Ich hab ja nichts gegen Ausländer

Dresden .... ist "voll das Bötchen", gibt's Anekdötchen ;)

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Neulich war ich mal wieder in einem der Sozialkaufhäuser Dresdens. Wenn ich in der Nähe bin – so zwei, drei Mal im Jahr – schaue ich da nach Büchern. Man zeigt am Eingang seinen Dresden-Pass und darf sich umschauen. Möglich ist dies übrigens auch für Asylbewerber, vorausgesetzt man hat die richtigen Papiere dabei.

Ich stehe alsbald vorm Bücherregal, welches gleich neben der Kasse ist, und schaue mich um. Die Kassiererin, eine leicht korpulente Dame um die 50, kommt mit einer Kundin, Anfang Mitte 30, ins Gespräch. Aus dem Gesprächston lässt sich vermuten, dass man sich nicht das erste Mal gesehen hat. In die Buchtitel vertieft, bekomme ich zunächst nicht viel mit, bis der Satz "Ich habe ja nichts gegen Ausländer ..." gefolgt von einem " ... aber ..." fällt. Den Rest verstehe ich wieder nicht, weil ich wohl noch etwas überrascht bin, gerade genau diesen Klischeesatz gehört zu haben. Ich vernehme nur wieder den nächsten Klischeesatz "Bei uns in Gorbitz* ... die Russen ...". Ich will's kaum glauben – nicht weil ich das Ganze für unmöglich halte, sondern weil die Klischees so perfekt passen. Wenn man mir das als Kurzfilm präsentiert hätte, würde ich vermutlich gelangweilt abwinken und anmerken, dass die Sache in der Realität ja schon etwas weniger plakativ ablaufen würde.

Die Kassenfrau fährt fort und versucht's gar mit etwas unfreiwilligem Humor, als sie sinngemäß sagt: "Wenn man die vielen Russen so sieht, denke ich manchmal der Putin hat uns doch schon gekauft." Das haut mich dann doch etwas um und beruhigt mich auch ebenso – endlich mal ein neuer Gedanke. Das könnte schon fast als Verschwörungstheorie durchgehen. Der Putin schickt einige "seiner" Russen nach Dresden – das kennt er ja aus seiner KGB-Zeit – und lässt die dort für soziale Unruhen sorgen. Einmal pro Woche müssen sie einen Bericht an den Kreml schicken; per Brief versteht sich – e-Mails fängt ja die NSA ab – und als Protestschreiben deklariert, damit es so aussieht, als würde man aus dem deutschen Exil für (mehr) Demokratie in Russland kämpfen. Aber nein, das hat die Frau alles nicht gesagt – das entsprang jetzt meinen Geiste ...

Die junge Dame pflichtet ihr bei, als es um die Russen geht und fährt fort – Achtung Klischeealarm! –: "Schlimm ist ja, wenn man sich in seinem eigenen Land schon fremd fühlt." Mittlerweile bin ich gar nicht mehr so verdutzt ... mir fehlt allerdings noch der Ausspruch "Das darf man ja wohl noch sagen dürfen." Er kommt nicht und ich weiß nicht, ob ich enttäuscht sein soll oder nicht. Ich überlege kurz, ob ich mich in das Gespräch der beiden Damen einklinke und mit Argumenten wie "Deutsche Waffen ...", "Exportweltmeister und seine Folgen ..." komme oder gar mit der ganzen Welthandelsorganisation-Internationaler-Währungsfond-Schiene anfange, lasse es jedoch ganz sein und fühle mich nicht wirklich wohl dabei.

Ein paar Minuten später bin ich dann an der Kasse und bezahle. Die Kassiererin berechnet mir einen Euro weniger und tut dies nicht aus Höflichkeit, sondern weil sie sich offenbar verrechnet hat – oder ich habe das vorher zu meinen Ungunsten getan(?) Ich überlege kurz, ob ich sie darauf hinweise, was ich sonst eigentlich immer mache, wenn ich es auch bemerke, doch dieses Mal lasse ich es ... auch wenn's ein Sozialkaufhaus ist. Auf dem Nachhauseweg überlege ich kurz, ob ich die Kassiererin doch darauf hätte hinweisen sollen, dass sie sich verrechnet haben könnte, begnüge mich dann allerdings mit einem gedanklichen 'Hmm, ... nee, Dummheit kann auch mal bestraft werden.'

Und aus demselben Grunde widme ich diese kurze Anekdote selbstverständlich den zwei Damen aus dem Dresdner Sozialkaufhaus – mögen sie auch weiterhin so offen miteinander reden. Solche Gedanken müssen einfach mal raus, sonst tut's auf Dauer sicher weh im Kopf :)

Michael Winkler, Dresden, 28./30.11.2014

*Gorbitz ist eine nicht ganz unbekannte Dresdner Plattenbausiedlung, die vermutlich besser ist als ihr Ruf ... so eine Art "Dresdner Marzahn".

PS1: Wer sich übrigens "fremd im eigenen Land fühlt", fühlt sich vermutlich überall auf der Welt irgendwie fremd ... man nennt dies auch einfach Identitätskrise :)

PS2: Bei einem Volksentscheid Ende November 2014 in der Schweiz sprachen sich rund 73 Prozent gegen eine Begrenzung der Zuwanderung aus, die auf 16.000 Personen pro Jahr beschränkt werden sollte und momentan bei durchschnittlich rund 80.000 liegt. Ein paar Monate zuvor war der Volksentscheid noch anders ausgefallen. Offenbar lernt man immer mal wieder dazu … was letztlich wohl auch für mehr direkte Demokratie mittels Volksentscheid in Deutschland sprechen würde. Nach Deutschland, welches rund 10 mal so viele Einwohner wie die Schweiz hat, wanderten 2013 reichlich 1,2 Millionen Menschen ein.

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Geschrieben von

Michael Winkler, Dresden

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