Pleiten, Crash und Panik

Weltfinanzkrise Weltfinanzkrise - wen trifft es als Nächsten?

Zu Wochenbeginn wurde der Wallstreet wie den meisten Amerikanern schlagartig klar, sie befinden sich endgültig im Epizentrum einer globalen Finanzkrise, die alles bisher Gewohnte übertrifft. Bear Stearns, die fünftgrößte US-Investmentbank, war innerhalb weniger Tage am Ende und wurde nur dadurch vor der Pleite bewahrt, dass die JP Morgan Chase sie zu einem Spottpreis übernahm. Gerade einmal 236 Millionen Dollar oder zwei Dollar pro Aktie musste der Käufer zahlen. Wie konnte ein Player wie Bear Stearns, der vor einem Jahr noch 20 Milliarden Dollar wert war, innerhalb von Tagen zusammenbrechen? Ganz einfach, die Bank steckte bis zum Hals in Hypothekenkrediten, die sie nicht mehr refinanzieren konnte, sie musste für das Geschäftsjahr 2007 Verluste von 1,9 Milliarden Dollar eingestehen. Ihr Kurs versackte, der Run auf die Einlagen begann, die Kunden wollten ihr Geld zurück.

Wie immer in solchen Fällen sprang die US-Zentralbank (Fed) ein, um Pleite und Panik zu bannen, in deren Sog andere Bankhäuser geraten könnten. Der Deal mit JP Morgan kam zustande, weil die Fed mit 30 Milliarden Dollar (!) bürgt. Washington rettet die Wall Street, heißt es. Die Börsen reagieren weltweit mit Entsetzen - wieder werden Milliarden fiktiver Börsenwerte vernichtet. Am schlimmsten trifft es europäische Banken wie die schweizerische UBS, den größten Vermögensverwalter überhaupt, von dem man weiß, wie verzweifelt auch er im Hypothekensumpf rudert.

Man kann seinen alten Hut darauf verwetten, dass in den nächsten Wochen weitere Pleiten oder Fast-Pleiten international engagierter Großbanken folgen, in den USA und anderswo. Die Finanzmärkte balancieren über dem Abgrund, auch wenn sich Regierungen und Zentralbanken als Helfer in der Not und letzter Kreditgeber versuchen - einmal allein, einmal konzertiert im Kreise der GÊ10-Zentralbanken, so dass inzwischen unablässig enorme Geldsummen in stets höherer Dosierung in den Geldmarkt gepumpt werden, zugleich drosselt die Fed ihre Zinsen drastisch - zweimal in nur einer Woche.

Doch haben all die finanziellen Haupt- und Staatsaktionen bisher nichts genutzt, im günstigsten Fall verhelfen sie den Börsen zu kurzzeitiger Euphorie, den scharfen Sensenschnitt auf den Finanzmärkten haben sie bislang nicht abwehren können.

Bei der letzten globalen Operation kurz vor dem Absturz von Bear Stearns gingen die Zentralbanker gar soweit, angeschlagenen Bankhäusern in einem zeitlich befristeten Tausch erstklassige Staatspapiere anzubieten, die sich überall verkaufen oder beleihen lassen. Der Effekt dieser mehr als 200 Milliarden Dollar schweren Transaktion, an der auch die Europäische Zentralbank, die Schweizer Nationalbank und die Bank von England teilnahmen, verpuffte umgehend. Jetzt bleiben kaum noch Möglichkeiten, der Krise Herr zu werden. Bisher wurde nach der orthodoxen, aber unzutreffenden Vorstellung verfahren, die Krise sei eine der Liquidität, es gelte also, die Geldmärkte mit Zentralbankkrediten zu fluten und schon sei Land in Sicht. Ein Trugschluss, die Finanzwelt entgeht dem ultimativen Kollaps nur deshalb, weil alle Beteiligten das wahre Ausmaß ihrer Verluste vor einander verschleiern. Im Moment bewahrt noch kreative Buchhaltung vor dem ganz großen Krach. Nur wenn es die Zentralbanken wagen sollten, den Banken und Fonds ihre faulen Kredite abzukaufen, wäre der auf Dauer aufzuhalten. Doch einen solchen Schritt, um die Verluste der Spekulanten zu sozialisieren, kann nicht einmal eine Zentralbank vom Kaliber der Fed riskieren.

Also hat der US-Kongress ein regelrechtes Konjunkturprogramm für 120 Millionen extrem verschuldete Privathaushalte beschlossen. Fed-Präsident Fred Bernanke will ein Moratorium, sprich: einen Teilerlass von Hypothekenschulden für Hausbesitzer. Aber selbst der IWF hat öffentlich eingeräumt, die traditionelle Geldpolitik der Kreditspritzen und Zinsmanipulationen sei am Ende, eine andere fiskalische Stützung notwendig. In der Tat: Was bei der Schuldenkrise der Dritten Welt an der Borniertheit der Gläubigerbanken im Norden scheiterte, beim jetzigen Finanzdesaster könnte es unumgänglich sein - ein Moratorium vorrangig für Hypothekenschulden auf breiter Front und in vielen Ländern. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Finanzkrise voll auf die so genannte Realökonomie durchschlägt. Dann wird der Ruf nach einen "neuen New Deal" unüberhörbar sein.

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