Spaß muss sein auf der Beerdigung! (2)

SPD Die nächste Chance ist vertan. Andere bestimmen weiterhin das Schicksal der Sozialdemokraten. Für die Zukunft lässt das nichts Gutes erahnen

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Sichtlich vergnügt bei der Auszählung: Andrea Nahles
Sichtlich vergnügt bei der Auszählung: Andrea Nahles

Foto: Henning Schacht-Pool/Getty Images

Der Fünfte Akt beginnt mit dem Mitgliederentscheid, Nahles und Kühnert touren durch die Republik. Regionalkonferenzen und Veranstaltungen auf Ebene der Ortsvereine werden zum Schauplatz divergierender Meinungen und Interessen. Während Kühnert ruhig und sachlich argumentiert, setzt Nahles wie gewohnt auf Lautstärke. Obwohl das Rennen noch offen zu sein scheint, kennt sie schon genau die Zukunft der Partei. Die Frage danach beantwortet sie im auf Kasernenhöfen üblichen Ton: „Die Zukunft der SPD steht vor ihnen!“ Ja dann...

Den Unterlagen zur Abstimmung legt der Vorstand ein durch 15 hochkarätige Unterschriften gehyptes dreiseitiges Papier bei, das ausschließlich Argumente für den Eintritt in die Koalition enthält und Oppositionelles schlicht unterschlägt. Es ist das Recht des Vorstandes so zu handeln, wie auch Kevin Kühnert einräumt. Aber mit diesem Stil demonstriert man vor allem das Recht der Mächtigen. Große Hoffnung auf eine zukünftig faire Behandlung einer von der Vorstandsmeinung abweichenden Auffassung weckt dieses Verhalten nicht. Es ist umwabert vom Houtgout des unlauteren Wettbewerbs.

Andrea Nahles scheut sich auch nicht, Kühnert zu diffamieren und zu behaupten, er habe „in Sachsen zum Thema Rente“ nicht die Wahrheit gesagt, bleibt für diese Behauptung aber jeglichen Beweis oder auch nur Hinweis schuldig. Auch diese Manier ist kaum ermutigend für die Zukunft.

Das am 4. März veröffentliche Ergebnis der Abstimmung mit hoher Beteiligung ist eindeutig: 66,02% wünschen den Eintritt in die Koalition. Die SPD bleibt staatstragisch.

Kevin Kühnert zeigt sich zunächst natürlich enttäuscht, will aber der Koalition: „auf die Finger schauen und dafür sorgen, dass aus den vielen unverbindlichen Absichtserklärungen konkrete Politik wird.“ Weiterhin kämpferisch stellt er klar: „Wir werden eine grundlegende Erneuerung einfordern und dieser Partei auch so lange aufs Dach steigen, bis wir das Gefühl haben, das passiert jetzt in einem ausreichenden Rahmen.“ Sich durch höhere Weihen ruhig stellen zu lassen, lehnt er ab.

Wir übernehmen jetzt Regierungsverantwortung und werden gleichzeitig die SPD neu aufstellen“, behauptet Hubertus Heil. Auf die Mitglieder der SPD ist Verlass. Sie lassen sich nicht erschrecken oder entmutigen“, kommentiert Sigmar Gabriel, Mitglied der SPD.

Martin Schulz ist „froh über das Ergebnis...Es kann Deutschland und Europa nach vorne bringen und die SPD stärken.“ Auch Andrea Nahles istfroh, dass jetzt so gekommen ist....Wir bleiben jetzt zusammen.

En bloc verbreitet sich Erleichterung bei allen Großkopferten. Burkhard Lischka, der sich vor noch gar nicht so langer Zeit gegen die Groko aussprach und damals noch wusste, dass eine solche Entscheidung: „den Volksparteien weiter schaden und den extremen Rändern weiter Zulauf bescheren“ würde (siehe „Spaß muss sein...1“), fühlt nun: Stolz auf meine Partei.Auch der Rest der Fraktion atmet tief durch und wischt sich den Angstschweiß von der Stirn. Das wird eine von diesen „Weißt-Du-noch-damals“-Geschichten.

Und nun? Es muss etwas geschehen, denn zu oft hat man „Erneuerung“ versprochen. Der semantisch versierte Olaf Scholz bevorzugt allerdings den Begriff „Neuaufstellung“. Er wird schon wissen weshalb. In einer Klausurtagung des Vorstand wurde bereits darüber geredet. Andrea Nahles erklärt: Es solle „Raum“ geschaffen werden „für Zukunftsdebatten in der SPD“. Bei diesen Worten drängt sich doch eher die Vorstellung eines unverbindlichen Chatrooms auf, als die Vorstellung von einer tiefgreifenden programmatischen Diskussion oder gar die Phantasie einer Zukunft, die „schonungslos die letzten 20 Jahre aufarbeiten“ wird. (siehe „Spaß muss sein...1“, 3. Akt)

Wir müssen uns selbst auf Herz und Nieren prüfen, ob unsere Selbstverortung noch stimmt und für die Zukunft trägt., verspricht die Vorsitzende in spe. Bei Andrea Nahles scheint diese Prüfung bereits weitgehend abgeschlossen zu sein. Sie weiß schon jetzt: „der Begriff 'Sicherheit'“ müsse „umfassender verstanden werden.“ Bisher hätte vor allem die 'Soziale Sicherheit' im Focus der Partei gestanden. Nun werde es Zeit, sich vermehrt um die 'Innere Sicherheit' zu bemühen. Wenn Vorstand und Fraktion dies mit der gleichen Einsatzfreude betreiben, mit der sie die 'Soziale Sicherheit' erhöhten, darf man auf die Umsetzung dieses Vorsatzes gespannt sein.

Auch Peer Steinbrück weiß schon, wohin die Reise gehen muss. Seine Partei solle sich doch eher an der „Wir sind nicht Burka“-Leitkultur des Thomas de Maizière orientieren. Im Übrigen vermisst er ein rechtsorientiertes Kaliber vom Schlage eines Otto Schily in der Spitze der SPD und wünscht sich eine „normsetzende Elite“ in Deutschland. Jeder Zoll ein 'lupenreiner' Sozialdemokrat eben.

Beide Statements lassen nichts Gutes erahnen. Sollte die SPD versuchen Wähler zu gewinnen, indem sie sich dumpfen Antipathien anbiedert statt mutige Alternativen aufzuzeigen, wird sie den Rest ihrer Glaubwürdigkeit endgültig verspielen. Gleichzeitig würde diese wetterwendische Haltung dafür sorgen, dass das nationalistische Geschwätz der AFD salonfähig wird. Gewählt wird das Original, nicht aber die nur in Nuancen davon abweichende Kopie. Bedeutungslosigkeit auf sehr, sehr lange Zeit würde die Folge sein.

Zukunftsträchtiger wäre vielleicht die Gründung einer neuen Arbeitsgemeinschaft in der Partei: „Sozialdemokraten in der SPD“.

Die SPD hat eine Chance verpasst. Martin Schulz debütierte als Strohmann, wurde dann am Nasenring herumgeführt, um schließlich als Watschenmann zu enden. Andere bestimmen weiterhin das Schicksal der Sozialdemokraten. Kleinmütig wird sich die Bundestagsfraktion wie gewohnt der Kabinettsdisziplin der Regierungspartei beugen. Zwar wissen die Abgeordneten nicht so richtig was eigentlich sie wollen, aber eines wollen sie mit aller Bestimmtheit: Um Führung bettelnd ihre Geltung bewahren. Denn diese 'Geltung' ist ihr einziges Kapital und auch der dümmste Neoliberale hat gelernt: Kapital ist unter allen Umständen zu schützen. Und wenn irgend möglich auf Kosten anderer.

Die larmoyante Ausrede, den Sozialdemokraten sei ihre Kernklientel, die Arbeiter, verloren gegangen, ist keine Entschuldigung dafür, sich für neoliberales oder konservatives Gedankengut zu öffnen. Einer Partei mit volatilem Credo wird keine gute Zukunft beschert sein.

Der erneute Eintritt in die Große Koalition wird aller Erfahrung nach das gleiche Ergebnis wie in den bisherigen Koalitionen zeitigen: Man hangelt sich von Kompromiss zu Kompromiss zu Kompromiss und rühmt sich dann vergeblich dafür, zwar wenig, aber doch immerhin etwas erreicht zu haben. Es ist zu erwarten, dass dieses Konzept bei den nächsten Wahlen erneut durch Wählerschwund abgestraft wird.

Die SPD erinnert an einen wahnhaften Mann, der immer wieder einen Ball in die Luft wirft, in der festen Überzeugung, beim nächsten Mal bliebe er aber oben. Diese Hoffnung könnte sich als verhängnisvoll für die Partei erweisen. Martin Schulz hat es schon vor Längerem erkannt: „Wenn sich Menschen von einem Projekt, von einer Idee abwenden, dann geht das irgendwann seinem Ende entgegen“. Amen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden