inland geflogen, aber die Shinkansen haben dem Flugzeug auf allen Strecken bis zu 750 Kilometer eindeutig den Rang abgelaufen. Viele Flugverbindungen zwischen großen Städten mit Entfernungen zwischen 300 und 500 Kilometer und Reisezeiten von maximal zweieinhalb Stunden wurden inzwischen gestrichen. Sie lohnen sich nicht mehr, weil die Leute lieber Bahn fahren.

Selbst auf längeren Strecken hat der Shinkansen den unschätzbaren Vorteil, dass er alle halbe Stunde fährt und die Reisenden direkt ins Stadtzentrum bringt. Nur bei Entfernungen über 1.000 Kilometer ist das Flugzeug noch eine Konkurrenz für die Eisenbahn.

China folgte, und jetzt Indien

Japan war international der Vorreiter beim Bau eines Netzes von Hochgeschwindigkeitszügen. Inzwischen sind viele Länder dem Beispiel gefolgt, am eifrigsten und erfolgreichsten China. Auch in China gibt es inzwischen, nach japanischem Vorbild und mit japanischer Technologie, ein dichtes Netz von Hochgeschwindigkeitszügen, das alle großen Millionenstädte des Landes miteinander verbindet. Überhaupt ist Japan sehr erfolgreich darin, seine Eisenbahn-Technologie zu exportieren. Nach Taiwan und China sind inzwischen auch andere Länder wie Thailand und Vietnam dabei, derartige Eisenbahnnetze zu planen und zu bauen. Mit Indien gibt es seit 2015 eine langfristig angelegte Kooperation, um auf dem indischen Subkontinent die uralten, zum Großteil noch aus der britischen Kolonialzeit stammenden Eisenbahnnetzen durch ein modernes Hochgeschwindigkeitsnetz zu ersetzen.

Und Europa? Hinkt hinterher. Gewiss, die Franzosen haben mit dem TGV ein Beispiel gegeben, andere wie Belgien, die Niederlande und Deutschland nachgezogen. Spanien und Italien besitzen Hochgeschwindigkeitszüge, allerdings nur mit wenigen Trassen. Stattdessen wird auch auf kürzesten Strecken – selbst innerhalb des vergleichsweise kleinen Deutschland – geflogen und auf Autobahnen herumgerast, während das Eisenbahnnetz schrumpft.

Kein Vergleich mit den Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg, da man komfortabel von Leipzig nach Lissabon fahren konnte. Mit der Bahn.

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