Musterland der Troika

Sparpolitik In Portugal erklärt das Verfassungsgericht die geplanten Kürzungen bei Sozialleistungen für nichtig. Doch die Troika ist offenbar stärker und schon spurt die Regierung
Ausgabe 15/2013
Wütende Portugiesen protestieren gegen die Sparpolitik ihrer Regierung. Doch die Macht der Troika ist offenbar stärker.
Wütende Portugiesen protestieren gegen die Sparpolitik ihrer Regierung. Doch die Macht der Troika ist offenbar stärker.

Foto: Patricia de Melo Moreira/AFP/Getty Images

Frühling in Portugal! Hunderttausende sind auf der Straße, um wie so oft in den vergangenen Jahren gegen die eiserne Sparpolitik der Regierung zu protestieren. Diesmal bekommen sie Rückenwind – von der Opposition und vom Staatspräsidenten Cavaca Silva, die gegen die jüngsten Sparpläne der Regierung Verfassungsklage erhoben haben, wegen „berechtigter Zweifel an der Gerechtigkeit bei der Verteilung der Opfer“.

Das portugiesische Verfassungsgericht gab den Klägern recht, es hat die vorgelegten Sparpläne der Regierung für 2013 in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Gegen geplante Kürzungen des Urlaubsgelds, der Arbeitslosenhilfe und des Krankengelds um insgesamt 1,3 Milliarden Euro legten die Richter ein Veto ein. Daran muss sich die Regierung halten, sollte man meinen. Die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank hat sie jedoch prompt zur Ordnung gerufen. Keine Lockerung der Sparauflagen; wenn die Portugiesen nicht spuren, wird der Geldhahn zugedreht. Der konservative Regierungschef Passos Coelho rief am Sonntagabend im Fernsehen den „nationalen Notstand“ aus, die Finanzlücke von 1,3 Milliarden müsse gestopft werden, koste es, was es wolle. Keine weiteren Steuererhöhungen soll es geben, dafür nun drastische Einschnitte bei Bildung, Gesundheit und öffentlichem Nahverkehr. Die Schuld liege allein beim Verfassungsgericht.

Handlungsspielraum für die Politik gibt es nicht. Denn Portugal ist auf die nächste Tranche der 2011 von der Troika versprochenen 78 Milliarden Euro Hilfsgelder sowie auf eine Verlängerung der Kreditlaufzeiten angewiesen. Portugals Finanzminister Vitor Gaspar wird frisches Geld nur loseisen können, wenn er neue drakonische Sparpläne vorlegt.

Das portugiesische Drama geht also weiter: Die Wirtschaft wird ein weiteres Jahr um wenigstens zwei Prozent schrumpfen, die Arbeitslosigkeit von derzeit 17 auf gut 19 Prozent steigen, die Auswanderung der jungen und gut qualifizierten Leute ist in vollem Gang. Im Musterland der merkelschen „Reformpolitik“ herrscht nun der Ausnahmezustand – verhängt von der Troika.

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