Gegen die Wand

EZB Warum Mario Draghis Strategie der Nullzins-Politik am Austeritätsdiktat zerschellt
Ausgabe 11/2016
Mario Draghi hat mit seiner lockeren Geldpolitik bisher wenig erreicht
Mario Draghi hat mit seiner lockeren Geldpolitik bisher wenig erreicht

Foto: Hannelore Förster/Getty Images

Mario Draghi hat es noch einmal gewagt. Wie erwartet hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossen, die Geldpolitik weiter kräftig zu lockern. Fortan gilt der Nullzins als Leitzins im Euroraum. Für Einlagen bei der EZB wird ein erhöhter Strafzins fällig, 0,4 statt wie bisher 0,3 Prozent. Das Kaufprogramm für Staatsanleihen und andere Wertpapiere wird ausgeweitet, statt 60 Milliarden wird die EZB ab April 80 Milliarden Euro pro Monat in den Markt pumpen.

Alle weltwirtschaftlichen Daten stehen auf Flaute, im Euroraum und in der EU ist von einem halbwegs robusten Aufschwung nichts zu sehen. Im Gegenteil: In der Eurozone, in China, in den großen Schwellenländern schwächeln oder sinken Exporte und Industrieproduktion, die Rohstoffpreise purzeln. Der IWF und die großen Zentralbanken der Welt stützen Draghis Kurs des leichten und von nun an zinslosen Geldes. Sie alle haben ihre Wachstumsprognosen für das laufende und die kommenden Jahre kräftig nach unten korrigiert.

Die EZB hat mit ihrer lockeren Geldpolitik bisher wenig erreicht, die Inflation bleibt weit hinter dem selbst gesteckten Ziel von zwei Prozent zurück. Für 2016 senkt die EZB ihre Inflationsprognose von bisher 1,0 auf 0,1 Prozent. Da die letzte Runde von Zinssenkungen nichts gebracht hat, wird die Dosis nun noch einmal kräftig erhöht – und obendrein werden die Banken nun mit Prämien gelockt: Wer wie gewünscht Investitionskredite vergibt, den belohnt die EZB.

Immerhin einen erwünschten Effekt hatte die Politik des weit offenen Geldhahns: Die Renditen auf Staatsanleihen mit Laufzeiten von zehn bis zu einem Jahr sind drastisch gesunken, für Staatsanleihen mit Laufzeiten zwischen vier und einem Jahr sind sie inzwischen negativ. Spekulieren mit kurzfristigen Staatspapieren lohnt sich also nicht mehr. Die EZB hat den Regierungen Spielraum verschafft, um sich zu entschulden oder zu günstigsten Konditionen umzuschulden. Die Zinssenkung ist gut für Börsianer, für die Schuldnerländer des Südens, für alle Kreditnehmer. Dem steht allerdings ein beträchtlicher Zinsverlust für Sparer gegenüber – auch für institutionelle Anleger wie Pensionsfonds und Lebensversicherer.

Alle Beteiligten wissen, dass auch diese drastisch erhöhte Dosis der ultralockeren Geldpolitik nicht reichen wird. Auch mit Nullzinsen für Zentralbankkredite, mit Strafzinsen auf ihre Einlagen und mit Kreditprämien wird es den Banken nicht gelingen, mehr Investitionen in Gang zu bringen. Sie können Privatleuten spottbillige Hypothekenkredite nachwerfen, wie gehabt, das pumpt die Immobilienblasen in einigen europäischen Metropolen weiter auf – nicht mehr. Sie können die Zeit, die Draghi ihnen abermals gekauft hat, nutzen und ihre Bilanzen mit überteuer-ten Wertpapieren aufhübschen.

Jede noch so unkonventionelle, noch so lockere Nullzins-Geldpolitik muss sich im Reich der Finanzmärkte totlaufen, wenn sie gegen eine Wand anrennt. Die Wand, die die EZB bisher nicht hat verrücken können, ist die eisern durchgehaltene Austeritätspolitik in Euroland. Schäuble ist ihr Prophet, er hat stets konsequent seine Stimme gegen die Politik des ultrabilligen Geldes erhoben. Draghi weiß das nur zu genau, die ganze Eurozone könnte es eigentlich wissen: Erfolgreich war die lockere Geldpolitik immer nur dann, wenn sie mit einer expansiv ausgerichteten Wirtschafts- und Finanzpolitik zusammenging. Sie muss in Vermögensblasen verpuffen, wenn eine starre Austeritätspolitik jeden realwirtschaftlichen Effekt vereitelt.

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