Hamburg zeigt wie PEGIDA geht

Asylpolitik .... von Dresden nach Hamburg ist es oft gar nicht so weit ....

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Während man in Deutschland seit reichlich zwei Monaten nach Dresden schaut und selbst die internationale Presse die dortige PEGIDA-Bewegung mitverfolgt, macht man im Hamburger Stadtteil Harvestehude derweil "Nägel mit Köpfen". Gegen ein dort geplantes Flüchtlingsheim wurde erfolgreich geklagt.

Der Osten ist halt rechts, fremdenfeindlich und ...

Ja, es stimmt vermutlich. Der "Durchschnitts-Ossi" ist noch nicht in der bundesdeutschen Demokratie angekommen. Das gebe ich gern selbstkritisch zu, auch wenn ich vermutlich selbst nicht zu selbiger Spezies gehöre. Und überhaupt den "Durchschnitts-Ossi" gibt's ohnehin nicht.

Doch eins hat er offenbar noch nicht begriffen, der Ossi. Wer gegen etwas ist, geht nicht auf die Straße, sondern macht die Revolution vom Schreibtisch aus. Die Verspielten machen das per Facebook & Co., die Pragmatiker per Rechtsanwalt und Klage. Wer hinter der Klage gegen das Flüchtlingsheim in Hamburg-Harvestehude steht, weiß ich zwar nicht, doch wenn man sich dieses extra3-Video anschaut, erahnt man es zumindest ansatzweise.

Tiervergleiche und sonstige Absurditäten

Tiervergleiche sind beliebt, wie das Video zeigt. Der ältere freundliche Mann (bei 2:20 min), der ganz sicher nichts gegen Ausländer hat (aber), bemüht hier Kühe und Hühner und lässt dabei offen, wer die Kühe und wer die Hühner sind. Sehr geschickt. Die Dame am Anfang des Videos drückt schon klar aus, wer zum „Wespennest“ gehört. Solcherlei Tiervergleiche hatte auch schon Adolf Hitler in "Mein Kampf" bemüht. Damals waren es der Fuchs und die Gans. Der Fuchs tauchte auch gern bei NS-Propaganda-Büchern auf und freilich war's der „listige Jude“, der da symbolisiert werden sollte. Später, als es um die „Endlösung der Judenfrage“ ging, wurde er mit Ratten verglichen – so zum Beispiel im Film "Der ewige Jude".

Und ein Stadtteil, wo tendenziell solches Gedankengut herrscht – ja, freilich, die Frau und der Mann sind sicher bedauerliche Einzelfälle –, wird als "besonders geschütztes Wohngebiet" eingestuft. Solches Kulturgut muss ja irgendwie erhalten werden. Was wäre der Deutsche ohne seine Feindbilder und Tiervergleiche? Vermutlich könnte man sich dann nur noch auf Goethe, Lessing, Heine oder Schiller berufen und kaum noch auf Fabelwesen, was freilich schlimm wäre für diese Geistesblitzer.

Olaf Scholz, der Sozialdemokrat

Der amtierende Oberbürgermeister Hamburgs hatte allerdings schon im Mitte 2013 klar seine Position zum Ausdruck gebracht, als er sagte, dass es für 300 aus Lampedusa kommende Flüchtlinge keine Perspektive in Hamburg gebe. Der Mann ist Sozialdemokrat und man sieht, dass sich auch das sehr gut mit PEGIDA verträgt, lange bevor es diese Bewegung überhaupt gab, und obwohl Scholz freilich niemals auf die Straße gehen würde. Scholz ist nicht gegen Flüchtlinge, aber … ähm ... sondern für Hamburg. Er ist der Ronald Barnabas Schill für den nach außen hin politisch korrekten Spießbürger. Und in der Handelsmetropole Hamburg zählt Geld; das wusste schon Heinrich Heine.

Doch im Angesicht der Dresdner PEGIDA-Protest(Aufmärsch)e scheint sich Scholz nun offenbar um nahezu 180 Grad gedreht zu haben. Ein Artikel in der WELT vom 23.01.2015 zitiert ihn mit den Worten: "Wir können und werden diese Entscheidung nicht akzeptieren." und "Es darf nicht darauf hinauslaufen, dass Unterkünfte für Flüchtlinge in einigen Stadtteilen möglich sind und in anderen nicht."

Schreibtischtäter?

Auf die Straße gehen ist sowieso ein bisschen von gestern, wie oben schon angeschnitten. Das läuft alles schriftlich viel besser. Netzwerken, PR etc. Vielleicht schreibt der Henryk M. Broder mal wieder einen islamkritischen Artikel und die Leute setzen Islam mit Islamismus gleich und Flüchtlinge mit Muslimen. Dann wird noch irgendwo das Geld knapper und das Feindbild des schmarotzenden, klauenden, Immobilienpreise senkenden Ausländers ist wieder gerade gerückt. Und wenn's halt ein Flüchtling ist, auch okay ... vielleicht sogar noch besser.

Wie PEGIDA ist Deutschland?

Wenn es ein Problem geben könnte, dann wohl jenes, dass Dresden und der Osten als der fremdenfeindliche Teil Deutschlands gesehen wird. Dabei verlaufen die Grenzen schräg durch Land, quer durch die Parteien und ihre (potenziellen) WählerInnen. Der Westen ist da insofern weiter, dass man das stiller "löst", diskreter und pragmatischer. Da weiß man, dass man nicht auf die Straße muss, weil man damit das Flüchtlingsheim ja nicht wegbekommt und wenn doch, dann macht das kein gutes Bild nach außen.

Es würde mich zudem überhaupt nicht wundern, wenn 30-50 % der Deutschen "unter vier Augen" zugeben würden, dass sie ja eigentlich auch lieber weniger oder gar keine Zuwanderung und ebenso Flüchtlinge (aller Art) in Deutschland hätten. Vielleicht täusche ich mich da auch. Vielleicht ist Deutschland schon viel weiter. Vielleicht hat die PEGIDA-Bewegung indirekt auch gezeigt, dass Dresden und Deutschland weltoffen, multikulturell und menschenfreundlich sind.

Vielleicht war es allerdings auch nur die Spitze des Eisberges. War würde passieren, wenn's mit dem Euro mal richtig bergab geht und das Geld wirklich eng wird? Wie weit Deutschland in Sachen Weltoffenheit wirklich ist, wird sich bei der nächsten richtigen Krise zeigen. Momentan handelt es sich – trotz aller Aufregung – wohl bestenfalls um ein Vorgeplänkel.

Michael Winkler, Dresden 31.01.2015

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