In Donald Trumps Welt ist das amerikanische Handelsdefizit von über 732 Milliarden US-Dollar das Resultat finsterer Machenschaften und unfairer Praktiken. Dieses Handelsbilanzdefizit besteht schon seit den 70er Jahren, keine US-Regierung hat es nachhaltig reduzieren können. Auch Ronald Reagan nicht, der einst einen kostspieligen Handelskrieg gegen Japan vom Zaun brach.
Schuld am Defizit der USA sind für Trump die anderen, er hat die Hauptübeltäter ins Visier genommen: China, Kanada, Mexiko, die EU, allen voran Deutschland. Was er dabei übersieht: Eine zentrale Rolle spielen die Globalisierungsstrategien US-amerikanischer Multinationals, die mit Vorliebe im billigen Ausland für den US-amerikanischen Markt produzieren lassen. In der jüngsten Globalisierungsperiode ist die Struktur der internationalen Arbeitsteilung noch einmal gründlich verändert worden. Grenzüberschreitende, transnationale, oft sogar global gespannte Liefer- und Produktionsketten (globale Wertschöpfungsketten) dominieren in vielen Industrien. Transnationale Wertschöpfungsketten entstehen, wenn die Produktionsprozesse in Unternehmen in kleinste Einheiten zerlegt und auf verschiedene Standorte verlagert werden. Und zwar auf Standorte in verschiedenen Regionen der Welt. Wenn das geschieht, und es geschah in der letzten Globalisierungsphase weltweit, wird der Zusammenhang von Industrie, Standort und nationalstaatlich organisiertem Territorium gelockert und auf lange Sicht aufgelöst. Kapitalistische Unternehmen wollen die Vorteile vieler Standorte auf der Welt nutzen, deshalb brauchen sie internationale Handelsabkommen wie TTIP, CETA oder NAFTA.
Die Weltwirtschaft, lautet eine alte Binsenweisheit, ist verflochten. Heute mehr denn je. Am stärksten in der EU, deren Rückabwicklung in die Kleinstaaterei daher verheerende Folgen hätte. US-Strafzölle von 35 Prozent auf Importe aus Mexiko, von 45 Prozent auf Importe aus China, wie von Trump im Wahlkampf angedroht, treffen wegen dieser Verflechtung nicht nur US-amerikanische Konsumenten, die für ihre T-Shirts und Jeans erheblich mehr berappen müssten. Sie treffen neben mexikanischen auch US-amerikanische Produzenten, die auf kostengünstige Zulieferer im Ausland angewiesen sind. Made in USA ist heute in vielen Industrien, nicht zuletzt der Autoindustrie, made in Mexico. Machen US-Firmen wegen steigender Zulieferkosten dicht, sind es amerikanische Arbeiter, die die Zeche der Trumponomics zahlen.
Protektionismus hat eine lange Tradition in den Vereinigten Staaten. Erst nachdem sie zur Weltmacht aufgestiegen waren, bekehrten sich die Amerikaner zum Freihandel. Rückfälle gab es immer wieder, wenn auch nie mehr so arg wie 1930, als die USA mit drastischen Zollerhöhungen einen internationalen Zollkrieg auslösten, der zum Zusammenbruch des Welthandels führte.
Ein vertrautes Mittel
Selbst die Regierung Obama hat in der Krise 2008–2010 zum bewährten Strafzoll gegriffen, vornehmlich gegen China, um US-Wirtschaftsinteressen zu schützen. Auch die EU tut das regelmäßig, mit Vorliebe gegen China. Da handelt es sich allerdings stets um einzelne Produkte – chinesische Solarzellen, chinesische Walzstähle –, nicht um Importe aus China generell.
Was Trump ankündigt und betreibt, hat ein anderes Kaliber. Da geht es um einen veritablen Handelskrieg, jederzeit erweiterbar zum Währungskrieg. Das Dollar-Imperium könnte zuschlagen, wenn Trumps Wall-Street-Kumpel mitspielen und er die Fed rechtzeitig auf Linie bringen kann.
Der weißen Arbeiterklasse in den USA wird das alles wenig nützen. Die abgebauten Industriejobs kommen nicht zurück, jedenfalls nicht an die Orte, wo die Abgehängten der Globalisierung verbleiben. Einzelne Fabrikanten werden sich von Trumps Drohungen beeindrucken lassen, ganze Industrien und große Multinationals weniger. Die Vorstellung, man könnte mit Strafzöllen ganze Industrien wie etwa die Textilindustrie in die USA zurückholen, ist lachhaft. Statt zurück ins Hochlohnland Amerika werden die Textilunternehmen, die jetzt noch in China sitzen, ihre Produktion in Länder wie Vietnam oder Thailand verlagern, die mit noch niedrigeren Löhnen locken. Trump müsste ein Land nach dem anderen mit Strafzöllen belegen.
Sollte er tatsächlich Strafzölle verhängen, wird ihm auch die WTO sofort in die Quere kommen. Alle von Trump Attackierten werden klagen, und sie werden vor den WTO-Handelsgerichten Erfolg haben. Dann werden saftige Strafen fällig, und mit Segen der WTO dürften betroffene Länder ihrerseits mit Strafzöllen zurückschlagen. Trump bliebe nur, aus der WTO auszutreten. Das spart Gerichtskosten und Beiträge. Arbeitsplätze für Amerikaner bringt es aber nicht.
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