Der beste schwedische Film

52 Filme Unser Kolumnist schaut sich diese Woche den Episodenfilm "Die Unfreiwilligen" (2009) über die Abgründe des schwedischen Alltags an. Ein Spielfilm mit Dokucharakter

Was habe ich gesehen? De ofrivilliga (Die Unfreiwilligen) von Ruben Östlund, 2009, Laufzeit: 120 min.

Warum habe ich es gesehen?

Gilt als der beste schwedischen Film der letzten ungefähr 100 Jahre.

Worum geht es?

5 verschiedene Momentaufnahmen aus dem schwedischen Alltag: eine Familienfeier in einer Villa, eine komplexe Loyalitätskrise in einem Lehrerzimmer einer Schule, zwei betrunkene Teenagermädchen, die sich auf einer Wiese ins Koma saufen, ein Busfahrer, der die Mitreisenden als Geisel nimmt, um herauszubekommen, wer von ihnen einen kleine Gardinenstange im Busklo zerstört hat und eine Gruppe junger Männer auf Sauftour, die seit der Jugend zusammengeschweißt sind aus einer schwerbegreifbaren Mischung aus Mobbing und unausgesprochener Homosexualität.

Die Gemeinsamkeit der Situationen:

Sie alle laufen aus dem Ruder. In den Episoden geht es um das verzweifelte Dazugehören zu einer Gruppe, die man hasst. Östlund beherrscht den Jargon der jeweiligen sozialen Schichten, die Gesten der Altersgruppen perfekt. Mehrmals im Film ist man überzeugt, es sei eine Doku und nicht ein Spielfilm.

Was bleibt?

Östlund hat einen deutlich dunkleren und deutlich schärferen Blick auf das heutige Schweden, als man es gewohnt ist. Er erkennt Selbstwertverlust, Angst, Unvermögen, Feigheit, und Anpassungsdruck wo andere Demokratie, Naturliebe, Freundlichkeit und Sonnenschein sehen. Die Personen sind alle halbfertig erzählte, also unvollständige, eigentlich mißratene Charaktere. Das aufklärerische Ideal des freien Willens geht ihnen völlig ab. Obwohl die Menschen im Film unglaublich normal wirken – lange nicht so stilisiert wie in den Reality-Programmen aus der deutschen Unterschicht – und man sich immer wieder dabei ertappt zu denken: Hey, die ist wie meine Kusine, so ahnt man doch, dass diese stinknormal-unglücklichen Menschen zu den abgründigsten Handlungen fähig sind.

Welche Figur wäre ich gern?

Ich wäre sie nicht gern, aber die Gruppendruck-Situation der saufenden Jungs, die sich mit quasi-homosexuellen Spielen gegenseitig erniedrigen, kenne ich. So wie wohl jeder, der mal als Teenager in Schweden leben musste.

Das fällt dem Cinematographen auf:

Die Kamera ist in jeder Einstellung unverändert, still, als ob man etwas Schlimmes sieht, und den Blick davon nicht abwenden kann.

Was sehe ich als nächstes?

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