Sie klaut bei Labour

Tories Es gehe um die Jobs, tönt Theresa May. Für sie selbst geht es ums politische Überleben
Ausgabe 28/2018
Für May geht es ans Eingemachte, für Labour sollte es um die Zukunft des ganzen Landes gehen
Für May geht es ans Eingemachte, für Labour sollte es um die Zukunft des ganzen Landes gehen

Foto: Jack Taylor/Getty Images

Am vergangenen Freitag hat die britische Premierministerin ihr Kabinett auf Linie gebracht. Mit massiven Drohungen hat sie die Hardliner auf ein Konzept zur Gestaltung der zukünftigen Handelsbeziehungen zur EU eingeschworen, das komplizierter und vor allem weicher kaum sein konnte. Keine Rede mehr vom Ausscheiden ohne Vertrag, keine Rede mehr von einem harten Brexit. Was May ihrem Kabinett da aufgezwungen hat, besitzt aber nur begrenzen Propagandawert: Offiziell wären die Briten raus aus dem Binnenmarkt, formell hätte der Europäische Gerichtshof nichts mehr zu sagen, Großbritannien würde keine Beiträge mehr zahlen. Dafür sollen aber die europäischen Regelungen im Güterverkehr, einschließlich der Außenzölle, weiterhin gelten, und zwar auf Dauer; die Briten sollen de facto im Binnenmarkt bleiben, jedenfalls zum Teil, mit voller Freiheit des Warenverkehrs, aber ohne die anderen drei Grundfreiheiten. Zu sagen hätten sie allerdings nichts mehr, und eine Art besonderer Gerichtsbarkeit für die neue gemeinsame Freihandelszone mit der EU müssten sie auch akzeptieren. Für Dienstleistungen und Kapitalverkehr sollen spezielle Abkommen folgen. An der nordirisch-irischen Grenze würde sich nichts ändern, Irland könnte zustimmen. Kaum anzunehmen, dass die EU Mays weichem Brexit ohne Weiteres zustimmen wird.

May hat sich in ihrem tief zerstrittenen Kabinett durchsetzen können, weil sich nach wie vor niemand in der Tory-Fraktion traut, sie zu stürzen. Die Tories haben im Unterhaus keine Mehrheit für einen harten Brexit, den die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auch nicht will. Sie stehen unter wachsendem Druck fast der gesamten britischen Wirtschaft, der neun Monate vor dem geplanten Austritt der Geduldsfaden gerissen ist. Es hagelte Abwanderungsdrohungen, die Wirtschaftsverbände und Großkonzerne, die Auto- und Flugzeugbauer erklärten einer nach dem anderen, dem Gewurschtel nicht länger zusehen zu wollen. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass der Brexit Jobs und Einkommen kosten wird, je härter, desto mehr. Daher wächst der Unmut auch bei den Brexit-Anhängern. Es ist absehbar, dass das britische Parlament in beiden Häusern einer harten Lösung, ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Verluste, wie sie die extremen EU-Feinde bei den Tories wollen, nicht zustimmen wird.

Die Antwort der Hardliner auf Mays weiche Tour kam prompt an diesem Montag durch die Rücktritte von Brexit-Minister David Davis und dem obersten Brexit-Propagandisten und Außenminister Boris Johnson. May hatte beide nur in ihr Kabinett geholt, um die Hardliner in ihrer Partei ruhigzustellen. Davis hatte sie schon seit Monaten de facto entmachtet und die Verhandlungen mit der EU selbst in die Hand genommen; Johnson war wegen seiner irrwitzigen Kapriolen nur eine Belastung für sie. May hat beide sofort ersetzt, durch bekennende Brexiteers. Sie scheint im Moment die Oberhand zu behalten.

Die hartleibigen EU-Feinde wie Davis, Johnson und Jacob Rees-Mogg werden May in allen Medien heftig attackieren, aber sie werden sie nicht stürzen. Zu groß ist die Angst vor Neuwahlen. Schamlos hat Theresa May der Labour-Partei die Parolen geklaut: Es gehe um einen Brexit „für die Arbeitsplätze“, tönt sie. Für sie selbst geht es ums politische Überleben, für Labour sollte es um die Zukunft des ganzen Landes gehen. Die nächste Wahl wird eine Brexit-Wahl, und dann müsste auch Labour-Partei Farbe bekennen.

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