Schwarzenegger ist weiter

Ein übler Witz So "klimabewusst" wie die G 8 in Heiligendamm war die UNO schon 1992 in Rio

Pathos gab es reichlich am Ostseestrand. Eine millionenschwere Inszenierung, als Ouvertüre eine wochenlange Gewaltdebatte, um die Gäste auf den spiritus loci, den Ungeist der Bundesrepublik, einzustimmen. Dann eine tagelange Demonstration heiliger Staatsgewalt, um die selbst ernannten Weltenlenker bei fernsehgerechten Kurzauftritten abzuschirmen. Dieser Gipfel übertraf die vorangegangenen G 8-Treffen: Nie zuvor haben die neoliberal gestimmten Regierungen der mächtigsten Länder klarer gezeigt, wie wenig sie die Welt verstehen, in der sie leben. Wieder einmal wurden die Gebetsmühlen gedreht und die weltweite freie Konkurrenz - das Ideal der Dummköpfe - als Universallösung aller Weltprobleme hofiert. Keine faulen Kompromisse, hatte Frau Merkel hoch und heilig versprochen. Nach Tische sprach man anders. Was da mit bedeutungsschwangerem Timbre verkündet wurde, konnte oberfauler nicht sein.

Der "historische Durchbruch" beim Klima ist ein schlechter Witz: Ja, man werde gemeinsam etwas unternehmen, aber nicht ohne die UNO. Nur was, bleibt völlig offen. Es gibt keinerlei klare Aussage zu einer Grenze des Temperaturanstiegs und zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen der wichtigsten Industriestaaten, keinerlei zeitliche Festlegungen - vor allem keine Aussage dazu, wie man die Kosten des notwendigen technologischen Wandels, der Energieumstellung in den reichen Ländern, aufbringen will. Und kein Wort dazu, wie man den armen Ländern helfen will, die unter den Folgen des Klimawandels am stärksten zu leiden haben, obwohl sie am wenigsten daran schuld sind. Schon heute wäre eine Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen um 70 Prozent nötig, allein um die Konzentration der Treibhausgase in der Erdatmosphäre zu stabilisieren. Das heißt, bereits jetzt würden für die Staaten des Südens mehr als 50 Milliarden Dollar jährlich gebraucht, um die Folgen des Klimawandels aufzufangen.

Es soll weiter verhandelt werden, im UN-Kontext - das entspricht der Beschlusslage der UN-Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio 1992. Selbst Kalifornien unter dem Muskelmann Schwarzenegger ist heute in der Klimapolitik weiter als die G 8-Regenten. Der medial gefeierte Scheinerfolg Merkels ist im Übrigen allein den Drohgebärden des Nicolas Sarkozy zu danken - immerhin war er Manns genug, mit Abreise zu drohen. Das Signal der G 8 für die UN-Weltklimakonferenz in Bali (Dezember 2007) könnte verheerender kaum sein.

Afrika hatte die zweifelhafte Ehre, von diesem Gipfel mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht zu werden. Was brachte das für die Entwicklungspolitik - außer einer Bestätigung der zwei Jahre alten Beschlüsse von Gleneagles, an die sich die G 8-Staaten bisher nicht gehalten haben? 60 Milliarden Dollar sollen in den nächsten Jahren weltweit im Kampf gegen AIDS, Malaria und Tuberkulose ausgegeben werden, doch Zeitplan und Finanzzusagen sind höchst vage - es bleibt beim Prinzip Hoffnung. Auch wenn die G 8-Regierungen in dieser Hinsicht Wort halten, würden sie die mit Blick auf 2010 in Gleneagles gegebenen Versprechen noch immer um mindestens 27 Milliarden Dollar verfehlen.

Es passt, dass unsere Weltenlenker ihren ökonomischen Sachverstand vor allem durch einen Satz unter Beweis stellen: Die Weltwirtschaft sei "in guter Verfassung". Dann kann ja nichts mehr schief gehen, obwohl außer einigen Weltexportindustrien wenig boomt. Das gleiche Prinzip Hoffnung, dem die europäische Sozialdemokratie ihren Niedergang verdankt. Der Aberglaube, der nächste Aufschwung komme bestimmt, und der nächste Boom sei der Beginn immerwährender Prosperität. In der Tat, die Weltökonomie lässt die Spekulationsblasen blühen und gedeihen. Die nächsten Krisen werden mit Sicherheit kommen, fragt sich nur, wann.

Alles, was den G 8 zur Weltwirtschaftspolitik einfiel, war ein erneutes Plädoyer für weltweite Investitionsfreiheit - ein Appell besonders an die Schwellenländer. Schad ja nichts - aber deren Regierungen haben ihre Lektionen gelernt und werden den Teufel tun, ausländischem Kapital aus dem reichen Norden unbegrenzte Bewegungsfreiheit einzuräumen. Merkel und ihren Gästen kann nicht entgangen sein, dass die Chinesen ihre eigenen Interessen sehr wohl kennen und nicht daran denken, sich in den Club der vermeintlichen Großmächte einbinden zu lassen.


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