Neuer alter Bankrotteur

Wirtschaft Nur ein Schuldenschnitt kann Griechenland retten – allen Reformauflagen zum Trotz
Ausgabe 18/2016
Bauern aus Kreta demonstrieren in Athen gegen die Rentenreform
Bauern aus Kreta demonstrieren in Athen gegen die Rentenreform

Foto: Louisa Goulimaki/AFP/Getty Images

Griechenland ist als Bankrotteur zurück, mit allen Schikanen, Grexit inklusive. Solange die akute Flüchtlingskrise auf dem Balkan die EU in Atem hielt, wurde die griechische Regierung hofiert. Angela Merkel brauchte Alexis Tsipras, ohne ihn wäre aus ihrem Kuhhandel mit Tayyip Erdoğan nichts geworden. Nachdem aber der Deal unter Dach und Fach ist, wird Griechenland wieder als Reformverweigerer stigmatisiert, als sei nichts geschehen.

Es geht um das von Merkel und Co. durchgedrückte Junktim, Hilfsgelder nur gegen als Reformen drapierte Sparmaßnahmen zu gewähren, ganz gleich wie ökonomisch sinnvoll oder aberwitzig sie sind. Griechenland muss „liefern“. Nur wenn die Kontrolleure der Troika mit den Bemühungen der Regierung in Athen zufrieden sind, geben sie grünes Licht und es dürfen wieder Gelder aus dem dritten Hilfspaket fließen. Es geht um rund fünf Milliarden Euro, die das Land dringend benötigt, denn schon am 20. Juni müssen 2,4 Milliarden Euro gegenüber den Gläubigern getilgt werden. Allerdings plädiert der Internationale Währungsfonds (IWF) – zwar inoffiziell, dafür aber umso nachdrücklicher – für moderatere Sparziele und Schuldenerleichterungen bis hin zum erneuten Schuldenschnitt. Der wäre die vernünftigste Lösung, will man ein Ende der griechischen Dauerkrise haben.

Wie gehabt mauert die deutsche Regierung und lehnt alles ab, was auch nur nach einem Schuldenerlass für die Griechen aussieht. Daraufhin kreiert der IWF einen neuen Vorschlag: Die Regierung Tsipras möge sich – für den absehbaren Fall, dass sie die viel zu hoch gesteckten Sparziele bis 2018 nicht erreicht – auf Vorrat zu zusätzlichen Einsparungen von 3,6 Milliarden Euro verpflichten. Ein Sparvolumen in dieser Größenordnung, zusätzlich zu einem schon vereinbarten Aderlass von 5,4 Milliarden Euro, kann Tsipras mit seiner hauchdünnen Mehrheit nie und nimmer durchs Parlament bringen. Eben deshalb wollte er einen Sondergipfel und das ganz große Theater – Schäubles Nein kam postwendend.

Am 9. Mai wird nun über das Extra-Sparpaket weiter verhandelt, mit den Euro-Finanzministern, nicht aber den Regierungschefs. Die Eurogruppe kann an einer Eskalation wie letzten Sommer kein Interesse haben. Niemand sollte sich wünschen, dass der endlose Schuldenstreit mit Griechenland pünktlich zur Brexit-Abstimmung in Großbritannien wieder ausbricht. In Spanien stehen überdies Ende Juni Neuwahlen an, und die Wähler dort werden es kaum schätzen, wenn die Eurogruppe unter deutscher Führung die Griechen wieder einmal abblitzen lässt. Immerhin kann der Türkei-Deal noch an der Visa-Frage scheitern, dann wäre Griechenland wieder als Fangnetz für Flüchtlinge gefragt.

Alexis Tsipras versucht, die Zwangslage seiner Gegenspieler zu nutzen. Viel mehr als Staatstheater bleibt ihm nicht, denn spektakuläre Privatisierungen wie der Verkauf des Hafens von Piräus lassen sich nicht beliebig wiederholen. Und die Renteneinschnitte werden Zehntausende Familien weiter verarmen lassen. Auch nützen alle Steuerreformen absolut nichts, werden sie nicht von wirtschaftlicher Erholung flankiert. Die käme nur bei einem radikalen Kurswechsel in Sicht, weg von der Sparerei ohne Ende, hin zu einer großzügigen Restrukturierung der griechischen Volkswirtschaft, die ohne öffentliche Investitionen und ohne private Kredite nicht zu haben ist. Beides gibt es nur, wenn dem Land durch einen radikalen Schuldenschnitt wieder so etwas wie eine Perspektive vergönnt ist.

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