Alle ducken sich

Großbritannien Der britische Premier Cameron ist mit der Axt unterwegs und legt ein Sparbudget auf, bei dem manche Ministerien ihre Ausgaben um sagenhafte 40 Prozent kürzen müssen

Wer auf Deutsch den Rotstift schwingt, nimmt auf Englisch eine Axt zur Hand. To axe heißt das Sparen und Streichen in englischer Sprache. Premier Cameron und Finanzminister Osborne schwingen derzeit eine gewaltige Axt und das ganze Land duckt sich. Jedermann weiß: Das wird heute weh tun, morgen noch mehr, aber die wirklich schmerzhaften Einschnitte kommen erst noch. Großbritannien wird dank dieser Sparorgie sobald nicht aus der Krise heraus kommen. Wenn jetzt in Europa fast nur noch Axt-Männer und -Frauen regieren, laufen sie Gefahr, die EU-Ökonomie mit vereinter Kraft in eine Deflation zu sparen. Mit ein paar Steuersenkungen für Unternehmer, wie die Tories sie planen, wird sich der Marsch in die Depression nicht aufhalten lassen.

Hart, aber fair soll gestrichen werden, sogar „progressiv“. Solcher Chuzpe der Upper-Class-Sprösslinge aus Cambrigde und Oxford vermag die Labour-Opposition wenig entgegen zu setzen. Blair und Brown haben die britische Bankenwelt mit Milliarden auf Kosten der Steuerzahler gerettet und ernten jetzt den wohlverdienten Undank der Finanzeliten. Dem neuen Kabinett ist es ein Leichtes, mit dem Finger auf die Vorgänger zu zeigen: Labour hat die Schulden gemacht und sollte sich Konsequenzen nicht verweigern, die der Finanzmarkt angetan quittiert. Schließlich fallen die Zinsen für britische Staatsanleihen, und die Rating-Agenturen klopfen den Koalitionären auf die Schulter. Alle wissen: Die Wende zur Austeritätspolitik ist nicht mehr aufzuhalten, denn das wirkliche Schlachtfest folgt im Oktober, wenn nach gründlicher Prüfung aller Teilhaushalte die Details für jedes Ressort feststehen. Im Schnitt müssen alle Ministerien 25 Prozent ihrer Ausgaben abschreiben. Da einige Ressorts geschützt werden sollen – wie die für Gesundheit, Entwicklungszusammenarbeit, vermutlich auch die für Erziehung und Verteidigung – werden andere sehr viel mehr Federn lassen. Kürzungen um 40 Prozent sind im Gespräch.

Für das Justizministerium hieße das, sämtliche Gefängnisse zu schließen und für das Ressort Forschung, Technologie und Wissenschaft die Staatszuschüsse für alle Universitäten zu streichen, so dass für die Haushalte dieser Anstalten nur bliebe, was auf private Quellen und Stiftungsvermögen zurückgeht. Finanzminister George Osborne weiß einen Ausweg: Die Kürzungen für die genannten Ministerien würden geringer ausfallen, sollte bei den Sozialausgaben mehr gespart werden – mehr als wie geplant elf von 32 Milliarden Pfund bis 2011. Auf jeden Fall wird das Kindergeld eingefroren, jede Sozialleistung real gekürzt, das Wohngeld samt Familienbeihilfe begrenzt. In einem Anfall von ökonomischer Vernunft sind Cameron und Osborne jedoch entschlossen, öffentliche Investitionen nicht über die Marke hinaus zu kürzen, die bereits für Labour galt. Also wird die Axt dort fallen, wo nach neoliberaler Überzeugung ohnehin nur unproduktiv konsumiert wird – bei den Sozialleistungen und Transferausgaben.

David Cameron präsentiert ein lupenreines Tory-Budget, und die Eiserne Lady Margret Thatcher wird vom neuen Stahlmann Osborne locker übertrumpft. Dem kleinen liberalen Koalitionspartner bekommt das schlecht. Fast 50 seiner Wähler nehmen den Bruch zentraler Wahlversprechen übel und wenden sich ab.


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