Am Ende wird gevögelt

Alltagslektüre Mikael Krogerus liest "Alte Liebe" von Elke Heidenreich und Bernd Schröder. Er ist froh, als es vorbei ist. Nur: Ist es Kunst, so zu schreiben - oder ein Armutszeugnis?

Was habe ich gelesen? Alte Liebe" target="_blank">Alte Liebe von Elke Heidenreich und Bernd Schroeder

Seitenzahl: 192.

Amazon-Verkaufsrang: 201.

Warum habe ich es gelesen?

Ich lese derzeit die Bestsellerliste.

Worum es geht?

Altes Ehepaar, in etwa: meine Eltern, haben sich auseinander gelebt. Er ist Frühpensionär, liebt seinen Garten heißer als die eigene Frau, trinkt gern Bier. Sie wiederum ist noch immer in der Bibliothek angestellt, denkt ans Aufhören. Ihre Mutter liegt im Sterben, er geht zum Golfen, sie liebt die Literatur („Martin Walser“), er die frische Luft. Die beiden sind seit 40 Jahren zusammen, die bevorstehende (dritte) Hochzeit ihrer gemeinsamen Tochter nehmen die beiden zum Anlass mal ein wenig über sich nachzudenken. Über ihr Leben, ihre Liebe, und darüber, warum das eine oder das andere nicht so richtig funktioniert. Die beiden, Lore und Harry heißen sie, schreiben jeweils abwechselnd ihre Sicht auf die Dinge. Lore: schnodderig. Harry: gemütlich. Beide: trivial. Am Ende heiratet die Tochter (unglücklich), die beiden aber, also Harry und Sally, pardon: Lore, finden endlich wieder zueinander, was der Leser daran erkennt, dass sie in der Hochzeitsnacht ihrer Tochter im Hotelzimmer herumvögeln. Am Ende gibt es noch etwas für die Seele. Ein schönes Buch. Schön auch, dass es vorbei ist.

Was bleibt hängen?

Es ist vermutlich ein Generationenroman. Ich stelle mir vor, dass sich meine Mutter in dem Buch ungefähr so wiedererkennt, wie ich mich in Generation Golf oder Sommerhaus, später meinte wiederzuerkennen. Dieses Sich-wieder-erkennen bedeutet nicht, dass man die Beschreibungen oder gar die Bücher mag. Es bedeutet bloß, dass hier jemand ein Gefühl, eine Zeit oder vielleicht auch nur eine Stimmung beschreibt, die alle kennen, die in derselben Altersgruppe sind. Große Frage an die Literatur: ist es eine Kunst, so zu schreiben, dass sich möglichst viele darin erkennen? Oder ist es, im Gegenteil, ein Armutszeugnis?

Wie liest es sich?

Heidenreich und Schroeder, früher selber ein Paar, schreiben gewitzt. Man sieht die beiden förmlich vor sich, wie sie kichernd ihre tumben Dialoge in die Tastaturen hacken, nebenbei versonnen einen guten Rioja im Glas kreisen lassen und an früher denken (man ahnt auch, warum Schroeder Heidenreich verließ). Die besten Stellen erinnern an Loriot, die schwächsten an die Dialoge meiner Nachbarn.

Der repräsentative Satz:

„Harry ist immer so nüchtern, er braucht das alles nicht, sagt er. Er braucht sein Weizenbier, seine Zigarre, seine Zeitung, seinen Garten, frische Luft. Ab und zu einen Schweinsbraten mit Kruste. Der Mann ist leicht zufriedenzustellen. Ich brauch viel mehr. Meine Seele hat dauernd Hunger, nach Schönheit, nach Musik…“. Usw.usw.usw.

Wer sollte es lesen?

Enttäuschte Frauen.

Was lese ich als nächstes?

Dan Brown The Lost Symbol

Die Alltagslektüre: In seiner Kolumne unterzieht Freitag-Autor Mikael Krogerus jede Woche ein Buch seinem persönlichen Lese-Check. Zuletzt: von John Grisham

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