Der Klimapakt von Glasgow – ein historisches Moment? Darf man nach zwei Wochen Weltklimagipfel wieder Hoffnung schöpfen? Bekommen wir in allerletzter Minute doch noch die Kurve hin zu einer klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise? Für die Abschlusserklärung haben China, Indien und der Iran buchstäblich in den letzten Konferenzminuten eine Verwässerung erzwungen. Statt vom Ausstieg aus der Kohleverbrennung ist jetzt allein von deren Abbau die Rede. Dies geschah zur Enttäuschung vieler Delegierter, bei denen sich der Konferenzchairman Alok Sharma, den Tränen nah, entschuldigte. Sicher konnte und durfte man frustriert sein, doch Grund zum Heulen gab es nicht. Der nun vorliegende Klimapakt hat es trotz mancher Relativierung in sich. Da wird eine Abkehr von fossilen Energien festgeschrieben und verlangt, „ineffiziente Subventionen“ für Öl, Gas und Kohle zu streichen. Und „ineffizient“ sind sie faktisch alle.
Koalition der Willigen
Damit geht der Ertrag dieses Gipfels in wesentlichen Punkten über das Pariser Klimaabkommen von 2015 hinaus. Vieles, was dort nur vage angedeutet wurde, ist nun in vergleichsweise klarer Sprache als Beschluss formuliert. Am Ziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, ist nicht mehr zu rütteln. Wenn die in Glasgow teils beschlossenen, teils angekündigten Maßnahmen in den nächsten Jahrzehnten umgesetzt werden, lässt sich der Klimawandel so weit auffangen, dass die Durchschnittstemperaturen nur um etwa 1,7 bis 1,8 Grad steigen. Da COP26 ein Zwischenschritt auf dem richtigen Weg ist, muss und darf es dabei nicht bleiben. Noch in diesem Jahrzehnt, bis 2030, muss daher der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen um 45 Prozent (bezogen auf 2010) gesenkt werden, um den nunmehr geltenden Klimazielen gerecht zu werden. Das heißt, alle Staaten haben ihre Klimapläne nachzubessern und ihre Maßnahmen zu verschärfen. Und sie müssen darüber Rechenschaft ablegen, nicht mehr alle fünf Jahre, wie in Paris vereinbart, sondern alle zwei. Die Spielregeln der internationalen Klimapolitik wurden erstmals derart verbindlich und im Detail festgelegt, im Pariser Vertrag waren sie das nicht. Auch soll künftig Klimagerechtigkeit Priorität eingeräumt werden, was die traditionellen Industrieländer zwingt, mehr denn je ihre technologische Expertise einzusetzen. Begründung: Sie tragen nicht die alleinige, allerdings die größte historische Verantwortung für die Emission an Treibhausgasen. Daher wurde beschlossen, die Finanzhilfen für die von der Klimaerosion besonders betroffenen Länder im globalen Süden zu verdoppeln, von 20 auf 40 Milliarden Dollar jährlich. Überdies soll ein internationaler Hilfsfonds eingerichtet werden, um Schäden nach Dürren, Überschwemmungen und Sturmfluten zu beheben, leider wird keine konkrete Summe für dessen Finanzausstattung genannt.
Es gab in Glasgow eine Reihe von zusätzlichen Agreements, gefunden nicht von allen, aber von wichtigen Akteuren, die sich in Koalitionen der Kooperationswilligen wiederfanden. So die Europäische Union und die USA, die Emissionen von Methangas bis 2030 um 30 Prozent (bezogen auf den Wert von 2020) reduzieren wollen. Mehr als 100 Länder haben sich diesem Vorhaben angeschlossen, die zusammen fast die Hälfte dieser Emissionen verursachen. Methan sorgt für 20 Prozent der Treibhausgase und für etwa ein Drittel der Erderwärmung. Um das zu reduzieren, muss man sich mit der Öl- und Gasindustrie ebenso anlegen wie mit der Land- und der Abfallwirtschaft. Doch steht gerade eine solche Vereinbarung für den Versuch, den Druck auf die Akteure in der Wirtschaft zu erhöhen. Gleiches gilt für die von mehr als 100 Ländern unterzeichnete Verpflichtung, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen und den Trend umzukehren, indem Wälder geschützt und aufgeforstet werden. Zu den Unterzeichnern zählen Kanada, Brasilien, Indonesien, Russland, China, die USA und die Demokratische Republik Kongo, auf deren Territorium 85 Prozent der Wälder dieser Erde liegen. Auch hier gibt es zur Kompensation Finanzhilfen für ärmere Länder und indigene Völker, wenn der Handel mit Palmöl, Soja und Kakao stärker reguliert werden soll, um die Entwaldung zu stoppen.
Schließlich sind in Glasgow 24 Regierungen, mehrere Automobilkonzerne und zahlreiche Städte übereingekommen, bis 2035 auf ihren nationalen Märkten und bis 2040 weltweit keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr anzubieten beziehungsweise zuzulassen. Das Signal lautet: Der Verbrenner hat keine Zukunft mehr im Verkehr – seine Zeit ist abgelaufen. Die USA und Deutschland verweigerten sich wie einige der großen deutschen Autokonzerne. Ganz anders verhielten sich zwei Dutzend Staaten, die erklärten, sie würden die Finanzierung von Projekten zur Öl-, Gas- und Kohleförderung schon im nächsten Jahr beenden.
Warum China stur ist
Eine Sensation war zweifellos die Erklärung der USA und Chinas, in der Klimapolitik mehr und intensiver zu kooperieren, um eine Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad zu verhindern. Aller weltpolitischen Rivalität zum Trotz funktionierte so etwas wie Klimadiplomatie zwischen Großmächten. In der Klimatechnologie, bei den erneuerbaren Energien, sind die Chinesen Weltspitze, ihre derzeit noch hohe Abhängigkeit von der Kohle ändert daran nichts. Dass sich die chinesische Delegation wegen des Kohleausstiegs zuletzt querlegte, um die Formulierungen im Pakt von Glasgow abzuschwächen, hat einen einfachen Grund: Die Regierung in Peking hat sich auf Klimaneutralität bis spätestens 2060 festgelegt, nur will sie sich den Zeitplan bis zum absoluten Verzicht auf Kohle nicht vorschreiben lassen, ebenso wenig wie eine Abkehr von der Kernenergie. Argumentiert wird mit dem Verweis auf „historische Klimagerechtigkeit“ – als industrieller Spätentwickler sei China nur für maximal 13 Prozent der historischen Treibhausgasemissionen verantwortlich, auch wenn sein Anteil am globalen Kohlendioxidausstoß heute bei 31 Prozent liegt. Chinas Führung pflegt zu tun, was sie öffentlich erklärt, und vermeidet Versprechen, die sich als unrealistisch erweisen – das nennt man Good Governance.
Kommentare 10
Der Pakt von Glasgow: Vielleicht enthält er schönere Worte als der von Paris, aber wo geht irgendeine Regioerung wirklich in die richtige Richtung ?
Gier bekommen wir demnächst einen Koalitionsvertrag in dem was von "grünen Wachstum" steht, aber das beendet nicht den Vernichtungsfeldzug des Kapitals gegen die Natur.
Was zählt schon der Ruf eines Abkommens?
Einzige Richtschnur sind die Handlungen der Akteure - sowohl die individuellen als auch die übergeordneten (betrieblichen und staatlichen).
Auch zu viele Worte erzeugen Co2.
Ach ja, "Am Ziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, ist nicht mehr zu rütteln." In der tat, weil es mit sicherheit verfehlt wird - trotz aller COPs.
Es mag sein, dass die COP26-papiere punktuell über das abkommen von Paris hinausgehen, aber sie gehen trotzdem nicht weitgenug. Überhaupt ist der bezug auf auf das pariser papier wenig hilfreich, weil es viel zu schwach ist.
Jaja, das Klima ist mal wieder gerettet. Am runden Tisch. Wie schön. Wir Menschen haben's einfach drauf...
Corona ist in Deutschland jetzt übrigens auch unter Kontrolle. Hat die MPK ausgemacht, und die "Herzkammer der Demokratie".
Alles wird gut!
https://www.youtube.com/watch?v=e3qLmEfjXfs
Ob das mehr ist als Zweckoptimismus wird sich bald erweisen. Die schönen Worte vieler Führer der reichen Länder stehen in krassem Widerspruch zu ihren Taten.
Für viele Beobachter war diese Konferenz eine Enttäuschung. Wie gehabt wurden wohlfeile "net zero" Ziele in entfernter Zukunft formuliert aber kurzfristig wird weiterhin in fossile Energieträger investiert. 3 Tage nach seinen vollmundigen Erklärungen in Glasgow fordert der US-Präsident daß der Ölpreis mit allen Mitteln gesenkt werden muß!
Die mittlerweile 12 Jahre alten, mickrigen finanziellen Zusagen (100 Mrd/Jahr) an die Entwicklungsländer wurden und werden nicht eingehalten während sich die weltweiten Subventionen für fossile Energieträger zwischen 2017 bis 2019 auf 555 Mrd/Jahr addieren.
Der Technologietransfer wurde erst versprochen aber Beschwerden bei der WTO eingereicht als China oder Indien begannen US-know-how zu nutzen.
Die Finanzierung internationaler "fossil-fuel" Projekte soll bis 2022 beendet werden, aber einheimische sollen weiterlaufen dürfen.
Es steht zu befürchten, daß es gerade so weitergeht, denn die Führung der Länder vor allem des reichen Westens ist zu stark mit den global operierenden Großkonzernen verwoben und hat deren kurzfristige Profitinteressen oft mehr im Schirm als das langfristige gemeinsame Wohl.
Greta wird mit ihren Truppen massiver werden müssen damit das BlahBlah aufhört und Taten folgen.
Das grosse Räderwerk bewegt sich. Und die Erreichung der Pariser Klimaziele liegt immer noch in weiter Ferne. Das Räderwerk bewegt sich, langsam, aber sicher. Die Welt ist schliesslich kein ZF 6-Gang-Renngetriebe! Sobald genug Schwung da ist, werden klimapolitische Notwendigkeiten in den Alltag aller Menschen fliessen, die auf dieser Welt leben. Man soll die Hoffnung nie aufgeben! Wer genauer wissen will, warum China und Indien in letzter Sekunde aufs Bremspedal getreten sind, sollte sich deren Medienprodukte einmal näher zu Gemüte führen.
Die Welt spricht nicht mit einer Stimme. Und sie ist auch kein Dorf. Aber sie findet wenigstens langsam eine gemeinsamere Sprache, wie das Abkommen zwischen den USA und China beweist.
Glaube keinen Absichtserklärungen.
An keinen Worten sollst du etwas messen, nur an den Taten. So ist das in einer physikalischen Welt - einer Welt voller Akteure.
Niemand wird taxonomisch da sein, wenn der Mensch erst mal ausgestorben ist. Da gibt es dann keine klärende Rückblende: "Das hätten wir aber besser machen müssen."
Vorausschauendes Planen ist angesagt. Gute Taten - heute schon.
Das wird schwer für die kontemporäre Politik des Gelähmtseins, die es nur gewohnt ist, zu schwafeln und dem Wahlvolk nur das gibt, was es nicht bekommen will, Täuschungen über Täuschungen, von denen es immer mehr geben darf.
Umfragewerte bestimmen, was politisch(e) Physik ist. Auweia!
… nun in einem Endlos-Loop?
Seit den 70ern war der anthropogen beeinflusste Klimawechsel bereits ein breitgefächertes Thema in den Klima – und Wetterwissenschaften (Klimatologie, Meteorologie).
Seit Anfang der 80er konnte das Subjekt an deutschen Hochschulen studiert werden, z.B. als Bestandteil von ‚Geo-Ökologie‘ an der Goethe-Universität in Frankfurt.
In der Erdölindustrie (z.B. Exxon Mobil) war es Bestandteil der Unternehmensplanung seit den 70ern.
https://www.youtube.com/watch?v=tzpWkQycz38
Exxon Knew In The 70s
Seitdem wird das Problem von Wirtschaft und Politik verschleppt, behindert, hintergangen. Ein direkter roter Faden führt von damals zu den vorsätzlich installierten Abgasbetrugsvorrichtungen in deutschen Autos, und dem heutigen Schwindel durch den Kauf von Emissionszertifikaten.
Die Realität ist:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37187/umfrage/der-weltweite-co2-ausstoss-seit-1751/
„Der weltweite Ausstoß von Kohlenstoffdioxid nahm seit 1960 kontinuierlich zu und erreichte, nach einem Höchstwert im Jahr 2019, im Jahr 2020 einen Wert von rund 34,8 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid. …. Laut einer Prognose zur weltweiten CO2-Emission wird die Menge bis zum Jahr 2050 auf bis zu 43,1 Milliarden Tonnen ansteigen.
… nun in einem Endlos-Loop?
Nach der COP ist vor der COP ist nach der COP ist vor ….
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The Long and Winding Road
https://www.dailymotion.com/video/x4j9ewr
"In wesentlichen Punkten geht er sogar noch über das Pariser Übereinkommen von 2015 hinau."
Wenn das der Maßstab wäre, hätte der Autor recht.
Der eigentliche Maßstab ist aber der Inhalt des jetzt im Freitag erschienenen Artikels.
Und daher mag das Ergebnis der Konferenz 2021 besser sein, als das von 2015.
Es rettet den Planeten und das Überleben seiner Bewohner aber nicht.
Die "Koalitionen der Willigen" haben in der Vergangenheit jedes eigene vertraglich vereinbarte Versprechen gebrochen, wenn die anderen ihnen nicht "willig" genug waren. Vertrauen ist gut, genau hinsehen ist besser!