Die Zeichen stehen auf Sturm. Wenn der Handelskrieg, den US-Präsident Donald Trump angezettelt hat, in vollem Umfang ausbräche, wenn China und die EU sich auf ein „Wie Du mir, so ich Dir“-Spiel einließen, käme es innerhalb kürzester Zeit zu einem weltweiten Konjunktureinbruch. Trump hat schon mal damit angefangen, er hat den Transatlantischen Freihandelsvertrag TTIP auf Eis gelegt, eine Neuverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA erzwungen und die USA aus dem transpazifischen TPP-Abkommen herausgeführt.
Doch die EU hat nun ein deutliches Signal gegen die Trumpsche Demolierung des Welthandels gesetzt: Sie hat ihr Freihandelsabkommen mit Japan (JEFTA) im Eiltempo abgeschlossen, am 17. Juli wurde es in Tokio offiziell unterzeichnet. Weitere Abkommen sind in Arbeit und werden folgen, mit Mexiko, mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern, mit Australien und Neuseeland, Südkorea und Singapur.
Die EU verfolgt seit Langem eine Strategie bilateraler Handelsabkommen. Im Falle Japans, nach wie vor die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, geht es dabei um viel: JEFTA ist das größte Handelsabkommen, das die EU je abgeschlossen hat. Wenn das Abkommen wie geplant im März 2019 in Kraft tritt, werden in wenigen Jahren 94 bis 99 Prozent aller Zölle im Handelsverkehr zwischen Japan und der EU entfallen, technische Produktstandards werden angeglichen. Japan ist ein reiches Land mit einem Verbrauchermarkt so groß wie China, dementsprechend dürfte der Handel zwischen Japan und der EU stark wachsen. Schon heute ist Japan der zweitwichtigste Handelspartner für die Europäer in Asien, wichtig ist vor allem Japans Hochtechnologie. Die Öffnung der Ausschreibungen der japanischen Eisenbahnen für europäische Bieter gibt der EU die Chance, zu lernen, wie man hocheffiziente und zuverlässige Nahverkehrssysteme in Millionenstädten wie Tokio organisiert und betreibt. Oder wie man den Schienenverkehr so attraktiv gestaltet, dass das Volumen der Flüge so rapide abnimmt, wie das in Japan der Fall war. Ein europäisches Shinkansen-System, ein Netzwerk von Hochgeschwindigkeitszügen zwischen allen Großstädten, das wäre ein europäisches Großprojekt, das dem Binnenmarkt und den EU-Bürgern nutzen könnte. Jean-Claude Juncker wüsste endlich, wohin mit seinen europäischen Investitionen.
Gegen JEFTA gab es kaum öffentliche Proteste. Die EU-Kommission hat aus den Kampagnen gegen CETA und TTIP gelernt: Alles, was die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten berührt, wurde außen vor gelassen, sodass EU-Kommission und -Parlament JEFTA in Eigenregie verhandeln und abschließen konnten. Auch fehlen die Schiedsgerichte für Investoren, die bei CETA und TTIP noch für berechtigte Kritik sorgten. Der Investorenschutz wurde in ein gesondertes Abkommen ausgelagert.
Trump stünde schön blöd da
Man kann der EU-Kommission vorwerfen, dass sie nach schlechter Gewohnheit auch diesmal den Lobbyisten der Wirtschaftsverbände ein weit offeneres Ohr geboten hat als den Vertretern der Umwelt- und Verbraucherschutzverbände. Man kann ihr vorwerfen, die Chance zur Angleichung von Umwelt- und Sozialstandards zwischen Japan und der EU nicht genutzt zu haben. Zwar enthält der Vertrag eine sogenannte Negativliste, die gegen Privatisierungen geschützte Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge anführt, dort fehlt allerdings die Abwasserentsorgung. Verbraucherschützer und Vertreter der europäischen Wasserwirtschaft verlangen Nachbesserung.
Mit JEFTA verschiebt sich der Schwerpunkt der europäischen Handelspolitik Richtung Osten. Die EU und China haben auf ihrem jüngsten Gipfel in Peking eine Art symbolischen Schulterschluss geschafft. Offiziell stehen China, Japan und die EU (mit vielen anderen Ländern, darunter Mexiko und Kanada) nun für eine regelbasierte, multilaterale Weltwirtschaftsordnung, ergänzt durch umfassende bilaterale Handelsabkommen. Die EU und China arbeiten an einem Investitionsabkommen, ein Handelsabkommen soll folgen. Das dürfte allerdings weit schwieriger zu verhandeln sein als JEFTA. Immerhin, Trumps USA stehen im Moment ziemlich allein da. Wenn die EU sich aufraffen könnte, auch Russland (der Wirtschaftsleistung nach kleiner als Kanada) Verhandlungen über ein Handelsabkommen anzubieten, was bliebe von Trump außer heißer Luft?
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