Geredet wurde viel beim G20-Treffen in Buenos Aires. Auch die deutsche Kanzlerin absolvierte ein Tête-à-Tête nach dem andern. Trotz aller Händeschütteleien für die Kameras – Verhandlungsdurchbrüche gab es nirgends. Bei den meisten Konfliktherden wurde zwar viel sondiert, doch auch nur der bloße Ansatz einer Lösung fehlt – es gibt den weder für den Jemen noch für Afghanistan, weder für Syrien noch für Palästina.
Als Weltmeisterin im Aussitzen und Vernebeln kann auch Angela Merkel in dieser Hinsicht nichts vorweisen, schon gar nicht bei der Ukrainekrise. Russlands Präsident Putin ließ Merkel nicht im Zweifel darüber, dass die Konfrontation mit der Ukraine unvermeidlich sei, solange in Kiew die jetzige Regierung am Ruder bleibe. Das Minsker Abkommen, dem Merkel unverdienten Ruhm als große Weltpolitikerin verdankt, stand abermals als bloße Absichtserklärung im Raum.
Auch Prinz Mohammed bin Salman konnte sich als starker Mann Saudi-Arabiens ungeniert auf der internationalen Bühne produzieren, politische Morde scheinen die G20-Chefs inzwischen als Kavaliersdelikt zu verbuchen. Nur ein Indiz dafür, wie sehr ein solches Gipfelformat inzwischen von den Akteuren selbst ad absurdum geführt werden kann? Freilich ist der Verriss schnell verfasst, aber leichtfertig, solange Alternativen entbehrt werden. Wenn die Fundamente des Multilateralismus bröckeln, taugt ein multilaterales Forum wie das der G20 wenigstens als bilaterale Kontaktbörse.
Und eine Abschlusserklärung gab es schließlich auch. Darin wird einem multilateralen und regelbasierten Handelssystem Priorität eingeräumt und dessen Stellenwert für ökonomische Prosperität betont. Zugleich fällt das Plädoyer für eine Reform der Welthandelsorganisation WTO ins Auge. Ein Erfolg für Trumps Taktik des doppelten Spiels, denn gegenwärtig sind es die USA, von denen die Arbeit der WTO blockiert wird. Sie verhindern eine personelle Erneuerung der zentralen Schiedsgerichte. Offiziell steht die WTO-Reform nun auf der Agenda der G20 obenan und soll im Juni 2019 bei einem Treffen in Osaka überprüft werden.
Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass im Schlussdokument von Buenos Aires ein profundes Votum gegen den grassierenden Protektionismus fehlt, wie es besonders Deutschland gefallen hätte. Wenigstens haben sich Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping bemüht, ihren mutwillig eskalierten Handelskonflikt einzudämmen, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Zunächst gilt ein Moratorium für die nächsten gegenseitigen Schikanen. So wird die von der US-Regierung angekündigte Erhöhung bereits geltender Strafzölle auf chinesische Importe von zehn auf 25 Prozent ab 1. Januar 2019 für 90 Tage ausgesetzt – in Erwartung von Konzessionen der Gegenseite, versteht sich. Xi scheint dazu bereit, wenn er Trump zusagt, auf neue Handelsbarrieren zu verzichten.
Das ist nicht mehr als eine Waffenruhe, orchestriert von Warnungen des Internationalen Währungsfonds. Der permanente Schlagabtausch zwischen den maßgebenden Handelsmächten, so der IWF, ziehe die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft. Eine Weltrezession sei im Anzug. Der US-Präsident nimmt für sich in Anspruch, dem Rechnung zu tragen. Zum Beispiel, indem er vor dem Gipfel ein neues Handelsabkommen mit Mexiko und Kanada unterschrieben hat, das den NAFTA-Vertrag ersetzt. Ein weiterer Erfolg von Rüpeldiplomatie, aber auch Realpolitik.
Kommentare 1
Naja, es war schon ein skurriles theater, das da in Buenos Aires aufgeführt wurde, wobei nichts neues herausgekommen ist.
Auch die sogenannte WTO-reform (die eigentlich WTO-rettungshoffnung heissen müsste) ist bei leibe nicht neu. Dazu hat die EU bereist am 29 Juni 2018 ein grundsätzliches papier verfasst; und Azevedo, der WTO-DG, hat dazu am 16. November 2018 in Paris lange gesprochen, aber nichts erhellendes gesagt. Auch in den handelsbeziehungen zwischen China und den USA gibt es nichts neues; Trump kann eigentlich kaum noch neue zölle einheben, ohne dass auch US-unternehmen, die in China zusammenbauen lassen und die fertigprodukte dann in die USA zurück exportieren, betroffen werden; China kann auch nicht viel mehr bei gegenreaktionen zulegen, weil der import aus den US umfangmässig viel geringer ist als die exporte in die USA (sonst wäre die handelsbilanz ja nicht derart unausgeglichen). Und da durch die USA - geschickterweise - das WTO schiedsgericht blockiert ist und zudem noch von den verblieben drei richtern einer chinese ist, helfen auch Klagen über die US-Handelspolitik bei der WTO derzeit nicht weiter.
Dumm ist nur, das heute auch viele linke glauben, weil Trump die WTO blockiert, müsse diese jetzt unbedingt gerettet werden; das freilcih kommt einer skurrilen verkehrung der bisherigen positionen gleich - auch wenn Trump gegen die WTO ist, müssen die linken diese neoliberale deregulierungsagentur doch nicht unter allen umständen retten wollen, oder?