Freimaurer-Kitsch mit Nettobotschaft

Alltagslektüre Von sich selber abschreiben ist die ehrlichste Form des Eigenlobs, findet unser Kolumnist. Trotzdem war er nur mäßig beeindruckt von Dan Browns neuestem Thriller

Was habe ich gelesen?
The Lost Symbol" target="_blank">The Lost Symbol von Dan Brown.

Seitenzahl: 528 Seiten.

Amazon-Verkaufsrang: 1

Warum habe ich es gelesen?
Es ist die Nr. 1 der Bestseller-Liste. Und alle schimpfen drüben. Zu Recht?

Worum geht es?
Robert Langdon, der aus dem ersten Band Sakrileg hinlänglich bekannte Superkryptologe, muß diesmal nach Washington. Er wird in eine Falle gelockt und hat 12 Stunden Zeit, ein Rätsel zu lösen, das wie Matrjoschka-Puppen immer wieder ein neues Rätsel präsentiert, sobald man eines gelöst hat. Der Stoff: Freimaurer-Trivia (das erste Wort der Menschheit, verborgenes Geheimwissen, Die Gründerväter Amerikas etc.). Der Böse ist eine, wie ich finde, recht sympathische Figur, der seinen Vaterkomplex mit Anabolika, Tattoos und Extrem-Religiösität verarbeitet und seine Hoden geopfert hat, um ungeschlechtlich zu sein wie die Götter. Irrsinn. Aber nun, so ist Dan Brown.

Das CIA ist auch noch hinter Langdon her, wobei deren Motiv über 400 Seiten völlig schleierhaft bleibt, und als es dann gelüftet wird… also „konstruiert“ wäre noch zu nett.

Egal. Auf Seite 470 gibt es eine geniale Wendung, vier Seiten später ist dann aber alles vorbei. Die letzten 50 Seiten sind ein etwas langatmiger Dialog zwischen dem Skeptiker Robert Langdon und dem Mystiker Peter Solomon. Die Nettobotschaft: Wir sind alle göttlich.

Was bleibt hängen?
Brown mischt Neue Biologie (Stichwort „soziale Evolution“, der Mensch kann seine eigene Evolution beeinflussen etc.) mit neo-spiritistischen Thesen („Wir haben alle einen Schöpfer“), modernen Foltertechniken („Total Liquid Ventilation“) und verquirlt es mit Freimaurer-Kitsch. Das ist Stoff, der mich vielleicht als Teenager beeindruckt hätte (ungefähr zur gleichen Zeit, als ich auch „Das Bermuda-Dreieick“ verschlang), heute finde ich es etwas langweilig.

Brown ist kritisiert worden, dass er das „Sakrileg“, also sich selbst kopiere. Mich stört das nicht. Besser er kopiert ein spannendes Buch als ein langweiliges. Außerdem gilt: Kopieren ist die ehrlichste Form der Schmeichelei. In diesem Fall des Selbstlobs.

Wie liest es sich?
Es ist genauso leicht, dieses Buch zu lesen, wie im Internet Pornografie zu finden.

Der typische Dialog:
- „Wo ist sein Laptop?“
- „Gibt es dort etwas, was Sie sehen möchten?“
- „Es gibt dort etwas, wovon ich möchte, dass es niemand sieht.“

Was lese ich als nächstes?
Fällan i Brunnsparken, Staffan Bruun

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