Lusitanischer Krisensabbat

Portugal Die Pleite der Banco Espírito Santo (BES) zeigt, dass eine europäische Bankenaufsicht noch nicht so funktioniert wie gewünscht
Ausgabe 33/2014

Vor kurzem schien die Welt in Portugal fast wieder in Ordnung zu sein. Die Folgen der Finanzkrise schienen überwunden, die portugiesische Wirtschaft wuchs, zumindest auf dem Papier, die Arbeitslosigkeit sank zur Jahresmitte auf 14,1 Prozent. Stolz verkündete die Regierung von Premier Passos Coelho, keine Finanzhilfen der europäischen Nachbarn mehr nötig zu haben. Die Portugiesen waren glücklich vereint in der Freude darüber, die Troika endlich los zu sein.

Leider hat die größte Bank des Landes, Banco Espírito Santo (BES), Anfang des Monats einen atemberaubenden Verlust von 3,6 Milliarden Euro verkündet. Ein Crash, der das Eigenkapital der Bank halbiert und die Eigenkapitalquote auf unter fünf Prozent drückt. Die Aktien des Instituts fielen von einem Rekordtief ins nächste, zuletzt auf 0,12 Euro pro Papier, bis der Handel ausgesetzt wurde. Die Riesenpleite drohte zum Auslöser einer neuen Banken- und Finanzkrise in Portugal und Südeuropa zu werden. Noch ist die Gefahr nicht gebannt.

Vorausgegangen waren etliche ziemlich unappetitliche Affären und Skandale um das Finanzgebaren einer Finanzholding-Gesellschaft, der Espírito Santo International (ESI). Es ging um Betrug, Geldwäsche und verschleierte Verluste von mindestens 1,3 Milliarden Euro. Immer mit dabei – die BES. Ihr Chef, Ricardo Espírito Santo Salgado, wurde im Juni zum Rücktritt gezwungen. Womit auch die Familie Espírito Santo, im Volksmund bekannt als die „lusitanischen Rockefellers“, in die Bredouille geriet. Dem ehrenwerten Clan gehören mehr als 20 Prozent der Bank gleichen Namens.

Ausgelöst wurde das Desaster durch allerlei weltweite Beteiligungen und Übernahmen, mehr oder minder waghalsige Unternehmungen in Übersee, in Brasilien und Angola. Der Familienclan hatte sich ein Firmenimperium aufgebaut – und den Überblick verloren. Als sich die Einbußen häuften, verfiel man auf die Idee, die eigene Bank zu nutzen, um maroden Firmen im Familienbesitz großzügige Buchkredite einzuräumen. Wozu besitzt man schließlich ein Geldhaus mit einer Bilanzsumme von 80 Milliarden Euro? Sich damit selbst Kredit zu geben, das ist noch schöner als eine private Gelddruckerei im Keller.

Das Fall BES lässt nachfragen, ob das nach diversen Bankenrettungsakten in der Eurozone geltende neue Credo funktioniert: Keine Steuergelder mehr für Pleitebanken, auch nicht aus dem Rettungsfonds ESM! Vorrangig Aktionäre und Gläubiger einer maroden Bank sollen die Verluste tragen. In der Zypern-Krise wurde dies zum ersten Mal – und dank der Mithilfe von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Finanzminister – eher tölpelhaft durchexerziert, womit die Lösung rasch an Beliebtheit verlor. Kleinsparer und Kleinanleger – und das sind in Europa die weitaus meisten Leute, die ein Bankkonto haben – mussten damit rechnen, ebenfalls in Haftung genommen zu werden.

Sparer wurden (noch) nicht zur Kasse gebeten

Diesmal gab es für die Banco Espírito Santo eine blitzschnelle konzertierte Hilfsaktion von Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und portugiesischer Regierung. Im Ergebnis wird das Unternehmen aufgespalten in eine „Bad Bank“, eine Art Abfallgrube für alle faulen Kredite und Wertpapiere, und eine „Neue Bank“, die der portugiesische Staat in seine Obhut nimmt. Damit sollen alle Einlagen, alle Bankendienste, alle Arbeitsplätze, alle Geschäftsbeziehungen gesichert sein – und zum Verkauf stehen. Diese Lösung kostet 4,9 Milliarden Euro, sodass es sich trifft, wenn Portugal die Gelder aus dem ESM-Rettungsfonds nur zum Teil verbraucht hat und 4,4 Milliarden davon nun in die BES-Rettung gehen können. Der Staat legt noch einmal 500 Millionen drauf. Kaum jemand glaubt, dass der Verkauf der „Neuen Bank“ diese Summen je wieder einspielt.

Das heißt, es ist nicht eingetreten, was Untergangspropheten seit der Zypern-Krise prophezeien: die Sparer wurden (noch) nicht zur Kasse gebeten. Und einstweilen versichert der portugiesische Zentralbankchef Carlos Costa, die Abwicklung von BES werde den portugiesischen Staat und seine Steuerzahler nichts kosten. Im Moment treffe es nur die Aktionäre, darunter Banken wie die französische Crédit Agricole (mit 15 Prozent der Gesamtverluste dabei). Es trifft aber letzten Endes auch die europäischen und portugiesischen Steuerzahler, weil sie für die Hilfskredite aus dem ESM-Programm direkt oder indirekt aufkommen müssen. Das heißt, die Bankenretter haben einen seltsamen Zwitter erzeugt, halb bail-in, halb bail-out, nicht Fisch, nicht Fleisch.

Und wie verhält es sich mit der von der EZB koordinierten Bankenaufsicht? Offenbar blieben die Risiken unbeachtet, die sich aus den Eigentumsverhältnissen, Beteiligungen und Verflechtungen der Banco Espírito Santo ergaben. Auch hochkarätige Finanzexperten können eben nicht mehr tun, als Regularien zu ersinnen und Haftungsgründe wie Haftungsgrenzen genauer zu bestimmen. Dass aber private Banken im vorhandenen Weltfinanzsystem so agieren, wie sie zu agieren pflegen, das können sie nicht verhindern.

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