Die Frage der Woche: Sind Sie schon oder werden Sie erst? Die Rede ist hier nicht vom Beitritt zur Piratenpartei, sondern vom Start ins Osterwochenende. Mag sein, dass wir uns mit dieser Behauptung etwas aus dem Fenster lehnen, aber falls Sie Familie haben, ein Auto besitzen und Deutscher sind, läuft es praktisch auf die Frage hinaus, wann Sie ins Osterwochenende starten. Es geht darum, den Monsterstaus auf den deutschen Autobahnen zu entgehen. Das Thema ist hot. Wem kein Smalltalk-Gesprächsthema einfällt, der kann derzeit beruhigt das Stichwort „Osterstau“ ins intelligente Tischgespräch einstreuen und schon entflammt die Diskussion. Ganz so, wie ältere Menschen über Gesundheitsthemen zueinanderfinden oder sich wildfremde Männer über Sport verständigen, scheinen die Deutschen die Debatte über Staumeldungen, Alternativrouten und Benzinpreise (2 Euro pro Liter!) zu brauchen, um miteinander warm zu werden.
Vier verschiedene Strategien kristallisieren sich heraus: Am Gründonnerstag früh los (vor den anderen). Am Gründonnerstag spät los (weil alle früh fahren). Schon am Mittwoch. Oder erst am Karfreitag (also dann fahren, wenn alle glauben, dass alle fahren). Statistisch gesehen sind laut ADAC Mittwoch und Freitag die besten Reisetage. Gleichzeitig warnt der ADAC aber, dass es aufgrund dieser – vom ADAC herausgegebenen! – Information auch am Karfreitag und am Mittwoch länger dauern wird. Die Information ruiniert die Informierten! Das Thema hat philosophische Dimensionen: Was passiert, wenn alle alles wissen?
Keine Information wert
Was wie ein feuchter Traum von Transparenzaktivisten klingt, führt in der Praxis zu Schwierigkeiten. Bekannt ist, dass sich Autofahrer dank GPS-Navigationshilfen seltener verfahren. Und je seltener Verkehrsteilnehmer sich verfahren, desto weniger Staus entstehen. Lange waren GPS-Informationen nur einem kleinen Kreis vorbehalten, der von dieser quasi-exklusiven Information profitierte. Das Geheimwissen der Wenigen diente also letztlich allen. Die Marktdurchdringung des ADAC und die Verbreitung von GPS führen nun dazu, dass alle Autofahrer den kürzesten Weg und den besten Reisezeitpunkt kennen. Aber wenn alle über das gleiche Wissen verfügen und auf dieses Wissen reagieren, erleben wir das sogenannte Überreaktions-Phänomen: Die Vorteile einer Information heben sich auf, wenn alle sie haben.
Als Empfehlung für die Ostertage halten wir uns an die alte chinesische Teebeutelweisheit: Das Unglück beginnt, sobald man das Haus verlässt.
Kommentare 3
Das ADAC-Maskottchen für für die Car-Woche seine Stauprognose abgeben ...
http://www.laetacara.pytalhost.de/bilder/zeitschriften/bazar/1876/heft05/schnitt2.jpg
... Antizyklisch zu fahren bedeutet, gar nicht zu fahren.
Weswegen Europa jetzt auch unbedingt GALILEO haben will: Wenn schon Stau, dann richtig hausgemacht.
Das einleitend erwartete, eher verballhornte Credo diesem "Der Weg ist das Ziel" und die grundsätzliche, die "philosophische Dimension" kommt mir bei diesem Text dann doch etwas zu kurz, beinahe garnicht vor.
Das ist schade...