„Wie wollen Sie angesprochen werden?“ Diese Frage stelle ich als Dozent alljährlich zu Semesterbeginn den Studierenden. Gute Sache: Statt vom Aussehen darauf zu schließen, ob vor mir eine Frau, ein Mann oder jemand sitzt, der sich als Weder-Noch definiert, entscheiden die Menschen selbst, welchem Geschlecht sie sich zuordnen. Peinliche Situationen lassen sich so für alle vermeiden.
In der Praxis ist das indes gar nicht so einfach. Das liegt nicht an der Sache an sich, sondern am Fach, das ich unterrichte: Deutsch. Was auf Englisch tadellos funktioniert, stellt sich im Deutschen mitunter als schier unlösbar dar. Bereits die Wahl des korrekten Personalpronomens verlangt den Studis eine Entscheidung ab, die sie in einem auf Zweigeschlechtlichkeit angelegten System gar nicht treffen können. Dabei ist es im Englischen so einfach: Das Pronomen „they“ etwa hält die konkrete Zuordnung zu einem grammatikalischen Geschlecht mühelos in der Schwebe. Grammatikalisch ursprünglich zwar falsch, haben sich „they“, „them“ und „their“ als praktikable Lösung eingebürgert: „I know someone, and they are smart“, also: „Ich kenne da jemanden, die/der clever ist.“ Das ist umgänglicher als das sperrige „and he or she is“.
Was tun? Es gibt da leider keine Richtlinien oder Empfehlungen. Theoretisch existieren im Deutschen genderneutrale Pronomen, beispielsweise xier und nin. Allerdings: Die wenigsten Menschen kennen sie, und noch seltener bis gar nicht werden diese verwendet.
Wie schwer sich Deutschland mit gendergerechter Sprache tut, hat das Land gerade erst erlebt, als der Bundesgerichtshof den „Kunden“ einer Bank zum sprachlichen Standard machte. Frauen, Trans- und Inter-Personen sollen sich ebenfalls angesprochen fühlen.
Im Deutschen bei geschlechtlichen Uneindeutigkeiten den Plural zu verwenden – so wie im Englischen – wäre möglich. Klingt nur eigenartig: „Ich habe jemanden kennengelernt, und die waren super witzig.“ Eine Stufe, die das Englische längst genommen hat, durch den Gebrauch haben sich hiesige Ohren längst daran gewöhnt.
Theoretisch wäre das auch im Deutschen möglich, es käme mal auf einen Versuch an. Vermutlich klingt so ein „ihr“ nach einem Semester Klassenzimmerbiotop gar nicht mehr so furchtbar. Allerdings ist es sinnlos, solange die US-Studis, wenn sie so sprechen, auf deutschem Boden komisch angeschaut werden.
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