Dürfen Ritter sto-sto-stottern?

Inklusion …. Wie ein scheinbar belangloses Kinderlied mit Stotterbezug mein Gehirn ins Stottern brachte.

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Spätestens seit der vierfachen Oscar-Auszeichnung für „The King's Speech“ im Jahr 2011 und dem diesjährigen Kurzfilm-Oscar für „Stutterer“ ist das Thema „Stottern“ auch medial auf einer Bühne angekommen, von der es schwer wieder verschwinden werden wird. Doch ist es damit schon getan? Wie sieht es mit der Bewusstseinsbildung für das Stottern im Kindesalter aus? Ein Beispiel …

Vor paar Monaten bei DRadio Kultur

Ab und an nehme ich mir die Zeit, die Kindersendung „Kakadu“ auf Deutschlandradio Kultur zu hören, wenngleich oft nur mit einem Ohr. So klang mir diesen Februar ein Song entgegen, dessen Refrain die Zeile ohne dass die Zunge stot-tot-tot-tot-tot-tot-tot-tot-tot-tert. enthielt. Nicht nur ich, als selbst gelegentlich Stotternder, horche wohl bei einer derartigen Wortfolge auf.

Ich hörte nochmals etwas genauer auf den Text und irgendwie ging es da um einen Ritter und was dieser alles können müsse – irgendwas mit Drachen, Löwen usw. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich absolut keine Ahnung, dass es sich dabei um einen Hauptsong des offenbar sehr bekannten „Ritter Rost“ handelte.

Eingebetteter Medieninhalt

Die Sache blieb mir im Hinterkopf und ich machte mir so meine Gedanken, wie diese Textzeile wohl auf Kinder wirken möge. Würde Stottern als etwas Negatives verstanden bzw. empfunden werden? Vermutlich fragte ich aus einem einfachen Grunde: sowohl ich als auch meine Partnerin stottern; ganz im Gegensatz übrigens zu unserem Sohnemann.

Die Bibliotheks-DVD

Mit eben jenem Sohnemann ging ich dann vor ein paar Wochen in die Bibliothek Dresden-Neustadt. Da er in Portugal lebt und er – außer ein paar Worten Deutsch und Englisch – Portugiesisch spricht, wollte ich einfach mal schauen, ob es vielleicht etwas Passendes für ihn geben würde. Wie Kinder so sind, lief er zielstrebig auf das DVD-Regal zu, nahm sich eine heraus und gab sie mir. Ich schaute sie an, sah, dass es eine Spiele-DVD war, überlegte nicht lange, und lieh sie aus.

Zu Hause angekommen, wollte er sie auch gleich anschauen. Ich legte sie ein und welcher Song startete automatisch? Genau, der Song vom „Ritter Rost“, den ich ein paar Monate zuvor im Radio gehört hatte. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und war mehr als nur irritiert, dass unser Sohn unter 100 DVDs genau jene herausgezogen hatte, die dieses Lied enthielt.

Werde Musical-Star mit Ritter Rost

Das Spiel auf der DVD wird auf Amazon kurz mit „Performe den Ritter Rost-Hit und begeistere dein Publikum!“ umschrieben. Insofern handelte es sich nicht um ein belangloses Kinderliedchen mit Ohrwurmqualität, sondern augenscheinlich um eine „größere Sache“.

Nach etwas mehr Recherche stellte ich die Größe meiner Bildungslücke fest, denn von „Ritter Rost“ gab (bzw. gibt) es nicht nur eine TV-Serie, sondern 2013 ebenso einen Kinofilm. Auf Wikipedia wird Ritter Rost u.a. so beschrieben:

»Er selbst hält sich für den stärksten, tapfersten und schlausten Ritter der Welt, ist aber in Wirklichkeit schwach und feige.«

Offenbar steckt hinter Ritter Rost ein pädagogischer Ansatz, der u.a. auf die Ängste von Jungen, die diese im Realleben gern überspielen wollen, einzugehen versucht. Ein richtiger Ritter sollte sich anders verhalten bzw. dies lernen. Die Frage ist, wie er das schaffen kann?

Wollen statt müssen?

Song und Text stammen von Felix Janosa und die drei Strophen sind u.a. auf der Ritter-Rost-Welt-Webseite nachlesbar.

Da ich selbst ab und an Gedichte und Songtexte verfasse, nahm ich mir den Liedtext noch einmal vor und veränderte einige Worte. Unter anderem indem ich eine Idee einbaute, die mir schon bei ersten Hören im Radio so durch den Kopf ging.

Statt „ohne dass er stottert“ erscheint mir ein „auch wenn stottert“ irgendwie hilfreicher, selbst wenn es sich bei Ritter Rost nur um eine Zeichentrickfigur handelt. Zudem habe ich „muss“ durch „will“ ersetzt. So wie ich die meisten Jungs – und Mädchen – wahrnehme, lernen sie am schnellsten, wenn sie (selbst) wollen und nicht müssen.

Die erste Strophe würde dann so aussehen – zuerst das Original, drunter meine Umdichtung.

Das muss ein Ritter können,
das muss ein Ritter können
Einen Stier verkloppen,
einen Löwen foppen,
ohne dass ihm bange wird,
einen Drachen jagen,
ihm die Meinung sagen,
ohne dass ihm mulmig wird,
ohne dass die Ohren wackeln,
ohne dass die Knochen knackeln,
ohne dass die Schulter schlottert,
ohne dass die Zunge stot-tot-tot-tot-tot-tot-tot-tot-tot-tert.

© Terzio, Möllers & Bellinghausen Verlag GmbH, München 1999

Das will ein Ritter können,
das will ein Ritter können
Einen Stier verkloppen,
einen Löwen foppen,
auch wenn ihm mal bange wird,
einen Drachen jagen,
ihm die Meinung sagen,
auch wenn ihm mal mulmig wird,
auch wenn ihm die Ohren wackeln,
auch wenn ihm die Knochen knackeln,
auch wenn ihm die Schulter schlottert,
auch wenn ihm die Zunge stot-tot-tot-tot-tot-tot-tot-tot-tot-tert.

Last but not least ...

Unser Sohnemann fand das Mitsingspiel übrigens etwas kompliziert, zumal ich ihm die Sache auch schlecht mit meinem teilweise radebrechenden Portugiesisch erklären konnte – naja, vielleicht auch nicht so recht wollte, ich geb’s zu ;) – und er widmete sich wieder einem anderen Computerspiel.

Das Singen des Ritter-Rost-Songs holen wir sicher irgendwann einmal nach, wenn ich ihm den Text komplett übersetzen kann – im Original und meiner Umdichtung – und er etwas mehr Deutsch spricht, denn Löwen foppt er auch ganz gerne.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Winkler, Dresden

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Michael Winkler, Dresden

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