Es geht um Weltkrisen, vom Ukraine-Krieg über Hungersnöte bis zur Erderwärmung, wenn am Wochenende die Chefs der G 7-Staaten im bayerischen Schlosshotel Elmau zusammenkommen. Deutschland hat den Vorsitz, und Olaf Scholz will das Gremium nutzen, um „gemeinsame Antworten“ der führenden Industrieländer zu geben. Russland ist seit 2014 nicht mehr dabei – wegen der damaligen Annexion der Krim – und bleibt nun erst recht suspendiert. Stattdessen ist Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj geladen, wenn seine wichtigsten Geldgeber zusammenkommen.
Dabei ist Russland international bei Weitem nicht so isoliert, wie das die G 7 gern hätten. Scholz ist daher an einer „Allianz der demokratischen Staaten“ gelegen. Dazu ist Indien ebenso gebeten wie Indonesien, das beim G 20-Treffen im November den Vorsitz führt. Weiter sind Südafrika und Senegal geladen, die zur westlichen Einheitsfront gegen den russischen Angriffskrieg auf Abstand gehen und Russland-Sanktionen nicht mittragen. Schließlich wird Argentinien die Staaten Lateinamerikas vertreten. Allerdings zählen diese Länder laut Demokratieindex des Economist kaum zu den „funktionierenden Demokratien“, sondern werden als „defizitäre Demokratien“ (Argentinien, Indonesien) oder „hybride Regime“ (Südafrika, Senegal) geführt.
Dessen ungeachtet sind die Erwartungen an das Treffen ambitioniert, da die G 7 wegen der engen Verbindung zwischen den betreffenden Staaten derzeit wohl das einzige überregionale Forum sind, das seit Beginn des Ukraine-Krieges noch handlungsfähig ist. Handlungsfähiger jedenfalls als die anstehende internationale Klimakonferenz im November und konsensfähiger als die G 20-Gruppe, die über Russlands heftig zerstritten wirkt. Mit den in Elmau erwarteten Gästen aus Asien, Afrika und Lateinamerika brauchen die G 7-Staaten keine gemeinsamen Beschlüsse zu fassen, es geht eher um mehr Anbindung und Kooperation, was Erfolg haben kann. Zumal Indiens Premier Narendra Modi, der zwischen dem großen Gegner China und traditionellen Freund Russland laviert, gern mehr amerikanische Hilfe (Waffen) hätte.
Im Mai haben die G 7-Entwicklungsminister mit der Weltbank ein formelles „Bündnis für globale Ernährungssicherheit“ geschlossen, um drohenden Versorgungsausfällen zu begegnen, die durch blockierte ukrainische Weizenausfuhren ausgelöst werden. 50 Millionen Menschen stehen laut UN-Welternährungsprogramm kurz vor einer Hungersnot, 750.000 drohen in einigen Ländern Afrikas zu verhungern. Dahinter steckt auch eine Agrarkrise, verursacht durch Dürren und andere Extremwetterlagen, die einer rasch voranschreitenden Erderwärmung geschuldet sind. Nun trägt auch noch der Ukraine-Krieg dazu bei, dass sich das Zeitfenster für eine erfolgreiche Klimapolitik schneller schließt als gedacht. Bis 2026 bereits kann die Steigerung der Weltdurchschnittstemperatur erstmals die 1,5-Grad-Marke erreichen, lauten die jüngsten Warnungen der Weltwetterorganisation.
Klub der Willigen
Daher steht Klimaschutz weit oben auf der G 7-Agenda. Sehr passend, denn Elmau liegt in einer Alpenregion, in der eine akute Gletscherschmelze schon in wenigen Jahren gut 160 Millionen Menschen mitten in Europa erheblichem Wassermangel aussetzen kann. Schon im Januar hatte Olaf Scholz erklärt, man werde den Vorsitz der G 7 nutzen, um sie zum Kern eines Klimaklubs der Willigen und Fähigen zu machen, der auf das Beispiel setzt, statt auf die Langsamsten und Widerstrebendsten zu warten.
Mit den USA und der EU sind auf Schloss Elmau zweifellos zwei der großen Klimasünder, aber zugleich auch die technologisch versiertesten Klimaschützer vertreten. Immerhin können sich etliche EU-Länder, Japan und Großbritannien auf eine in Angriff genommene klimagerechte industrielle und ökologische Transformation berufen. Insofern hätte es sich angeboten, zumindest den chinesischen Umweltminister nach Elmau zu bitten. Ohne China, das ein Drittel des globalen Ausstoßes an Treibhausgasen verantwortet, ebenso aber eines der weltweit großzügigsten und effektivsten Programme zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen fährt, geht es in der Klimapolitik nicht mehr. China hat oft genug signalisiert, zur Kooperation bereit und willens zu sein, nun aber ist es wegen seiner Partnerschaft mit Russland nicht wohlgelitten.
Kritiker fürchten, dass der Ukraine-Krieg auch alle anderen Themen überschattet und dazu führt, dass die G 7-Staaten Gelder, die für andere Notsituationen gedacht waren, nun kürzen oder umwidmen – zulasten der Corona-Hilfe, der Hunger- und Entwicklungshilfe. Der Aufruf der Vereinten Nationen, der Ukraine finanziell beizustehen, erbrachte in kürzester Zeit gut 60 Prozent der erbetenen Summe, weit mehr als bei anderen Hilfsaktionen, wo im Durchschnitt kaum 20 Prozent des Erhofften zusammenkommen.
Was eine „Allianz der demokratischen Staaten“, wie sie Olaf Scholz vorschwebt, genau auslösen soll, bleibt unklar. Warum nicht zunächst die wichtigsten internationalen Organisationen demokratisieren, auf denen die Weltordnung zum Teil noch beruht? Über eine Neuverteilung der Macht im Internationalen Währungsfonds (IWF), in der Weltbank oder der OECD wird seit Langem gestritten. Vermutlich lässt sich der Gastgeber von der Überzeugung leiten, Demokratien führen keine Kriege gegeneinander oder sollten das wenigstens nicht riskieren. Aber was tun sie dann? Den Austausch mit den Ländern suchen, die laut Demokratieindex des Economist keine „funktionierenden Demokratien“ sind? Mit China etwa, dem wichtigsten Partner im G 20-Format und dem einzigen Land, das wirksam Druck auf den Nachbarn und Partner Russland ausüben kann.
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