Das Geheimnis der rechten Augenbraue

Abschied Roger Moore hat sich mehr reingetrickst als hochgearbeitet – doch alle sind ihm erlegen. Jetzt ist der charmanteste aller James-Bond-Darsteller gestorben
Roger Moore: Kein Womanizer, aber ein Herzensbrecher
Roger Moore: Kein Womanizer, aber ein Herzensbrecher

Foto: Peter Ruck/BIPs/Getty Images

Als ich einmal 15 Minuten mit Roger Moore bekam, sprach er fast nur über den Tod. Dauernd drehte er jedes Thema auf seine Hypochondrie, empfahl Ärzte, fragte mich, ob ich schon mal eine Vorahnung gehabt hätte, woran ich sterben werde und sprach ausgiebig über seine Polyneuropathie – eine Nervenerkrankung, wegen der er das Gefühl in den Füßen verloren hatte. Auch machte er keinen Hehl aus seiner Angst vor dem Tod. Angesprochen darauf, gab er die schönstmögliche aller Antworten: „Ich will nicht sterben, weil das Leben so verdammt schön ist". Heute, genau 8 Jahre später, erlag Roger Moore einem Krebsleiden in Gstaad in der Schweiz.
Obwohl er dauernd vom Tod faselte, dachte niemand von uns Journalisten daran, dass er sterben könnte. So vital, so charmant, so jungenhaft wirkte er.

Halb sechs Uhr abends, dritter Stock in dem Berliner Fünf-Sterne-Hotel Westin Grand an der Friedrichstraße. Vor einem der Zimmer lungern Journalisten, ein paar Techniker tragen Kabelrollen und Stative, zwei Verlagsmenschen fachsimpeln über Buch-Vorbestellungen. Drinnen wird er von einem Fernsehsender interviewt. Roger Moore. Plötzlich geht die Tür auf, eine Frau stürmt raus, jetzt sind – aberbitteschnell – die nächsten dran.

"Ich will nicht sterben, weil das Leben so verdammt schön ist".

Da sitzt er nun, Roger Moore, der James Bond aus Octopussy, Live and Let Die, Moonraker. Breites Gesicht, breite Handgelenke. Überhaupt: breite Gestalt. Sieht toll aus. Und nicht nur: toll für einen 82-Jährigen. Er hat einen blauen Blazer an, eine dunkle Hose und eine große goldene Cartier-Brille auf. Er ist hier, um seine Autobiographie vorzustellen. Titel: „Mein Name ist Bond ... James Bond“.

Sie handelt zu großen Teilen davon, wie bescheuert Journalisten sind („Mit welchem Bondgirl hätten Sie gern auch privat etwas gehabt?“, „Wie finden Sie den neuen Bond?“, „Worin unterscheiden Sie sich von Sean Connery?“), trotzdem ist er freundlich zu uns, fester Händedruck, Augenkontakt, Zwinkern. Oh, really? Oh, well – kein unnötiges Wort, ganz der Gentleman. Seine Stimme: warmes Brummen, britisch eingefärbt, mitunter etwas nuschelnd – man hofft ständig, dass er einen seiner berühmten Witze reißt und fürchtet ständig, dass man ihn akustisch nicht versteht. Um ihn herum, wie Kinder vor ihrem Großvater, sitzen wir nervösen Journalisten, zwei Fotografen, einige vom Verlag. Am Kopfende des kleinen Tisches hockt die zierliche Kristina „Kiki“ Tholstrup, 71, schwedische Ex-Stewardess, Multimillionärin, heute Ehefrau von Roger Moore. Wie eine Spinne wacht sie über ihre kostbare Beute.

Er war vielleicht nicht der beste Bond. Aber ganz sicher der Charmanteste. Jetzt lächelt er die Dame von der Berliner Morgenpost an, zieht die rechte Augenbraue hoch – wie im Film! Der einzige schauspielerische Ausdruck, den er beherrsche, sagen Kritiker, der aber locker ausreicht, um sie alle zu verführen. Man will natürlich wissen: Was ist das Geheimnis seiner Charmeoffensive?

„Willst du mich heiraten? Funktioniert immer. Aber probieren Sie den nicht zu oft“.

„Was ist, über die Jahre, Ihr erfolgreichster Anmachspruch?“ – „Willst du mich heiraten? Funktioniert immer. Aber probieren Sie den nicht zu oft“. – „Sie haben es ja bislang vier mal probiert. Warum heiraten Sie eigentlich immer wieder?“ – „Nein, nein jetzt bin ich durch damit, nie wieder, jetzt weiß ich, wer die große Liebe ist.“ – „Woran erkennt man die denn?“ – „Schau dir ihre Mutter an. Wenn du dir sagen kannst: So wird sie nie aussehen, dann bist du verliebt. Wenn du ein Girl an der Bar triffst und du denkst: mein Gott, die wird eines Tages so aussehen wie ihre Mutter! Dann weißt du: Du bist nicht verliebt“.

Die Antwort ist mehr gefühlt wahrgenommen als gehört – Roger Moores Stimme wird zur Pointe hin immer schneller und undeutlicher. Trotzdem furchtbar lautes Gelächter in dem kleinen Zimmer. Haha. Hoho. Niemand will nachfragen: „Wie bitte, Herr Bond, können Sie das noch mal deutlicher sagen?“

Kein Womanizer, aber ein Herzensbrecher

Während er die Standardfragen abfertigt („Daniel Craig ist ein guter Darsteller“, „Mit dem Fall der Berliner Mauer ist Bond eigentlich überflüssig geworden“, „James Bond wird in jeder Bar erkannt, jeder Barkeeper weiß, dass er seinen Martini geschüttelt, nicht gerührt haben will. Einen Spion sollte doch eigentlich keiner kennen, oder?“) hat man Zeit, ihn näher zu betrachten: Seinen liebevollen Blick, den er nach jedem Satz seiner Frau zuwirft, die Altersflecken auf den Händen, seinen Tick, dass er alle paar Minuten fest auftritt, weil er das Gefühl in den Füßen verliert. Überhaupt die Gebrechen: Seine Autobiografie ist voller Krankheitsgeschichten (allein 17 Ärzten dankt er im Nachwort). Darauf angesprochen kontert er gut: „Ich, ein Hypochonder? Ein Hypochonder glaubt, dass er krank ist. Ich weiß, dass ich es bin.“

Roger Moore war – trotz fehlendem Talent – einer der ganz Großen in Hollywood. 100.000 Dollar Tagesgage. Mit sieben Filmen Rekord-Bond-Darsteller. Befreundet mit Frank Sinatra, Audrey Hepburn, David Niven, Tony Curtis, Gregory Peck. Kein Womanizer, aber ein Herzensbrecher. Spielte in den Drehpausen mit dem legendären James-Bond-Produzenten Robert „Cubby“ Broccoli Backgammon um sechsstellige Beträge. Kaufte sich einen Rolls-Royce. Und dann noch einen.

„Kristina suchte jemanden, den sie im Tennis schlagen konnte. Ich war schlagbar“.

Das alles brachte selbstverständlich eine gewisse Lässigkeit oder auch Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber. Der Polizistensohn hatte sich mehr reingetrickst als hochgearbeitet und war dem Sinnspruch gefolgt: „Nimm jedes Angebot an, dass du kriegen kannst“. Sein Ehrgeiz galt nicht dem künstlerischem Ausdruck, sondern der Lust auf materiellen Wohlstand. Ein Umstand, der ihm zu der beneidenswerten Eigenart verhalf, sich selbst nicht wirklich Ernst zu nehmen. Ein typisches Roger-Moore-Understatement geht so: Frage: „Wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt?“ Antwort: „Kristina suchte jemanden, den sie im Tennis schlagen konnte. Ich war schlagbar“.

Scheidung für 16 Millionen

Kiki Tholstrup lächelt und schaut verlegen zu Boden. (Moores Ex-Frau, nebenbei, erzählt die Geschichte etwas anders: Kiki Tholstrup, eine langjährige Freundin der Familie, sei besessen gewesen von Roger Moore, habe ständig bei ihnen geklingelt und die Bond-Filme ausgeliehen. Und er habe nach seinem Prostatakrebs jemanden gebraucht, um sich seine Männlichkeit zu beweisen. Die Scheidung kostete Moore 16 Millionen Euro.)

Seit dem Ende seiner Bond-Karriere dreht er nur noch selten. Sein letzter richtiger Film ist acht Jahre her, heute ist er Unicef-Botschafter. Und er ist es mit einer größeren Ernsthaftigkeit, als es ihm als Schauspieler je gelungen ist.

Roger Moore wirkt zufrieden. Glücklich fast. Sein Trick: Er ist kein guter Schauspieler. Und er weiß es. Er ist einfach der Mann, der James Bond war. Und der dieser überzeichneten Figur ein Quantum Selbstironie verlieh, nach dem Daniel Craig noch lange suchen wird.

Dieser Beitrag baut auf einem Artikel unseres Autors auf, der am
09. Juni 2009 erstmals online erschienen ist

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