Rishi Sunak ist ein Coup gelungen: Der Dauerstreit mit der EU um das Nordirland-Protokoll scheint aufgelöst. Boris Johnson hatte dafür gesorgt, als die Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU in die Irische See verlegt wurde, um eine solche Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland zu verhindern. Krach war programmiert, da man in den Grenzregionen großen Wert auf die Einhaltung des Protokolls legte, während die nordirischen Nationalisten der DUP fürchteten, vom Vereinigten Königreich abgeschnitten zu werden. Der bürokratische Aufwand war immens, der Handel mit der EU brach ein, am stärksten in Nordirland, wo sich immer wieder die Supermarktregale leerten.
Nun also ein praktikabler Kompromiss, der für den Pragmatismus beider Seiten spricht. Was von den Britischen Inseln nach Nordirland geht, soll fortan nur per Stichprobe geprüft werden, nur was von Großbritannien über Nordirland in die EU geht, soll vollständiger Zollkontrolle unterliegen. Klingt einfach, setzt aber verlässliche Zolldaten und Kooperation beider Seiten voraus, die es bisher nicht gab. Doch Sunak braucht diesen Erfolg, es wäre sein erster. Die britische Wirtschaft leidet unter den Folgen des Brexits. Mit der jetzigen Übereinkunft können einige Schäden begrenzt werden, zumal die EU kein Interesse an einem langwierigen Handelskrieg mit den Briten hat. Daher wird der Kompromiss von Windsor in Brüssel und Straßburg kaum auf Gegenwind stoßen.
Anders sieht das in London und Belfast aus. Für Sunak war die Einigung mit der EU-Kommission erst die halbe Miete, nun muss er die Hardcore-Brexiteers in der eigenen Partei und die nordirischen Unionisten für den Deal gewinnen, die eine Regierungsbildung für Nordirland seit Monaten blockieren. Nichts erscheint für sie einfacher, als im Parlament von Westminster den Schulterschluss mit den Tory-Hardlinern zu suchen und Sunaks Agreement mit der EU abstürzen zu lassen. Scheitert der Premier bei dieser heiklen Machtprobe im eigenen Lager, könnte er sein Amt schon bald wieder los sein. Und Kröten schlucken, das gehört nicht zu den Stärken der Tory-Extremisten. Sie werden sich wie die Unionisten besonders daran stören, dass der verhasste Europäische Gerichtshof weiter als Oberstes Schiedsgericht fungieren soll.
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