Seit den famosen Preisschocks in den 70er Jahren zählen die zwölf Mitglieder (Angola, Algerien, Libyen, Nigeria, Irak, Iran, Katar, Kuwait, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Ecuador, Venezuela) der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) zu den temporären Halunken der Weltpolitik. Umso größer die Freude, als der Staatenbund auf seiner Wiener Tagung vor Wochenfrist keine gedrosselte Fördermenge beschloss. Sehr zum Verdruss Venezuelas und des Iran, die genau das verlangt hatten, um den rasanten Preisverfall zu stoppen.
Die Märkte reagierten prompt auf die vermeintliche Abdankung eines Kartells. Der Ölpreis gab sofort um 8,5 Prozent auf jetzt unter 70 Dollar pro Barrel nach. Ein Preisfall von 35 Prozent seit Juli, das ist kein Pappenstiel. Die Aktien von Ölgesellschaften wie BP und Royal Dutch Shell verbuchten Verluste von bis zu 3,5 Prozent. Öl-Futures verloren an den Ölbörsen so stark wie seit Anfang 2011 nicht mehr. Zugleich büßten die Währungen ölproduzierender und -exportierender Nicht-OPEC-Länder – der russische Rubel, die norwegische Krone, der kanadische Dollar und sogar das britische Pfund – gegenüber dem US-Dollar an Wert ein. In den Vereinigten Staaten ist man geneigt, das Votum der OPEC als Zeichen von Impotenz und Zerrissenheit zu deuten. Etwas voreilig, denn nach wie vor kontrollieren deren Mitglieder über 40 Prozent der Fördermengen weltweit und über 80 Prozent der (bekannten) globalen Ölreserven. Hätte die OPEC entschieden, ihre gemeinschaftliche Fördermenge deutlich zurückzufahren, wäre der Ölpreis vermutlich wieder auf 90 bis 100 Dollar pro Barrel gestiegen. Doch ist die orientalische Despotie in Saudi-Arabien nicht gewillt, sich kollektivem Druck zu beugen und erneut die ausgleichende Kraft durch Produktionsverzicht zu geben.
Ist das ein Grund mehr zu der Annahme, die OPEC habe als Global Player abgewirtschaftet? Dass sie bisher als maßgebliches Kartell auf den internationalen Ölmärkten wahrgenommen wurde, gehört längst ins Reich der verblichenen Mythen. Der Einfluss auf die Preisbildung schwindet bereits seit den neunziger Jahren erkennbar. Nur ändert das wenig an der Reputation, die ein Staat als OPEC-Mandant nun einmal gewinnt. Vielfach wird die Mitgliedschaft mit dem Status einer Atommacht verglichen. Das mag übertrieben klingen, doch sollte die Markthegemonie Saudi-Arabiens nicht unterschätzt werden, die durch den OPEC-Verbund selbstverständlich über mehr Durchschlagskraft verfügt, als müsste Riad allein handeln.
Es liegt schließlich im strategischen Interesse der Saudis, den US-Schieferöl-Boom abzuwürgen. Jeder weiß, dass eine wachsende Zahl von Produzenten in Texas und Norddakota aufgeben muss, wenn der Ölpreis unter 60 Dollar pro Barrel sinkt. Zudem steigert billiges OPEC-Öl den Verbrauch in den USA und ist dazu angetan, die alte Abhängigkeit Nordamerikas von arabischen Ölimporten zumindest teilweise zu restaurieren. Das wird erst im nächsten oder übernächsten Jahr sicht- und fühlbar werden, aber die Saudis können warten. Erst im Juni 2015 will die OPEC wieder zusammenkommen, eine Sondersitzung ist nicht geplant. Das passt ins Bild.
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