Die Gunst des großen Zampano

EU/USA Der transatlantische Handelskrieg ist erst einmal aufgeschoben, aber nicht abgewendet. Zwischen den Kontrahenten herrscht bestenfalls ein Scheinfrieden
Der politische schloss das körperliche Einvernehmen ein
Der politische schloss das körperliche Einvernehmen ein

Foto: Win McNamee / Getty Images

Jean-Claude Juncker hat Tacheles geredet. Europäer und US-Amerikaner seien keine Feinde, sondern Alliierte. Die USA würden im transatlantischen Handel keineswegs übervorteilt. Ein Handelskrieg ließe sich vermeiden, Industrie- und Agrarzölle, Importquoten und weitere Handelshemmnisse könne man abbauen.

Donald Trump hat bereits vor geraumer Zeit die Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP einseitig abgebrochen, er findet den Brexit großartig und würde nichts lieber sehen als eine gespaltene EU, in der jedes Land einzeln um die Gunst des großen Zampano bettelt. Bisher verweigern ihm die Europäer diesen Gefallen. Wie bei den Brexit-Verhandlungen sind sie sich erstaunlich einig. Jetzt sind Juncker und die EU-Kommission rechtzeitig vorgeprescht, bevor die größte Autokanzlerin aller Zeiten einknicken konnte, um die drohenden Zölle auf Autoimporte der abzuwenden. Die erste Runde des „Wie Du mir, so ich Dir“ hat den Trumpisten gezeigt, dass die Europäer es ernst meinen und gewillt sind, ihre ökonomischen Interessen zu verteidigen.

Trumps Entourage, ökonomisch nicht sonderlich versiert, hatte eine brillante Idee, die Trump per Tweet in die Welt posaunte: Die EU solle doch einfach alle Zölle, alle sonstigen Handelsbeschränkungen und alle Subventionen abschaffen, die USA würden dann ein Gleiches tun. Freihandel pur zwischen den USA und Europa, was will man mehr? Ein Vorschlag von berauschender Naivität, der zum Trumpistischen Politikstil passt.

Unmut der Farmer

Das Spitzentreffen im Weißen Haus war freilich vorbereitet, es gab vorher ein informelles Arbeitstreffen europäischer und amerikanischer Handelsspezialisten. Deshalb war es möglich, zu einer vorläufigen Einigung zu kommen. Die Europäer haben richtig kalkuliert und ihre zollpolitischen Risiken genau dosiert. Sie wussten, Trump und seine Berater konnten nicht umhin, auf die wachsende Unruhe im eigenen Land zu reagieren. Farmer und Industrielle wollen keinen Handelskrieg mit Europa. Zudem, haben US-Traditionsfirmen wie Harley-Davidson Verluste erlitten und drohen mit Abwanderung. Bei den Republikanern im Kongress wächst das Unbehagen über Trumps erratischen Handelskurs. Dessen Klientel mag zwar das mackerhafte Getöse ihres Führers, aber wenn es an die Jobs bzw. ans Geld geht, hört der Spaß auf.

Der Zollkrieg zwischen den USA und der EU ist – vorerst – ausgesetzt. Über die Senkung von Industrie- und Agrarzöllen auf beiden Seiten soll weiterverhandelt werden. Solange das passiert, sollen keine neuen Zölle eingeführt werden, doch bleibt die Option der US-Regierung, Einfuhrzölle auf Automobile aus der EU zu verhängen, weiter bestehen. Die EU hat sich bereit erklärt, mehr Soja und mehr Flüssiggas aus den USA zu importieren. Auch die bereits verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa sollen gelockert werden, schaden sie doch diversen US-Fabrikanten. Immerhin sind die Aktienkurse der drei größten US-Autobauer – General Motors, Ford und Chrysler – sind kräftig eingebrochen. Deren Bosse sind ebenso nervös wie die Vorstände der Branchenführer in Europa.

Die zweite Front

Was auch immer jetzt an Flötentönen erklingt – es sollte nicht überbewertet werden. Die EU hat nicht nur gezeigt, dass sie als Block handlungsfähig ist, sondern Donald Trump auch den Gefallen getan, ihm eine zweite Front nach dem bereits ausgelösten Handelskrieg mit China zu ersparen. Sie hat ihm sogar gestattet, seine wegen chinesischer Zölle erbosten Sojabauern zu besänftigen, die sich nun am EU-Markt schadlos halten dürfen.

Schön, dass verhandelt wird. Nur eben mit der Vorgabe, so zu tun, als habe es die jahrelangen Verhandlungen über TTIP nicht gegeben. Die Knackpunkte sind seit langem bekannt: Beide Seiten schützen ihre Kernindustrien, beide Seiten schützen ihre Landwirte, beide Seiten subventionieren ihren Agrarsektor ebenso wie andere Schlüsselsektoren auf vielerlei Weise, längst nicht mehr allein mit Zöllen, sondern mindestens ebenso mit komplizierten Standards. Die technischen, sozialen und Umweltstandards anzugleichen, ist eine Herkulesaufgabe, an der sich die EU-Länder seit Jahrzehnten versuchen.

Dass Präsident Trump zunächst einmal einlenkt, hat vorrangig zwei Gründe: drohender Ärger mit der US-Agrarwirtschaft und ein ausufernden Handels- und Währungskonflikte mit China, der für das Weiße Haus weitaus gefährlicher ist als der Schlagabtausch mit der EU. Die sollte sich rasch darüber klar werden, ob sie jetzt die Rolle des lachenden Dritten spielen will.

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