Reichlich Geld für eine andere Welt

Startschuss für internationale Steuern Ob Ernährung, Trinkwasser oder AIDS - mit einem kleinen Tribut auf globale Handelsströme wäre manches Menschheitsproblem lösbar

Frankreich wagt zum 1. Juli 2006 mit einer Steuer auf Flugtickets den ersten Schritt. In der Economy Class wird pro Flug ein Euro erhoben, in der Business Class sind innerhalb Europas zehn Euro und bei Interkontinentalflügen sogar bis zu 40 Euro fällig. Auch wenn bislang noch nicht absehbar ist, dass andere Länder dem Beispiel Frankreichs folgen - allmählich reift die Zeit für die Einführung internationaler Steuern.

Mit dem "Zedillo Panel Report" der Vereinten Nationen wurde vor fünf Jahren zum ersten Mal offen für neue, multilaterale Finanzquellen - also internationale oder globale Steuern - plädiert. Das französische Parlament nahm im November 2001 ein Gesetz zur Einführung einer zweistufigen Devisentransaktionssteuer (Tobin Tax) an - zumindest im Prinzip. Im Juli 2004 folgte das belgische Parlament mit einem ähnlichen Gesetz. Die neue Steuer sollte rund 50 Millionen Dollar pro Jahr einbringen und vor allem die Währungsspekulation wirksam eindämmen. Das französische wie das belgische Gesetz stehen allerdings unter einem Vorbehalt: Sie sollen erst in Kraft treten, sobald sich weitere EU-Staaten dieser Initiative angeschlossen haben.

Im Januar 2004 begann die "Lula - Gruppe" (Brasilien, Chile und Frankreich mit offener Unterstützung des UN-Generalsekretärs Kofi Annan) eine Kampagne für die Besteuerung von Finanzmarkttransaktionen und Waffenhandel, um damit Mittel für die Entwicklungshilfe zu erschließen. Im Dezember 2004 wurde die bislang gründlichste und umfangreichste Studie über internationale Steuern veröffentlicht: Der "Landau Report", den Jacques Chirac in Auftrag gegeben hatte. Damit wurde die technische und ökonomische Machbarkeit diverser Formen internationaler Steuern von einer Gruppe hochkarätiger Steuerexperten bestätigt. Die Lula-Gruppe (mittlerweile verstärkt durch Algerien, Spanien und die Bundesrepublik Deutschland) versuchte im vergangenen Jahr, die Konzepte des Landau Reports auf die Agenda des "Millenium Gipfels" der Vereinten Nationen zu bringen und konnte zumindest einen Teilerfolg verbuchen: 66 Länder unterstützten die Besteuerung von Flugtickets.

Man braucht den Mythos von der Erosion der nationalen Steuerbasis durch das mobile Kapital nicht zu glauben, um internationale Steuern für sinnvoll zu halten. Sie sind technisch machbar, sie könnten eine ganze Reihe von heutigen Weltproblemen, vom Klimawandel, über den Raubbau an nicht beliebig erneuerbaren Ressourcen bis hin zu internationalen Finanzkrisen und der Steuerflucht multinationaler Konzerne, lösen helfen. Sie treffen keine Armen, sondern belasten nur diejenigen, die zu den global "Reichen" oder zu den Gewinnern der "Globalisierung" gehören. Globale Steuern, die bei grenzüberschreitenden Bewegungen von Waren, Geld, Kapital oder Personen ansetzen, sind technisch kein Problem. Eine Steuer auf Devisentransaktionen ist beispielsweise mit Hilfe eines einfachen Computerprogramms auf den heute bereits voll computerisierten Devisenmärkten zu erheben.

Internationale Steuern müssen auch keineswegs global sein. Für die Tobin Tax bräuchte man nur die drei Länder, in denen sich die mit weitem Abstand wichtigsten Devisenmärkte der Welt befinden: Großbritannien, die USA und Japan. Die Masse der Devisenhandelstransaktionen konzentriert sich auf wenige Finanzmärkte: 34 Prozent des weltweiten Volumens entfallen auf Großbritannien, 19 auf die USA und neun Prozent auf Japan. Auf ganz Europa (die Schweiz eingeschlossen) kommen bereits deutlich über 50 Prozent, auf die USA, Japan und die EU über 75 Prozent. Ohne internationale Kooperation geht es nicht, aber auf eine Weltregierung braucht man nicht zu warten.

Das Aufkommen internationaler Steuern könnte beträchtlich sein, ein Vielfaches des Jahresbudgets der UNO - daher wecken sie große Erwartungen. Eine Devisentransaktionssteuer würde bei einem Steuersatz von 0,01 Prozent in der Euro-Zone allein schon bis zu 38 Milliarden Dollar einbringen. Bei einem (hohen) Steuersatz von 0,2 Prozent - und bei einer angenommenen Schrumpfung des Devisenhandelsvolumens um die Hälfte - kämen gut 300 Milliarden Dollar weltweit zusammen. Mit solchen Summen werden transnationale Organisationen wieder handlungsfähig, können die meisten Weltprobleme (das Ernährungsproblem, das Trinkwasserproblem, das AIDS-Problem) wirksam angegangen werden. Mit dem Instrumentarium internationaler Steuern haben nationale Regierungen wieder die Chance, das "global" agierende Kapital ein gutes Stück unter Kontrolle zu bekommen.

Bei internationalen Ökosteuern wie der Kohlendioxidsteuer (Carbon Tax) oder der Steuer auf Flugbenzin stehen die Steuerungseffekte im Vordergrund: Eine spürbare Verminderung von Emissionen beziehungsweise des Kerosinverbrauchs im Flugverkehr sind wichtiger als hohe Einnahmen. Auch die Tobin Tax ist als Lenkungssteuer konzipiert: Sie soll den internationalen Devisenhandel bremsen und dämpfen. In der heute bevorzugten zweistufigen Form - mit einem Normalsatz von 0,1 Prozent auf Devisentransaktionen in "normalen" Zeiten und einem hohen Steuersatz von 100 Prozent, sobald die Kurse der gehandelten Devisen einen vorab definierten Korridor der Wechselkursstabilität überschreiten - sollen sogar spekulative Attacken auf einzelne Währungen unmöglich gemacht werden.

Solche Lenkungseffekte gibt es bei fast allen internationalen Steuern, auch wenn sie nicht immer in die Augen springen. Mit Hilfe einer variablen Steuer auf ausländische Direktinvestitionen ließe sich zum Beispiel der Wettlauf nach unten (race to the bottom) bei Löhnen und Arbeitnehmerrechten in Grenzen halten, der vor allem zwischen den Ländern der Dritten Welt tobt. Mit Hilfe einer einheitlichen Steuer auf Unternehmensgewinne der Transnationalen Konzerne ließe sich der Konkurrenzdruck, unter dem sich die armen Länder eines nach dem anderen in Steuerparadiese für Multis verwandeln, wirksam dämpfen. Einige Varianten, die zunächst nur als Ergänzungssteuern gedacht waren, wie eine Steuer auf sämtliche Transaktionen mit Steueroasen, können auch für sich stehen. Nicht der Einnahmen, sondern der zu erwartenden Lenkungseffekte wegen.

Warum wir diese Steuern noch nicht haben, ist leicht zu erklären. Ernsthafte technische Hindernisse gibt es nicht, der politische Widerstand ist entscheidend. Der kommt von interessierter Seite, von den global tätigen Konzernen, aber auch von nationalen Regierungen, die ihre Souveränität bedroht sehen. Dabei verweist insbesondere der Widerstand des US-Kongresses auf einen kitzligen Punkt in der bisherigen Debatte. Wer soll die Einnahmen aus diesen neuen Steuern in die Hände bekommen? Wer darf über die Veranlagung, Erhebung und vor allem die Verwendung entscheiden? Die UNO? Eine neue, internationale Steuerbehörde, wie schon des öfteren vorgeschlagen? Oder soll das Aufkommen besonderen Fonds zugewiesen werden, also strikt zweckgebunden sein, etwa für die Entwicklungshilfe?

Diese Zweckbindung favorisiert die französische Regierung und handelt damit durchaus eigennützig. Denn so ließe sich das Entwicklungshilfebudget aufstocken, ohne den nationalen Steuerzahlern und Wahlbürgern weh zu tun, ohne jede Umschichtung nationaler Finanzmittel. Daher hat Jacques Chirac sich zur Galionsfigur der Kampagne für internationale Steuern aufgeschwungen. So macht er gute Figur im Kampf gegen die globale Armut - während er sich zugleich einen wirklichen Abbau der Agrarsubventionen nicht leisten kann und will.


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