Wen wählen Videospieler?

Leben Wer weiß schon, dass Philipp Rösler ein Gamer der ersten Stunde ist? Neues von der Kölner Gamescom
Ausgabe 35/2013
Wen wählen Videospieler?

Foto: Getty Images/Juergen Schwarz

Am Ende wurde die Podiumsdiskussion „Politics meets Gamer“ auf der Kölner Messe Gamescom dann doch kontrovers: „Ich würde dazu tendieren, meine Stimme ungültig zu machen“, so der Fernsehmoderator Patrice Bouédibéla auf die Frage, welche politische Partei er als Videospieler wählen würde. Er fühle sich nicht ausreichend vertreten, Politiker würden das Thema Videospiele nicht ernst nehmen oder hätten Vorurteile. Den gerade freundlichen Umgang mit Videospielern halte er für Wahlkampfgetue.

Von den anwesenden Politikern erntete er für diese Aussagen Kopfschütteln. Man müsse eben Kompromisse eingehen, entgegnete der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek, bevor die Diskussion vom Veranstalter aus Zeitgründen abgebrochen wurde. Zuvor herrschte bei Fragen zum Jugendmedienschutz und der Anerkennung von Videospielen als Kulturgut unter den Vertretern aller im Bundestag sitzenden Parteien weitestgehend Einigkeit. Einzig bei der finanziellen Förderung von Videospielproduktionen in Deutschland gab sich der Vertreter der Linken zurückhaltender als seine Kollegen: „Wir müssen erst mal fragen, wie die Games-Industrie überhaupt dasteht“, sagte Herbert Behrens. Seiner Meinung nach bedürfe die umsatzstarke Branche gerade keiner staatlichen Förderung.

Spiel zur NSA-Debatte

Tatsächlich rechnet der „Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware“, die Lobbyvertretung der Videospielindustrie und der Veranstalter der Gamescom, für das Jahr 2013 mit einem Umsatzwachstum um 3,5 Prozent auf 1,916 Milliarden Euro. Allein im ersten Halbjahr 2013 wurden in Deutschland 752 Millionen Euro für virtuelle Spiele ausgegeben.

Den Schulterschluss zur aufstrebenden Industrie suchen mit CDU und FDP gerade die Parteien, die zugleich am lautesten gegen sogenannte Killerspiele ankämpfen. Bei seinem Eröffnungsrundgang lobte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) der sich selbst als „Gamer der ersten Stunde“ bezeichnete, die Branche, die eine treibende Kraft im IT-Bereich sei. Bei seinem Rundgang konnte Rösler dann die neuesten Entwicklungen begutachten.

Im Mittelpunkt stand in Köln der Kampf der Konsolen. Am Stand des japanischen Technologiekonzerns Sony konnten die Spieler die Ende November erscheinende „Playstation 4“ testen. US-Konkurrent Microsoft präsentierte seine „Xbox One“, deren Verkaufsdatum noch nicht feststeht. Überhaupt hat Sony aktuell die Nase vorn. Die Vorbestellerzahlen lägen laut Konzern weit über denen der Vorgänger und hätten bereits die Millionenmarke überschritten. Mit dem Versprechen, Playstation-Spiele gebraucht weiterverkaufen zu können und die Entwicklung von Spielen unabhängiger Hersteller zu unterstützen, können die Japaner bei vielen Spielern punkten. Microsoft kämpft derweil mit schlechter PR. Zunächst plante man für die „Xbox One“ eine zwangsweise Online-Anbindung, Gebrauchtspiele sollten auf der Konsole nicht funktionieren und eine mitgelieferte Kamera dauerhaft eingeschaltet und mit den Servern von Microsoft verbunden sein. Mittlerweile rudert das US-Unternehmen zwar zurück, der schlechte Eindruck scheint sich aber verfestigt zu haben. Mit 499 Euro ist die „Xbox One“ zudem 100 Euro teurer als die „Playstation 4“.

Neben neuen Konsolen bot die Messe in diesem Jahr einige interessante neue Spiele. Watch Dogs von dem französischen Hersteller UbiSoft wirkt wie das Spiel zur NSA-Debatte. Der Spieler wird in das von einem Computersystem vollständig überwachte Chicago der nahen Zukunft versetzt. Im Online-Rollenspiel Tom Clancy‘s The Division muss sich der Spieler im von einer Krankheit heimgesuchten New York zurechtfinden.

Im Gegensatz zu Industrie und Politik sind die Videospieler selbst übrigens nicht gut organisiert. Zwar gibt es den „Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler“, die Verbraucherorganisation hat aber gerade mal 1.400 Mitglieder und war auf der Gamescom nicht vertreten. Für die Umsätze in der wachsenden Industrie scheinen politische Voraussetzungen derzeit wichtiger als die Interessen der Gamer. Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware: „Die fraktionsübergreifende Unterstützung für die Branche zeigt deren zunehmende Bedeutung.“

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